Schöpfungssegen und Nachfolgeruf

Predigt über Matthäus 19,1-12 zum Sonntag Okuli

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Die Partner­schaft von Mann und Frau ist ein Thema, das wohl alle Menschen interes­siert. Schon immer waren Jung und Alt neugierig, wer wen heiratet und wie sich die Ehen dann entwickeln. Unzählige Spielfilme, Theater­stücke und Romane haben dieses Thema zum Inhalt.

Auch in der Bibel steht viel über die Ehe, und zwar vom ersten Kapitel an. Da erfahren wir, dass Gott den Menschen als Mann und Frau erschaffen und ihre Partner­schaft gesegnet hat, sodass Nachkommen daraus hervorgehen. Ohne diesen Schöpfungs­segen gäbe es uns nicht, und die Welt wäre menschen­leer. An diesem Schöpfungs­segen erkennen wir übrigens auch, dass eine Partner­schaft zwischen zwei Männern oder zwei Frauen keine Ehe ist; daran können auch parla­mentarische Beschlüsse und menschliche Gesetze nichts ändern. Im zweiten Kapitel der Bibel erfahren wir dann noch, dass eine Ehe in Liebe, Treue und guter Gemeinschaft geführt werden soll. Jesus hat diesen Satz daraus zitiert: „Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und an seiner Frau hängen, und die zwei werden ein Fleisch sein.“ Und er hat dabei ausdrücklich fest­gestellt: „Was nun Gott zusammen­gefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.“ Mit der Ehe hat Gott uns Menschen eine gute und segensreiche Ordnung gestiftet; das können unzählige Ehepaare aus eigener Erfahrung bestätigen. Zugleich hat Gott damit ein lebendiges Gleichnis gestiftet für seine Liebe zu uns Menschen. Immer wieder vergleicht die Bibel Gottes Liebe, Treue und Gemeinschaft mit der Partner­schaft von Mann und Frau. Gott liebt sein Volk wie ein perfekter Ehemann, sucht die Gemeinschaft mit uns und hält uns die Treue – sogar auch dann noch, wenn wir ihn enttäuscht und verletzt haben. Diese vergebende Liebe und bedingungs­lose Treue ist der Inhalt des Evangeliums, der frohen Botschaft von Christi aufopfernder Liebe. Nur eines kann einen Menschen von dieser Liebe trennen: Wenn er sich davon lossagt, wenn er also nicht von Christus geliebt werden will.

Nun finden wir im Neuen Testament aber auch Aussagen, die das Evangelium in einen gewissen Gegensatz zur Ehe stellen. Petrus und andere Jünger haben Jesu Ruf in die Nachfolge gehört und gerade deswegen ihre Ehefrauen und Familien verlassen, wennn auch nur vorüber­gehend. Der Apostel Paulus ist um seines Missions­dienstes willen un­verheiratet geblieben und hat anderen Christen empfohlen, es ihm gleich zu tun, wenn sie denn die Gabe der Enthaltsam­keit besitzen. Er schrieb im 1. Korinther­brief: „Den Ledigen und Witwen sage ich: Es ist gut für sie, wenn sie bleiben wie ich“ (1. Kor. 7,8). Im Predigttext hören wir, dass die Jünger angesichts der Risiken des Ehelebens sagen: „Steht die Sache eines Mannes mit seiner Frau so, dann ist’s nicht gut zu heiraten.“ Jesus widerspricht ihnen nicht, sondern bestätigt, dass mancher tatsächlich um des Himmelreichs willen auf die Ehe verzichtet. Die mittel­alterliche Kirche hat aus diesen Empfehlungen ein Gesetz für Priester gemacht, das sogenannte Zölibat, das bis heute in der römisch-katholischen Kirche verbindlich gilt: Nur un­verheiratete Männer dürfen die Priester­weihe empfangen, und sie müssen ihr Leben lang enthaltsam leben; auch Mönchen und Nonnen wird das zugemutet.

Die Spannung ist nicht zu übersehen: Da ist auf der einen Seite Gottes Schöpfungs­segen; Gott nennt die Ehe „sehr gut“ und macht sie sogar zu einem Abbild seiner Liebe zu den Menschen. Und da ist auf der anderen Seite der Ruf in die Nachfolge des Herrn Jesus Christus, wo es auf einmal nicht mehr gut erscheint zu heiraten, denn Jünger sollen mit ungeteilter Kraft und Liebe am Bau von Gottes Reich mitwirken. Schöpfungs­segen und Nachfolgeruf – beides steht in unserem Predigttext schroff neben­einander. Was sollen wir davon halten? Was will uns Jesus denn nun wirklich raten?

Schauen wir uns das Ganze im Zusammenhang an! Jesus zieht mit seinen Jüngern von Galiläa ins Ost­jordanland. Er ist bereits berühmt geworden, darum ziehen viele andere mit: Hilfe­suchende, Neugierige, Skeptiker und auch Gegner, die nur darauf lauern, dass er irgendeinen Fehler macht. Diese Gegner fragen Jesus: „Ist’s erlaubt, dass sich ein Mann aus irgendeinen Grund von seiner Frau scheidet?“ Da bezeugt Jesus ihnen den Schöpfungs­segen und die Ordnung der Ehe. Danach wenden sich die Jünger an ihn, und ihre Worte sind wohl auch als Frage zu verstehen: „Steht die Sache eines Mannes mit seiner Frau so, dann ist’s nicht gut zu heiraten.“ Da bezeugt Jesus ihnen, dass einige Menschen in der Tat um der Nachfolge willen auf eine Ehe verzichten. Wir merken: Jesus wendet sich mit seinen unter­schiedlichen Stellung­nahmen an zwei verschiedene Personen­gruppen und Frage­stellungen. Den Pharisäern, die hinterlistig fragen, entfaltet er Gottes Schöfungs­segen; den Jüngern, die wissbegierig fragen, entfaltet er den Nachfolge­ruf.

Achten wir nun genau darauf, was Jesus im Einzelnen sagt; dann werden wir den gemeinsamen Sinn dieser scheinbar so gegen­sätzlichen Stellung­nahmen begreifen.

Die Pharisäer fragen also, ob sich Eheleute scheiden dürfen. Immerhin sind Ehe­scheidungen im Mosegesetz vorgesehen; es wird da geregelt, wie das mit einem gesellschaft­lich geordneten Verfahren geschehen kann. Jesus macht klar, dass diese Verordnung keineswegs als Erlaubnis für Scheidungen angesehen werden kann. Gott möchte, dass Eheleute ihr Leben lang in Liebe und Treue zusammen­bleiben; das ist der eindeutige Sinn von Gottes Schöpfungs­segen. Aber weil Menschen­herzen von der Sünde vergiftet sind, kann es geschehen, dass Ehen zerbrechen. Es wäre unehrlich und unklug, den Kopf in den Sand zu stecken und das nicht wahrhaben zu wollen. Zu allen Zeiten gab es das, was heute freilich vermehrt wie eine Seuche um sich greift: dass Eheleute sich trennen. Darum sagte Jesus: „Mose hat euch erlaubt, euch zu scheiden von euren Frauen, eures Herzens Härte wegen; von Anfang an aber ist’s nicht so gewesen.“ Mit anderen Worten: Moses Scheidungs­gesetz ist ein Zugeständnis an die menschliche Sünde und hebt keineswegs Gottes gute Schöfpungs­ordnung auf, dass Ehen lebenslang bestehen sollen. Ein alter Grundsatz besagt: Der Missbrauch hebt den rechten Gebrauch einer Sache nicht auf. Oder anders: Wenn jemand eine teure Vase zerbricht, die ihm nicht gehört, dann gibt es Gesetze, die ihn zum Schaden­ersatz ver­pflichten. Aus diesen Gesetzen kann man aber kein Recht ableiten, fremde Vasen zu zerbrechen. Ebensowenig ist es in Ordnung, Ehen zu zerbrechen, selbst wenn es Gesetze für den Fall der Scheidung gibt. Jesus nennt nur einen einzigen legitimen Grund, sich scheiden zu lassen: Wenn ein Partner Ehebruch begeht, wenn er also aus der Ehe ausbricht und damit faktisch die eheliche Treue aufkündigt, dann ist der andere Partner nicht mehr gebunden. Grund­sätzlich aber gilt Gottes Schöfungs­ordnung, dass jede Ehe nach Gottes Willen eine lebenslange Gemeinschaft in gegen­seitiger Liebe und Treue sein soll.

Die Jünger haben gut zugehört und gemerkt, dass die Ehe zwar grund­sätzlich eine wunderbare Sache ist, aber dass sie um der Sünde willen mancherlei Risiken und Probleme mit sich bringen kann. Dieser nüchternen Sicht der Ehe müssen wir zustimmen. Auch wenn Christen heiraten, haben sie keine Garantie dafür, dass sie ihr Ehegelübde halten und bis ans Lebensende in herzlicher Liebe verbunden bleiben werden. Erst recht haben sie keine Garantie dafür, dass ihre Ehe glücklich verlaufen wird, in ungetrübter Harmonie. Ein lutherischer Pfarrer hat mal in einer Traupredigt gesagt: Die Ehe ist kein Zucker­schlecken! Das nenne ich rechte christliche Nüchtern­heit. Wir leben eben noch nicht im Himmel, sondern auf der Erde, wo wir uns mit der Sünde und allen damit zusammen­hängenden Problemen herum­schlagen müssen – nicht zuletzt auch in der Partner­schaft von Mann und Frau. All das sollten un­verheiratete Menschen bedenken und sich gut überlegen, ob sie heiraten wollen. Wer nur aus blinder Verliebtheit heiratet und erwartet, dass nun all seine romantischen Wunschträume in Erfüllung gehen, der wird unweigerlich enttäuscht werden. Aber auch wenn eine Ehe hält und glücklich verläuft, gibt es für Jesus-Jünger ein Problem: Sie möchten ihren Partnern viel Liebe erweisen, für sie da sein, mit ihnen Zeit verbringen – besteht da nicht die Gefahr, dass sie dann weniger Zeit und Liebe für den Herrn Jesus Christus und Gottes Reich übrig haben? Immerhin wollen sie doch Gott mehr als alles andere lieben und zuallererst nach seinem Reich trachten. Es gab und gibt bis heute Christen, die aus diesem Grund auf eine Ehe verzichten. Das hat Jesus gemeint, als er seinen Jünger sagte: „Wieder andere haben sich selbst zur Ehe unfähig gemacht um des Himmelreichs willen.“ Ich kenne einige Christen, auch evangelisch-lutherische Pastoren, die bewusst deshalb nicht heiraten, weil sie sich ganz auf ihr geistliches Leben und auf die Arbeit in Gottes Reich kon­zentrieren wollen; vor dieser Entscheidung habe ich große Hochachtung. Aber wir dürfen nicht übersehen, dass Jesus am Ende den Satz hinzugefügt hat: „Wer es fassen kann, der fasse es!“ Das bedeutet: Nicht jeder Christ kann diese Konsequenz ziehen und ein Single bleiben; nicht jeder kann fröhlich auf die eheliche Gemeinschaft und auf eine eigene Familie verzichten. Deshalb ist es auch falsch, Mönche und Nonnen und Priester zu lebenslanger Ehelosigkeit zu zwingen. Darum haben die Reformatoren das Zölibat verworfen – ohne allerdings andersherum die evan­gelischen Pastoren zur Ehe zu ver­pflichten.

Gott stellt es letztlich jedem Menschen frei, ob er heiraten oder ledig bleiben will. Jesus und die Apostel haben niemanden zu dem einen oder anderen gezwungen. Beides hat seinen Sinn – sowohl der Schöpfungs­segen der Ehe als auch die Ehelosigkeit um der Nachfolge willen. Wer die Ehe wählt, sollte nicht meinen, dass sie ein weniger heiliger Stand ist; immerhin ist sie ein lebendiges Gleichnis für Gottes Liebe zu uns Menschen. Wer die Ehe wählt, sollte sich aber bewusst sein, dass Gott von ihm lebenslange Liebe und Treue in diesem Stand erwartet. Wenn Mann und Frau in diesem Bewusstsein eine christliche Ehe führen und beide dabei auch wissen, dass ihnen ein Dritter noch lieber ist – nämlich der Herr Jesus Christus – , dann treffen Schöpfungs­segen und Nachfolgeruf in wunderbarer Harmonie zusammen. Und dann können beide Ehepartner als starkes Zweierteam zugleich den Nachfolgeruf des Herrn hören und sich gemeinsam für Gottes Reich einsetzen. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2018.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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