Jesus hilft auch heute

Predigt über Matthäus 20,29-34 zum 12. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Macht bitte einmal die Augen zu. Ihr könnte dann ein bisschen nach­empfinden, wie es blinden Menschen geht. Ihr seht mich nicht mehr, ihr hört nur noch meine Stimme. Wenn ihr eure Köpfe nach rechts oder links dreht, dann seht ihr auch die Leute neben euch nicht mehr, ihr bemerkt vielleicht nur einen kleinen Unterschied von hell und dunkel. Nun haltet eine Hand vors Gesicht: Nicht einmal die könnt ihr sehen. Blinde Leute brauchen ganz viel Hilfe. Beim Essen sehen sie nicht, was auf dem Teller liegt. Bei unbekannten Wegen muss jemand sie führen. Und wenn sie mit anderen Leuten sprechen, wissen sie nicht, was die gerade für ein Gesicht machen.

Die Geschichte aus der Bibel, die ich euch jetzt erzähle, handelt von zwei blinden Männern.

Jesus und seine Jünger waren in der Nähe der Stadt Jericho unterwegs. Jesus war damals so bekannt wie heute Joachim Löw, Udo Lindenberg oder der Papst. Darum zogen viele neugierige Leute mit Jesus mit. Wenn es damals schon Smartphones gegeben hätte, dann hätten sie bestimmt Selfies mit Jesus gemacht. Am Straßenrand standen die beiden Blinden und bettelten. Was blieb ihnen auch anderes übrig? Es gab damals noch keine Berufe, die für Blinde geeignet waren. Die beiden Blinden lebten davon, dass andere Leute ihnen etwas schenkten.

Die blinden Männer hörten auf einmal viele Menschen kommen. Es war Jesus mit der großen Menge. Sie hörten Schritte, sie hörten Stimmen, sie hörten Gelächter. Es wurde immer lauter. Der eine Blinde stieß den anderen an: Du, wenn jetzt so viele bei uns vorbei­kommen, werden wir vielleicht eine Menge geschenkt bekommen, sodass wir uns mal richtig satt essen können. Der andere Blinde war skeptisch: Vielleicht haben sie selber nichts, oder sie mögen keine Blinden.

Die ersten Personen der Menschen­menge waren inzwischen ganz nah. Sie schubsten die Blinden zurück und sagten: Hey, macht Platz, hier kommt jetzt Jesus vorbei. Wisst ihr nicht: der berühmte Jesus aus Nazareth! Jesus aus Nazareth – natürlich hatten die Blinden schon von ihm gehört. Das war doch der, der schon vielen Behinderten geholfen hatte: Gelähmten und Gehörlosen und auch Blinden. Einige behaupteten sogar, dass er der Herr ist, der Sohn Davids, also der göttliche Helfer, auf den man in Israel schon seit vielen hundert Jahre sehnsüchtig wartete. Die Blinden dachten: Wenn er wirklich der Helfer ist, dann wollen wir diese Chance jetzt ergreifen. So riefen sie aus Leibes­kräften: „Kyrie eleison!“ Diese Worte stehen jedenfalls im Matthäus-Evangelium, denn das wurde auf Griechisch geschrieben. Übersetzt heißt das: „Herr, erbarme dich!“ Da wurden die Schubser böse und fuhren die Blinden an: Seid still! Ihr habt hier gar nichts zu sagen. Gott ist böse auf euch, darum hat er euch mit Blindheit gestraft, da dürft ihr diesen heiligen Gottesmann nicht belästigen. Aber den Blinden war das egal, sie wollten sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Darum schrien sie noch lauter: „Kyrie eleison! Herr, erbarme dich über uns, Sohn Davids!“

Inzwischen war Jesus an die Stelle gekommen, wo sich die Blinden befanden. Er blieb stehen. Alle anderen blieben auch stehen. Die Blinden merkten, dass das Füßetrappeln plötzlich aufgehört hatte. Es war ganz still. Und dann hörten die beiden Männer eine freundliche Stimme fragen: „Was möchtet ihr? Was soll ich für euch tun?“ Die Blinden wussten sofort: Das ist Jesus, der Herr und Davidssohn, der lang ersehnte Helfer. Aber warum fragte er? Es war doch klar, was sie wollten! Offenbar war es Jesus wichtig, dass sie es selbst aussprachen: „Herr, wir wollen wieder sehen können!“

Da machte Jesus sie gesund – aber nicht einfach so im Vorüber­gehen. Jesus wollte, dass die Blinden merken: Ihr seid mir ganz wichtig. Ich will nicht nur, dass ihr wieder sehen könnt, sondern ich will, dass ihr mich besser kennenlernt. Darum sagte er zu ihnen: Es tut mir sehr leid, dass ihr blind sein, es macht mich ganz traurig. Und dann legte er behutsam seine Finger auf die Augen der Blinden. Liebe Brüder und Schwestern, solltet ihr inzwischen die Augen wieder aufgemacht haben, dann macht sie wieder zu und berührt mit euren Finger­spitzen die Augenlider – ganz sanft. Es ist erstaunlich, wie fein man mit den Augen fühlen kann. So haben die Blinden die Finger von Jesus gespürt. Sie konnten ihn ja noch nicht sehen, aber sie konnten es fühlen: Jesus kümmert sich um uns. Als Jesus seine Finger wieder wegnahm und die Blinden ihre Augen öffneten, da waren sie keine Blinden mehr. Liebe Brüder und Schwestern, öffnet auch ihr jetzt wieder eure Augen und freut euch, dass ihr sehen könnt: den Altar mit den Kerzen, die bunten Kirchen­fenster und die Menschen um euch herum. Was muss das damals für eine über­wältigende Freude gewesen sein, als die beiden blinden Männer nun wieder sehen konnten!

Nun ist diese Geschichte ja vor langer Zeit geschehen, als Jesus sichtbar auf der Erde lebte. Wir fragen uns: Hilft er denn auch heute? Ja, Jesus hilft auch heute allen, die seine Hilfe wollen. Darum rufen wir im Gottesdienst wie die Blinden damals: „Kyrie eleison! Herr, erbarme dich!“ Jesus tut auch heute noch Wunder; aber oft hilft er anders.

So hilft Jesus heute durch Menschen. Denn die Leute, die zu Jesus gehören, verachten keine blinden oder notleidenden Menschen, wie es damals viele taten. Im Gegenteil: Sie tun ihnen leid, so wie damals die Blinden Jesus leid taten, und sie setzen sich für sie ein. Es gibt zum Beispiel Lehrer, die blinden Kindern das Lesen beibringen – und zwar mit den Fingern! Anstelle der Buchstaben sind Höcker auf dem Papier. Blinde Menschen können diese Höcker fühlen und so ganze Büchere lesen. Und es gibt Ärzte, die manche blinden Menschen wieder sehend machen können. Und es gibt die Christoffel-Blinden­mission. Dieser christliche Verein sorgt dafür, dass blinde Menschen in armen Ländern kostenlos an den Augen operiert werden, damit sie wieder sehen können.

Außerdem hilft Jesus, dass Menschen Gott richtig kennen­lernen. Von Natur aus erkennt nämlich niemand Gott richtig, sondern hat höchstens eine ungefähre Ahnung von ihm, so wie manche Blinde zwischen hell und dunkel unter­scheiden können. Jesus hat den Menschen viel über Gott erzählt und hat ihnen mit seinem Leben Gottes Liebe gezeigt. Seitdem gilt: Wer die gute Nachricht von Jesus nicht zurückweist, dem werden die Glaubens­augen aufgetan, und er erkennt überall in seinem Leben Gottes Liebe und Freundlich­keit.

Schließlich hat Jesus versprochen, dass er allen, die an ihn glauben, einen neuen und gesunden Körper geben wird. Eines Tages will er uns zu sich in den Himmel holen. Da ist dann niemand mehr blind oder gehörlos oder gelähmt. Da hat auch niemand mehr Schmerzen, und da muss niemand mehr sterben. Und so hilft Jesus schließlich allen, die ihm vertrauen und zu ihm sagen: „Kyrie eleison! Herr, erbarme dich!“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2017.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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