Wenn Werbung kaum Erfolg hat

Predigt über Matthäus 11,16-19 zum Tag der Geburt Johannes des Täufers

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Jesus führt uns auf einen Spielplatz. Kinder stehen da herum und langweilen sich. Ein paar werben: He, lasst uns Hochzeit spielen; wir machen Musik, und ihr tanzt dazu! Die andern antworten: Keine Lust! Die spiel­freudigen Kinder probieren es noch einmal: He, lasst uns Beerdigung spielen; wir singen ein trauriges Lied, und ihr macht ein großes Geheule dazu! Wieder antworten die andern: Keine Lust! Auf einem modernen Spielplatz würden sie womöglich überhaupt nicht mehr antworten, sondern nur gedanken­verloren auf ihre Smartphones starren. Das Werben ist also nicht erfolgreich. So geht das ja manchmal mit Werbung, auch bei Jugendlichen und Erwachsenen. Ein junger Mann lädt seine Freundin ins Kino ein: He, komm mit, da läuft heute was ganz Lustiges! Aber die Freundin will nicht. Auch den Horrorfilm will sie nicht sehen, den ihr der Werbende als Alternative vorschlägt. Essen gehen will sie auch nicht, weder zum Dinner noch zum Döner. Und dann gibt es da noch diese Kirchen­gemeinde, die unverdrossen zu ihren Gottes­diensten einlädt. Mit Orgelmusik und traditio­neller Liturgie kann sie nur wenige anlocken, darum probiert sie es mal mit einer Band und lockerer Moderation. Das Resultat ist dasselbe: Die Werbung hat kaum Erfolg.

Das sind natürlich nur Gleichnisse. Eigentlich redet Jesus hier von sich und von Johannes dem Täufer und von ihren werbenden Einladungen in Gottes Reich. „Johannes ist gekommen“, sagt er, und: „Der Menschensohn ist gekommen“. Johannes wurde ein halbes Jahr vor Jesus geboren, deshalb feiert man seinen Geburtstag am 24. Juni, sechs Monate vor Weihnachten. Johannes’ Vater Zacharias hat gleich nach dessen Geburt geweissagt: „Du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen, denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest“; und von Jesus hat Zacharias prophezeit: „Das aufgehende Licht aus der Höhe wird uns besuchen“ (Lukas 1,76.78). Johannes ist der Herold, der dem Lichtkönig vorangeht und sein Kommen ausruft. Dann kommt der Messias und besucht sein Volk – aber nicht, um endlich mal gründlich aufzuräumen unter den gottlosen Menschen, sondern um zu werben. Ebenso wie sein Herold Johannes lädt er dazu ein, umzukehren und sich auf Gottes neue Herrschaft ein­zustellen. Sowohl Johannes der Täufer als auch Jesus haben ihr öffentliches Auftreten mit dem Satz begonnen: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbei­gekommen!“ (Matth. 3,2; 4;17)

Nun haben beide allerdings auf sehr verschiedene Weise für Umkehr geworben; Jesus hat das mit seinem Spielplatz-Gleichnis anschaulich gemacht.

Johannes der Täufer war ein strenger Asket: Er lebte in einer Steinwüste und fastete viel. Wenn er doch mal etwas zu sich nahm, dann handelte es sich überwiegend um Heu­schrecken. Seine Lebensweise unterstrich seine ernste Bußpredigt: Er forderte Menschen aller Bevölkerungs­schichten dazu auf, ihre Sünden nicht länger unter den Teppich zu kehren, sondern sie offen zu bekennen und Gottes Vergebung anzunehmen. Zum Zeichen dafür sollten sie sich von ihm taufen lassen. Johannes ging mit seinem Mahnen so weit, dass er sogar einen König für seinen Ehebruch tadelte. Das brachte ihn ins Gefängnis, und das brachte ihm schließlich sogar den Tod. Viele Juden hielten Johannes für übertrieben fromm, geradezu für fanatisch. Selbst die hohen Würdenträger sagten: Das ist doch verrückt, den König zu kritisieren; da darf er sich nicht wundern, wenn er im Gefängnis landet! Des Täufers Werben um Buße und um die Teilhabe an Gottes Reich war nur bei einigen einfachen Leuten erfolgreich; bei den Meinungs­führern biss er damit auf Granit. Jesus fasste es so zusammen: „Johannes ist gekommen, aß nicht und trank nicht; so sagen sie: Er ist besessen.“

Jesus selbst warb ganz anders um Gottes Reich. Er war voller Lebensfreude und ließ kein Fest aus, zu dem man ihn einlud. Es ist auch nicht überliefert, dass er nach den vierzig einsamen Tagen in der Wüste jemals wieder fastete. Seine Predigten strahlten viel Freude aus; er brachte ja das Evangelium, eine „frohe Botschaft“. Dabei machte er den Menschen am Rand der Gesellschaft deutlich, dass es für seinen himmlischen Vater keine hoffnungs­losen Fälle gibt. Die Sünde und all ihre un­erfreulichen Neben­wirkungen, unter denen sie litten, sollten ihnen abgenommen werden. Aber auch Jesu Werben um die Heimkehr ins himmlische Vaterhaus war nur bei einigen einfachen Leuten erfolgreich; bei den Meinungs­führern biss auch er auf Granit. In den Hinter­zimmern der Macht planten sie bereits seinen Tod. Jesus fasste es so zusammen: „Der Menschensohn ist gekommen, isst und trinkt; so sagen sie: Siehe, was ist dieser Mesnch für ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund der Zöllner und Sünder!“

Was kann uns das heute sagen?

Betrachten wir es zunächst aus dem Blickwinkel der Umworbenen. Wir sind ja im Prinzip offen für den Ruf von Gottes Gesetz und von Gottes Evangelium – offener jedenfalls als die Meinungs­führer damals und als die Meinungs­führer unserer Tage. Allerdings besteht die Gefahr, dass unser Christsein zu einer bloßen Gewohnheit verkümmert und Gottes Werben dann abperlt wie Wasser an der Ente. Es besteht die Gefahr, dass, wenn Gott mit seinem Wort bei uns anklopft, wir antworten: Keine Lust! Womöglich sind wir vom Smartphone-Display unseres Alltags­lebens so vereinnahmt, dass wir Gottes Werben mit Gesetz und Evangelium gar nicht mehr wahrnehmen. Das äußert sich dann so, dass wir weder richtig traurig sind über unsere Sünde noch richtig froh über das Evangelium. Ach, dass der Heilige Geist immer wieder neu einen Weg in unsere Herzen bahne, damit der Herr mit seinem Werben da einziehen und Wohnung nehmen kann!

Betrachten wir es nun aber auch aus dem Blickwinkel der Werbenden. Die Christenheit ist ja nicht nur selbst in Gottes Reich eingeladen, sondern sie ist auch dazu berufen, weitere Menschen für Gottes Reich zu gewinnen. In unserem Land haben wir damit allerdings keinen großen Erfolg – ebenso wie Johannes und Jesus zu ihrer Zeit. Den meisten Zeitgenossen ist Gottes Wort ziemlich egal, sowohl sein Gesetz als auch sein Evangelium. Spricht man sie darauf an, so ist ihnen das Thema oft so lästig wie unerwünschte Telefon­werbung. Auch den Meinungs­führern scheint alles andere wichtiger zu sein als in den Himmel zu kommen, selbst manchen kirchlichen Meinungs­führern. Die kleine Herde der bekenntnis­treuen Gemeinden im Land schmilzt zusammen wie ein Eisberg beim Klimawandel. Immer wieder kommt es vor, dass Gemeinde­glieder an kleinen Predigtorten ihren Pastor fragen: Am nächsten Sonntag sind wir nicht da; lohnt es sich da überhaupt, dass Sie kommen? Ja – lohnt es sich denn? Lohnt es sich noch bei zehn Gottes­dienst­besuchern, aber bei dreien nicht mehr? Betriebs­wirtschaft­lich betrachtet lohnt es sich auch schon bei zehn Gottes­dienst­besuchern nicht, da sollten wir uns keine Illusionen machen. Aber mit einer betriebs­wirtschaft­lichen Einstellung hätten auch Johannes und Jesus bald aufhören können mit ihrem Werben. Nun lässt Jesus sich aber nicht durch kleine Zahlen abschrecken und sagt: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“

Pastoren tragen eine besondere Ver­antwortung dafür, in Gottes Reich einzuladen. Sie sind berufene Herolde nach dem Vorbild des Johannes sowie aller Propheten und Apostel. Es ist ihr heiliger Auftrag zu werben. Sie sollen mit Gottes Gesetz die Menschen davor warnen, ihre Sünden unter den Teppich zu kehren. Und sie sollen mit der frohen Botschaft des Evangeliums die Menschen locken, dass sie in ihr wahres Vaterhaus heimkehren. Ich persönlich stehe nun schon bald vierzig Jahre in diesem Beruf und nähere mich dem Ruhestand. Rückblickend habe ich den Eindruck, dass mein Werben noch viel weniger erfolgreich war als das von Jesus und seinem Wegbereiter. Wenn ich mich darüber mit menschlichem Trost trösten wollte, dann könnte ich natürlich sagen: Vielleicht hat mein Dienst in diesem Amt ja doch mehr Erfolg gebracht, als mir bewusst ist. Oder ich könnte sagen: Immerhin ist auch ein bescheidener Erfolg aller Mühe wert. Besser ist es jedoch, den Erfolg gar nicht wichtig zu nehmen. Denn beim Werben für Gottes Reich geht es nicht darum, wie erfolgreich wir sind.

Damit kommen wir zum letzten Satz dieses Abschnitts. Es ist ein Satz, über den man leicht hinwegliest, weil er sich nicht auf Anhieb erschließt. Jesus sagte: „Und doch ist die Weisheit gerecht­fertigt worden aus ihren Werken.“ Um Gottes Weisheit geht es da, also um seinen heiligen Willen in seinem Wort. Dieses Wort erweist sich als gut und richtig durch seine „Werke“ – also durch das, was es wirkt. Es ist dabei völlig unerheblich, wie viel oder wie wenig Zustimmung es von den Menschen erfährt, denn allein dieses Wort ist es, das Menschen von ihrer Sündenlast befreit und ihnen das ewige Leben schenkt. Nicht der zahlenmäßige Erfolg, sondern das Ergebnis recht­fertigt dieses göttliche Werben – nämlich das Ergebnis bei denen, die es sich gesagt sein lassen. Das unter­scheidet göttliches Werben von menschlichem Werben. Wenn eine Firma trotz aller Werbe­kampagnen keine Verkaufs­erfolge erzielt, dann muss sie ihr Produkt ändern, oder sie wird pleite machen. Diese Versuchung besteht übrigens auch für die Kirche unserer Tage – die Versuchung nämlich, Gottes Evangelium durch ein menschliches Evangelium zu ersetzen, das bei der Mehrzahl der heutigen Menschen besser ankommt. Aber es kommt nicht auf das an, was bei vielen ankommt, sondern es kommt darauf an, dass der König Jesus Christus ankommt; dass er in die Herzen der Menschen einzieht und dort für immer wohnen bleibt. Wir wären schlechte Herolde, wenn wir um des Erfolgs willen für einen anderen König oder ein anderes Reich werben würden.

Wenn es uns aber anficht, wie wenig erfolgreich unser Werben für den König Jesus Christus ist, dann lasst uns darauf besinnen, dass ja auch sein Erlösungs-Sieg unter dem Anschein einer Niederlage errungen wurde, nämlich durch seinen Tod am Kreuz. Wir merken: Es gehört zur Eigenart von Gottes Reich und Gottes Weisheit, gerade unter dem Anschein des Misserfolgs erfolgreich zu sein. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2018.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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