Salz der Erde

Predigt über Matthäus 5,13 zum 8. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

„Ihr seid das Salz der Erde“, sagte Jesus zu seinen Jüngern. Und weil auch wir seine Jünger sind, können wir das auf uns beziehen: „Wir sind das Salz der Erde.“ Was meint Jesus mit diesem Bild? Um dem auf die Spur zu kommen, müssen wir zunächst darüber nachdenken: Was hat es denn mit dem Salz auf sich, wozu wird es verwendet? Und wir wollen auch bedenken, was die Bibel sonst über das Salz sagt. In einer Konkordanz kann man unter dem Stichwort „Salz“ nachschauen und findet da viele Bibel­stellen. Nimmt man beides zusammen, sowohl die allgemeinen Über­legungen zum Salz als auch die Botschaft der Bibel, dann kann man sagen, dass das Salz haupt­sächlich vier Anwendungs­bereiche hat: Es reinigt, es kon­serviert, es heiligt und es würzt.

Erstens reinigt Salz. Die Hausfrauen unter uns könnten sicher aus ihrem Erfahrungs­schatz einige Tips geben, wie man und was man mit Salz reinigen kann. Im Alten Testament ist sogar davon die Rede, dass neugeborene Babys mit Salz abgerieben wurden – wohl, um sie zu reinigen. Zweitens konserviert Salz. Fleisch wurde früher oft ein­gepökelt, also in Salz eingelegt, damit es lange haltbar blieb. Mit Salz­heringen oder Sardellen ist es ähnlich. In biblischer Zeit gehörte das Einsalzen zu den wichtigsten Kon­servierungs­methoden. Deshalb ist Salz in der Bibel ein Inbegriff von Beständig­keit, Un­vergänglich­keit. So kommt es, dass im Gottes­dienst des Alten Testaments Salz drittens auch heiligt. Kein Opfer wurde im Jerusalemer Tempel dar­gebracht, ohne dass es zuvor gesalzen wurde. Gottes alter Bund wird an einigen Stellen „Salzbund“ genannt; das bedeutet: er ist ein beständiger und heiliger Bund. Viertens macht Salz Speisen schmack­haft. Dieser Anwendungs­bereich ist uns heute am ver­trautesten, war aber auch schon zu biblischer Zeit bekannt.

„Ihr seid das Salz der Erde“, sagte Jesus den Jüngern damals und sagt Jesus uns Christen heute. Mit den vier Anwendungs­bereichen des Salzes können wir uns klar machen, was er mit diesem Gleichnis meint.

„Ihr seid das Salz der Erde“ bedeutet erstens: Ihr seid rein. Kein Zweifel, wie das zu verstehen ist: Ihr seid gereinigt durch das Blut Christi, abgewaschen von Sünde durch das Bad der Wieder­geburt, durch die heilige Taufe. Es bedeutet zweitens: Ihr seid kon­serviert, beständig. Ihr seid für die Ewigkeit bestimmt. Ihr seid Erben des ewigen Lebens. Wie Jesus vom Tod auf­erstanden ist, so werdet ihr mit ihm ewig leben in der Herrlich­keit des Vaters. Ihr seid drittens heilig, geheiligt durch das Opfer Jesu Christi. Ihr gehört zu Gott – so, wie all die gesalzenen Opfergaben im Tempel Gott gehörten. Ihr habt den Heiligen Geist empfangen. Ihr seid viertens etwas Schmack­haftes, ihr seid durch den Heiligen Geist dazu berufen, dieser Welt die rechte Würze zu geben durch euer christ­liches Bekenntnis und durch eure guten Werke.

Besonders bei diesem letzten Anwendungs­bereich wird uns deutlich, dass das Salz-Sein kein Selbstzweck ist. „Ihr seid das Salz der Erde“, das heißt: „Ihr seid Salz für die Erde, für die anderen Menschen.“ Ihr seid durch Christus gereinigt, kon­serviert, geheiligt und schmackhaft geworden nicht nur, damit ihr selbst seliges Leben habt, sondern auch, damit ihr dazu beitragt, dass andere selig werden.

Lasst uns in dieser Richtung weiter­denken. Ein einzelnes Salzkorn bewirkt kaum etwas, es geht unter und entfaltet keine nennens­werte Wirkung. Aber die Anhäufung vieler Salzkörner kann etwas bewirken. Seht, darum hat Christus uns Salzkörner in die Gemeinde gestellt, dass wir gemeinsam etwas für die Erde sein sollen. Er redet die Jünger immer gemeinschaft­lich an, sagt also nicht: „Du bist ein Salzkorn der Erde“, sondern: „Ihr seid das Salz der Erde.“ Ganz konkret: Unsere Gemeinde hier ist berufen, Salz in der Suppe dieser Welt zu sein, und zwar die ganze Gemeinde, nicht nur der Pastor, nicht nur die Kirchen­vorsteher. Für den Lauf des Evangeliums hängt viel davon ab, ob Außen­stehende einer Gemeinde anmerken: Hier sind Leute, die aufgrund einer frohen Botschaft fröhlich leben; die aufgrund der erfahrenen Liebe Gottes sich unter­einander lieben und dabei noch viel Liebes-Überschuss für andere haben; Leute, die nicht unter den Problemen einer ver­gänglichen Welt re­signieren, sondern aus der Hoffnung auf die herrliche un­vergäng­liche Welt leben und diese Hoffnung auch aus­strahlen.

Das zeigt sich ganz besonders in der Art und Weise, wie wir reden. Deshalb ermuntert Paulus die Gemeinde in Kolossä mit Bedacht so: „Eure Rede sei allezeit freundlich und mit Salz gewürzt, dass ihr wisst, wie ihr einem jeden antworten sollt“ (Kol. 4,6). Mit Salz gewürzt sollen wir reden – also so, dass wir dem Anspruch gerecht werden, Salz der Erde zu sein: rein, zum ewigen Leben berufen, heilig. Es ist wirklich der Mühe wert, wenn wir uns angewöhnen, auch in den all­täglichen Lebens­situationen geistlich zu reden. Wenn jemand Geburtstag hat, wünschen wir als Christen mit Bedacht nicht nur alles Gute, sondern Gottes Segen. Wenn andere über das Wetter fluchen, merken wir an: „Wind und Wetter loben den Herrn“, oder: „Gott macht keine Fehler.“ Wenn wir einem Trauernden kon­dolieren, sagen wir nicht nur „Herzliches Beileid“, sondern: „Ich wünsche Gottes reichen Trost.“ Wenn wir einen Brief, eine Karte oder eine E-Mail schreiben, kann im Gruß ruhig auch unsere christliche Hoffnung anklingen: „Sei Gott befohlen!“, kann man da schreiben, das wäre mit Salz gewürzt.

Vielleicht kommt euch das wenig vor, aber es ist viel. Mit Salz muss man sparsam umgehen. Als Jugend­licher hatte ich hoch­fliegende Ideen, was die Christen alles tun müssten als Salz der Erde. Das ist gut so, das ist das Vorrecht der Jugend. Als Jugend­licher will man viel, als Erwachsener erkennt man nach und nach seine engen Grenzen. Da hat man auch nicht mehr so viele Freiräume, seine Träume vom Salz-der-Erde-Sein in die Tat umzusetzen. Aber auch in den Grenzen von Beruf und Familie, in den Grenzen gesell­schaft­licher Zwänge, in den Grenzen von Krankheit und Trübsal kann man Salz der Erde sein. Es sind die kleinen täglichen Gelegen­heiten, die Gott einem gibt. Es sind die Bereiche der Mitarbeit, die sich in der Gemeinde ergeben. Es ist vielleicht nur das geduldige Still­halten, wenn Gott Schweres über dich kommen lässt. Wenn du dann im Leiden immer noch Gott preist, dann horcht die Welt auf, dann bist du Salz der Erde. Dann salzt Gott mit dir, und so soll es doch letztlich sein.

„Ihr seid das Salz der Erde“, sagte Jesus. „Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen?“ – „Wenn nun das Salz nicht mehr salzt“ – geht das überhaupt? Kann Salz „dumm“ und kraftlos werden? Nein, chemisch ist das unmöglich, was Jesus hier sagt. Salz ist immer salzig, oder es ist kein Salz. Es kann seinen Geschmack niemals verlieren. Was hat diese Aussage Jesu dann aber zu bedeuten?

Natürlich wusste Jesus, dass Salz nicht kraftlos werden kann; schließlich hat er selbst es so geschaffen mit seinem Vater. Jesus hat also ganz bewusst das Unmögliche formuliert: „Wenn das Salz nicht mehr salzt …“ Er will damit sagen: Wenn ein Jünger nicht Jesus als Herrn bekennt und keine guten Werke hat, dann ist er kein Jünger mehr; dann ist das sogenannte Salz kein Salz mehr. Wer nicht bekennt und keine guten Werke hervor­bringt, gehört nicht zu Christus und hat Gottes Gericht zu erwarten: „Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten.“ Anders­herum: Wer getauft ist und an Jesus glaubt, wer von ihm gereinigt und geheiligt ist, der ist ganz einfach Salz und bleibt auch Salz, denn seine Salzkraft ist nicht eigene Leistung oder eigenes Verdienst, sondern Gottes Werk in ihm und durch ihn. Gott ist in seinem Tun treu und ver­lässlich.

Wir merken, wir kommen hier mit unserem Verstand an eine Grenze. Das muss auch so sein, denn hier verlassen wir den Bereich mensch­licher Weisheit und betreten den Bereich göttlicher Weisheit. Warum aber sagt uns Jesus so etwas, wenn wir es doch nicht fassen können? Nun, wir können durchaus fassen, was das für uns zu bedeuten hat: Christus hat uns zum Salz der Erde gemacht, und wir dürfen dessen gewiss sein, weil sein Wort und seine Zusage durch seinen Tod und unsere Taufe Bestand haben. Wir können auch erwarten: Wenn wir in Christus leben, also mit seinem Wort und Sakrament, dann sind wir Salz und haben Salzkraft für die Erde. Wenn wir Gutes tun wollen, brauchen wir eigentlich nur das zu leben, was wir sind.

Anderer­seits aber sollten wir auch die Mahnung nicht überhören, die unser Herr in diese Worte gelegt hat: Es kann geschehen, was eigentlich nach Gottes Berufung unmöglich ist, was aber ein ver­finstertes Herz bewirkt: Dass ein Jünger abfällt, dass er als Salz nicht mehr salzt, dass er aufhört, Salz zu sein, Jünger zu sein. Diese dunkle Seite des Evangeliums haben wir vor Augen mit König Saul oder mit dem Jünger Judas, die beide zu höchster Ehre berufen waren, beide jedoch abfielen, beide schließlich in Ver­zweiflung und Verdammnis endeten. Niemand von uns soll selbst­sicher werden! Wer meint, er stehe, sehe zu, dass er nicht falle!

Und wenn uns dieses ernste Wort Christi vom kraftlosen Salz, das zertreten wird, erschreckt, so hat es seine Wirkung nicht verfehlt. Denn wenn es uns erschreckt, treibt es uns doch nur wieder in die Arme des lieben Herrn und lässt uns bitten: „Herr, du hast so viel für mich getan, hast mich armen, elenden Sünder erlöst. Herr, ich erkenne, wie wenig ich deine Salzkraft in meinem Leben eingesetzt habe, wie un­vollkommen ich bisher als dein Jünger und Zeuge gelebt habe. Herr, lass mich nicht zu Schanden werden, lass nicht zu, dass ich zertreten und verdammt werde. Nimm mich um Christi willen wieder in Gnaden an; ich komme in keiner anderen Zuversicht als auf die Zusage deines heiligen Evangeliums hin. Du bist ja in die Welt gekommen, um Sünder selig zu machen, und so rufe ich zu dir: Herr, erbarme dich.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1991.

Autor: Pastor Matthias Krieser

SOLI DEO GLORIA!

PREDIGTKASTEN

►  Startseite

►  Impressum