Das Heilige nicht den Hunden!

Predigt über Matthäus 7,6 zum 4. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Vor ein paar Tagen ent­schuldigte sich ein Fußball­reporter im Fernsehen dafür, dass er einen Fußball­spieler mit einem Affen verglichen hatte. Der Reporter sah sich wegen zahlreicher Zuschauer­proteste dazu genötigt. Er machte dabei die Erfahrung: Man sollte Menschen heutzutage lieber nicht mit Affen vergleichen, auch nicht mit anderen Tieren, denn das wird fast immer als Beleidigung aufgefasst.

Früher war das anders. Martin Luther und seine theo­logischen Kontrahenten haben sich des öfteren als Esel, Mäuse oder anderes Getier bezeichnet; daran hat niemand Anstoß genommen. Vielleicht lag das daran, dass man sich damals gern Fabeln erzählte. In Fabeln werden typische menschliche Eigen­schaften mithilfe von Tieren deutlich gemacht. Noch heute kennen wir ent­sprechende Redensarten und sprechen vom schlauen Fuchs, von der diebischen Elster oder vom störrischen Esel. Manche dieser Redensarten und Fabeln sind viel älter als das Mittelalter. Schon vor zweitausend Jahren liebte man es, menschliche Eigen­schaften mit ent­sprechenden Tieren zu ver­anschau­lichen.

Uralt ist zum Beispiel die deutsche Redensart „Perlen vor die Säue werfen“. Man benutzt sie immer dann, wenn jemandem etwas Wertvolles gegeben wird, das er nicht zu würdigen weiß. Wenn man zum Beispiel einem Menschen hochwertiges Olivenöl gibt, und der fettet seine Fahrradkette damit ein, dann hat man Perlen vor die Säue geworfen. Oder wenn ein Deutsch­lehrer im Unterricht Gedichte von Rilke bespricht, aber die Schüler machen darüber nur Witze, dann hat er Perlen vor die Säue geworfen.

Diese Redensart vom Perlen-vor-die-Säue-Werfen geht auf Jesus zurück. Ja, auch Jesus hat manchmal Menschen mit Tieren verglichen in seinen Predigten. So finden wir in der Bergpredigt seinen Rat: „Ihr sollt das Heilige nicht den Hunden geben, und eure Perlen sollt ihr nicht vor die Säue werfen.“ Genauso hat Jesus das seinen Jüngern gesagt, und genauso steht es in der Bibel. Wir sollten das nicht als kurioses Bildwort abtun, sondern uns ernsthaft fragen: Was will unser Herr damit sagen? Und was bedeutet diese Anweisung für uns heute?

Wenn wir mit solchen Fragen an ein biblisches Gleichnis oder Bildwort herangehen, dann müssen wir zwei Schritte tun: Erstens müssen wir das Bild an sich begreifen, und zweitens müssen wir nach seiner Bedeutung suchen.

Sehen wir uns also erstens das Bild selbst an! Hunde und Schweine galten in Israel als unreine Tiere. Sie kommen in der Bibel durchgehend schlecht weg. Schweine­fleisch war und ist bei den Juden ebenso verpönt, wie es bei uns immer noch das Hundefleisch ist. Die Priester, die am Jerusalemer Tempel Dienst taten, durften bestimmte Fleisch­stücke von den reinen Opfertieren selbst verzehren, aber sie hätten es nie gewagt, davon etwas den Hunden zu fressen zu geben. Hunden darf man nichts Heiliges geben – das leuchtete damals jedem ein. Mit den Perlen und den Schweinen verhält es sich so: Perlen galten als überaus wertvoll. Niemals hätte jemand eine Handvoll Perlen Schweinen vorgeworfen. Wenn aber doch, dann hätten die Schweine nichts damit anfangen können und sie nur in den Dreck getreten. Schweine sind ziemlich schlau und merken sofort, dass man Perlen nicht fressen kann. Vielleicht fühlen sie sich durch die Perlen sogar an der Nase beziehungs­weise am Rüssel herum­geführt, werden wütend und greifen diejenigen an, die sie ihnen gegeben haben. Schweine können nämlich sehr aggressiv werden. In den letzten Jahren konnte man immer wieder in der Zeitung lesen, dass Wildschweine in Berlin oder anderswo Menschen verletzt haben. Jesus sagte: „Eure Perlen sollt ihr nicht vor die Säue werfen, damit die sie nicht zertreten mit ihren Füßen und sich umwenden und euch zerreißen.“

Überlegen wir nun zweitens, was Jesus uns mit diesem doppelten Bildwort sagen will. Was meint er denn mit dem „Heiligen“, und was meint er mit „eure Perlen?“ Er meint das, was uns am heiligsten und kostbarsten ist: Unser Gott, unser Glaube, unsere Erlösung und alles, was damit zusammen­hängt. „Mein schönste Zier und Kleinod bist auf Erden du, Herr Jesu Christ!“ Das Evangelium von Jesus Christus schenkt uns Frieden mit Gott und ewiges Leben, darum sollte uns nichts heiliger oder wertvoller sein. Das zeigt sich dann darin, wie wir damit umgehen. Wenn wir in der Bibel lesen, dann tun wir das anders, als wenn wir in der Zeitung lesen; wir tun es mit Andacht und unter Gebet. Wenn wir in der Kirche zum Gottesdienst zusammen­kommen, dann verhalten wir uns anders als beim Kaffee­kränzchen oder in der Kneipe. Und wenn wir das Heilige Abendmahl zu uns nehmen, dann erheben wir unsere Herzen zu Gott in die Höhe und setzen alles daran, dass wir nicht durch irgendwelche äußeren Einflüsse abgelenkt werden. Wie eine kostbare Perle mit größter Sorgfalt in ein wertvolles Schmuckstück ein­gearbeitet wird, so soll das Evangelium in unser Leben eingebettet sein.

Jeder, der vom Evangelium ergriffen ist, hat das Bedürfnis, es weiter­zusagen. Das war bei den Aposteln nach Pfingsten so, und das ist bis zum heutigen Tag so geblieben. Das Heilige und Wertvolle, das Gott uns mit Jesus geschenkt hat, sollen wir nicht egoistisch für uns behalten, sondern wir sollen gern und reichlich davon abgeben. Wir werden dabei nicht ärmer, denn beim Lebensbrot Jesus Christus geschieht dasselbe Wunder wie bei der Speisung der 5000: Während wir es an andere weitergeben, wird es mehr, sodass wir selbst und die anderen davon satt werden und immer noch viel übrig ist. Wer Christsein für eine Privatsache hält, die man unter größtem Datenschutz in seinem Herzen verbergen muss, der hat noch nicht begriffen, was es mit diesem Schatz auf sich hat. Jeder wahre Christ weiß sich gesandt, die frohe Botschaft von Gottes Liebe mit Wort und Tat weiter­zugeben.

Nun muss allerdings ein Aber folgen. Jesus fordert ja: Gebt euer Heiliges nicht den Hunden, und werft eure wertvollen Perlen nicht den Säuen zum Fraß vor! Er meint mit den Hunden und Säuen tatsächlich Menschen – Menschen mit bestimmten Eigen­schaften und mit bestimmtem Verhalten. Dieses Verhalten äußert sich darin, dass sie unser heiliges und wertvolles Evangelium nicht zu würdigen wissen. Sie behandeln Gottes Perlen nicht mit der nötigen Ehrfurcht und Sorgfalt, sondern treten sie mit Füßen in den Dreck und fallen über diejenigen her, die sie ihnen geben.

Wenn wir diesen Fehler vermeiden wollen, kommen wir nicht darum herum zu überlegen, wer denn damit gemeint ist. An erster Stelle sind da die Spötter zu nennen. Wir alle kennen sie, die sich über die Kirche, die Christen und ihren Glauben lustig machen oder die sie als hoffnungslos altmodisch, ja mittel­alterlich ansehen. Diese Leute pflegen ihr Vorurteil und sind nicht bereit, sich über Gottes Wort wenigstens mal Gedanken zu machen. Wir würden gern auch ihnen unsern Glauben bezeugen oder eine Predigt halten, aber Jesus sagt: Solange sie in dieser Haltung verharren, hat das keinen Zweck; werft eure Perlen lieber nicht vor die Säue! An zweiter Stelle sind da die theologisch Liberalen zu nennen. Sie halten die Bibel zwar für ein wichtiges und interes­santes Buch, aber sie sind nicht bereit, sich Gottes Wort wirklich unter­zuordnen. Sie wollen selbst bestimmen, was wahr, gut und richtig ist, darum gehen sie kritisch mit der Heiligen Schrift und mit dem Bekenntnis der Kirche um. Man kann versuchen, mit ihnen zu diskutieren, aber man wird dabei schnell merken: Sie gehen mit ganz anderen Voraus­setzungen an das Evangelium heran. Meistens tun sie sich auch schwer damit, als arme und elende Sünder vor Gott zu kapitulieren – die un­verzichtbare Voraus­setzung dafür, um den heiligen Schatz der Erlösung recht zu erkennen. Es hat dann wenig Sinn, endlos weiter­zudisku­tieren; auch da sollte man Jesu Rat beherzigen und keine Perlen vor die Säue werfen. Schließlich gibt es noch die Menschen, die dem christlichen Glauben mit offener Feindschaft gegenüber­treten. In Jesu Bildwort entsprechen sie den wild gewordenen Säuen, die über diejenigen herfallen, die ihnen die Perlen gegeben haben. Wenn Christen beschimpft und verfolgt werden, sind sie also nicht ver­pflichtet, den Verfolgern ihren Glauben zu bekennen; sie dürfen fliehen oder sich mit allen legitimen Mitteln gegen sie wehren. Christen können in Situationen geraten, wo sie um ihres Glaubens willen Nachteile erleiden oder sogar an Leib und Leben bedroht werden; provozieren sollen sie diese Situationen aber nicht: „…damit sie sich nicht umwenden und euch zerreißen.“

Zugegeben: Es ist ein merkwürdiges Bildwort und ein merkwürdiger Rat, den Jesus seinen Jüngern hier gibt. Es mag sein, dass wir ihn nicht ganz verstehen oder dass wir den Vergleich mit Hunden und Schweinen für übertrieben hart halten. Aber es ist des Herrn Wort und Wille, darum müssen wir dieses Wort gelten lassen. Und wenn uns die verblendeten Menschen dennoch leid tun – die Spötter, die Liberalen oder die Verfolger – , können wir trotzdem etwas für sie tun: Wir können für sie beten. Ja, wir können Gott darum bitten, dass er ihnen die Augen dafür öffnet, was wirklich heilig und kostbar ist – so heilige und kostbar, dass es auch sie, wenn sie umkehren, vom Tod erretten kann. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2017.

Autor: Pastor Matthias Krieser

SOLI DEO GLORIA!

PREDIGTKASTEN

►  Startseite

►  Impressum