Einstimmen in das Gotteslob

Predigt über Matthäus 21,15‑17 zum Sonntag Kantate

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wo Jesus am Werk ist, da sprießt das Gotteslob wie Unkraut! Jesus tut Wunder im Tempel, Jesus heilt Kranke, und die Menschen­massen jubeln ihm zu. Auch kleine Kinder sind begeistert und schreien die Worte, deren Tragweite sie wohl kaum verstehen: „Hosianna dem Sohn Davids!“ Diese Hosianna-Rufe sind gewisser­maßen ein Echo jener Sprech­chöre, die die Kinder noch von Jesu Einzug nach Jerusalem im Ohr haben. Die jüdischen Berufs-Frommen, die Hohen­priester und Schrift­gelehrten, ärgern sich darüber. Sie ärgern sich sowohl über die Wunder Jesu als auch über die fröhliche, aus­gelassene Begeiste­rung der Kinder. Kann man das verstehen?

Nun, für solchen Ärger gibt es manche Parallele in der Christen­heit. Als um 1970 die Jesus-People-Welle von Amerika nach Deutschland schwappte, da machten viele Kirchen­männer besorgte Gesichter. Was sollte man davon halten, dass zwie­lichtige Jugendliche mit un­gepflegter Haartracht plötzlich zu beten anfingen und geistliche Lieder sangen? Was sollte man dazu sagen, dass Gott plötzlich mit Schlagzeug und Gitarre im Beat-Rhythmus gelobt wurde? Wie sollte man darauf reagieren, dass viele Jugendliche plötzlich die Wunder Gottes bezeugten und Jünger Jesu wurden? Mancher hat daran Anstoß genommen – nicht zuletzt auch deshalb, weil diese Erweckung außerhalb der Mauern seiner leer gewordenen Kirche stattfand. Heute hat sich die Aufregung von damals weitgehend gelegt. Und viele haben inzwischen etwas gelernt, was Jesus die Hohen­priester und Schrift­gelehrten damals auch lehrte: Gott selbst erweckt sich sein Lob unter den Menschen – gerade auch aus dem Munde der Unmündigen; gerade auch bei denen, die vielleicht bis jetzt nur eine ober­flächliche geistliche Erkenntnis haben; gerade auch bei denen, die sich in der großen Menge ganz einfach naiv mitfreuen über die Wunder, die Jesus damals wie heute tut. Um Gott zu loben, braucht man weder Theologie noch Kirchen­musik studiert zu haben. Bilden wir uns bloß nicht ein, dass das Gotteslob eines Theologen oder eines Kirchen­musikers in Gottes Ohren besser klingt als das Gotteslob unmündiger Kinder oder aus­gelassener Teenager!

Übrigens sollte man bei der damaligen Begebenheit darauf achten, wie Jesus die geistlichen Herren seiner Zeit zurechtweist. Er erinnert sie ganz einfach an einen Bibelvers aus dem 8. Psalm: „Aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge hat du dir Lob bereitet“ (Psalm 8,3). Ja, so einfach ist das, in der Bibel steht der Beweis; so macht es Gott, das haben wir zur Kenntnis zu nehmen. Wenn wir uns doch in der heutigen kompli­zierten Zeit bloß darauf zurück­besinnen würden! Ja, wie es in der Bibel geschrieben steht, so ist es, das gilt als Beweis, da gibt es keine Diskussion. Ich halte all jene Stimmen für gefährlich, die vor einem schnellen Rückgriff auf Bibel­sprüche warnen. Warum können wir es nicht ganz einfältig dem Herrn Jesus nachtun und sagen: „So steht es ge­schrieben, und so ist es“? Welche Worte oder Gedanken sollten denn mehr Gewicht haben als Gottes Wort? Jesus zitiert also den passenden Psalmvers, und dann heißt es von ihm: „Er ließ sie stehen und ging zur Stadt hinaus.“

Kommen wir nun aber wieder zu unserem eigent­lichen Thema zurück, zum Gotteslob. Es sprießt wie Unkraut un­aufhaltsam überall da, wo Jesus am Werk ist. Und wenn wir auf Jesu Seite stehen und durch seine Erlösung gerettet sind, kann uns jede Form von Gotteslob eigentlich nur freuen, egal, wer gerade wie Gott lobt. Lasst uns jetzt einmal bedenken, wieviel Gelegenheit zu solcher Freude wir haben.

Da ist natürlich zunächst unser Gottes­dienst. Von Anfang bis zum Ende ist er von Gotteslob durch­tränkt. Orgel­pfeifen, Gitarren, Trompeten und andere Instrumene loben Gott, dazu unsere Stimmen, alte und junge. Wenns mal nicht ganz sauber ist, wollen wir uns nicht darüber ärgern, sondern dennoch über das Lob freuen. Ich denke, wir können davon ausgehen, dass doch jeder sein Bestes gibt. Manch eine Stimme lässt sich nun einmal nicht am hohen Standard unserer Medien-verwöhnten Ohren messen. Auch die ge­sprochenen Teile des Gottes­dienstes sind Gotteslob, die Gebete und das Glaubens­bekenntnis. Lehre – auf griechisch „Dogma“ – und Lobpreis – auf griechisch „Doxologie“ – gehören ganz eng zusammen. Und so ist letztlich auch das Vorlesen der Bibel und das Predigen ein Gotteslob. Indem ich jetzt über das Gotteslob predige, lobe ich Gott dafür, dass er uns Menschen loben macht!

Sogar die aller­jüngsten Gemeinde­glieder können schon in unsere Lobgesänge einstimmen. Mancher Täufling lobt Gott mit lautem Schreiem. Mancher Säugling meldet sich mit seiner Stimme im Gottes­dienst kräftig zu Wort. Liebe Gemeinde, das ist ein Grund zur Freude! Auch diese Kleinsten gehören durch die heilige Taufe ja schon voll zur Gemeinde der Heiligen dazu und loben den Herrn auf ihre Weise. Wenn sie dann ein wenig älter sind, hört doch mal genau hin: Sie versuchen dann schon, den Tonfall des Pastors und der Gemeinde bei der Liturgie zu imitieren. Es ist richtig und wichtig, dass die jüngsten Gemeinde­glieder schon regelmäßig im Gottes­dienst dabei sind! Ja, es stimmt noch heute, was im 8. Psalm steht und was Jesus nach­drücklich betonte: „Aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge hast du dir Lob bereitet.“

Aber wir brauchen gar nicht bei den Menschen­geschöpfen stehen zu bleiben, wenn wir erkennen wollen, wo überall Gott sich Lob zubereitet. In dem wunder­schönen Lied „Wie lieblich ist der Maien“ taucht eine Aussage auf, die sich ebenfalls in den Psalmen findet: „Die Tier sieht man jetzt springen / mit Lust auf grüner Weid, / die Vöglein hört man singen, / die loben Gott mit Freud.“ Ich bin gewiss nicht der Meinung, dass ein Spaziergang im Wald den Gottes­dienst­besuch ersetzen kann. Aber wenn wir mal spazieren gehen, dann können wir uns ganz bewusst am Gotteslob der Natur freuen. „Alles Fleisch lobe seinen Namen“ heißt es in Psalm 145, „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn“ in Psalm 150. Psalm 148 greift die Meerestiere heraus: „Lobet den Herrn auf Erden, ihr großen Fische und alle Tiefen des Meeres.“ Auch das Wetter, über das wir so leicht schimpfen, lobt Gott und sollte uns daher eher ein Grund zur Freude sein. „Feuer, Hagel, Schnee und Nebel, Sturmwinde, die sein Wort ausrichten, ihr Berge und alle Hügel, Frucht tragende Bäume und alle Zedern, ihr Tiere und alles Vieh, Gewürm und Vögel, ihr Könige auf Erden und alle Völker, Fürsten und alle Richter auf Erden, Jünglinge und Jungfrauen, Alte mit den Jungen! Die sollen loben den Namen des Herrn …“ Ja, die ganze Welt ist ein einziges Gotteslob: „Es loben ihn Himmel, Erde und Meer“, heißt es in Psalm 69.

Was die ganze Welt tut, sollten wir als Gottes Kinder desto bewusster tun. Im Gotteslob liegt nämlich das Geheimnis unseres Lebens­zwecks: Gott hat uns geschaffen, damit wir durch unser Sein ihn loben sollen. Und Jesus Christus hat durch seine Wundertat, durch sein Leiden und Sterben, uns diesen Lebenszweck zurück gewonnen. Dadurch, dass wir leben und uns am Leben freuen, loben wir Gott. Dadurch, dass wir unseren Pflichten in der Familie und am Arbeits­platz nachkommen, loben wir Gott. Dadurch, dass wir auch im Leiden nicht verzagen, sondern auf Gottes Hilfe bauen, loben wir Gott. Dadurch, dass wir Gottes Wort gern hören und lernen, loben wir Gott. Dadurch, dass wir unseren Mitmenschen lieben, loben wir Gott. Lasst uns das nun auch ganz bewusst tun! Lasst Lob und Freude den Grundakkord unseres Lebens sein, nicht Un­zufrieden­heit und Ärger! Auf diesem Grundakkord wird dann jeder die ihm eigene Melodie spielen können, je nach den Gaben und Aufgaben, die Gott ihm verliehen hat.

Das Gotteslob bewusster werden lassen, das kann ganz praktisch aussehen. Da könnte das Gesangbuch im Familienkreis wieder aufgewertet werden. Kein Tag ohne Gesangbuch­lied, könnte die Parole lauten. Viele sagen, sie können nicht singen – aber liegt das vielleicht nicht gerade an der mangelnden Übung? Man kann ja wieder mit den ganz einfachen Gesängen beginnen. Jubilieren statt disku­tieren, könnte eine andere Parole lauten. Wie leicht reden wir uns über Gott und die Welt die Köpfe heiß und kommen doch nicht weiter. So wichtig eine Aussprache oder meinetwegen auch eine handfeste Diskussion sein kann, das aus­drückliche Gotteslob in Lied und Gebet ist gewiss nicht weniger wichtig.

Ja, und dann sollte auch der Lobpreis im Gottes­dienst uns ganz wichtig sein. Wie schön ist es, wenn es viele kirchen­musikalisch interes­sierte Gemeinde­glieder gibt! Wie schön ist es, wenn sie jeden Sonntag treu den Gemeinde­gesang bestreiten! Wie schön ist es, wenn junge Menschen zum Lobe Gottes ein Instrument spielen lernen! Wie schön ist es, dass immer wieder jemand unsere Orgel zum Erklingen bringt! Wie schön ist es, dass Chorsänger hier immer wieder mehrstimmig singen! Vielleicht finden sich ja noch mehr Gemeinde­glieder, die im Singchor oder mit einem Instrument ins Gotteslob einstimmen möchten. Auch Sologesang passt in den Gottes­dienst, oder solis­tisches Instrumental­spiel zum Eingang und zum Ausgang. Seid nur nicht schüchtern, stellt euer Licht nicht unter den Scheffel, sondern meldet euch mit euren Vor­schlägen, wie ihr den musi­kalischen Lobpreis in unseren Gottes­diensten bereichern könnt!

Möge letztlich die ganze Gemeinde stets gern der Auf­forderung nachkommen, die Kornelius Becker dem 100. Psalm nach­gedichtet hat: „Dankt unserm Gott, lobsinget ihm, / rühmt seinen Nam'n mit lauter Stimm; / lobsingt und danket allesamt! / Gott loben, das ist unser Amt.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1987.

Autor: Pastor Matthias Krieser

SOLI DEO GLORIA!

 


 

PREDIGTKASTEN

►  Startseite

►  Impressum