Wenn Menschen den Zugang zu Gottes Reich versperren

Predigt über Matthäus 23,13-36 in einer Passionsandacht

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

In den Passions­andachten der vergangenen Wochen haben wir mit Texten aus dem Matthäus-Evangelium gesehen, wie Jesus angefeindet wurde und wie er darunter litt. Wenn Menschen Jesus auf die Anklagebank setzen, wenn Menschen sich über Jesus ärgern, wenn Menschen an Jesu Worten Anstoß nehmen oder wenn Menschen Jesus verleumden, dann ist das für ihn schlimmer als die Nägel, die ihm Hände und Füße durch­bohrten. Am schlimmsten aber ist es für unseren Herrn, wenn Menschen für andere den Zugang zu Gottes Reich vesperren, wenn sie also andere am Seligwerden hindern. Das wollen wir heute bedenken, in der letzten Passions­andacht dieses Jahres.

Wenn Menschen mit ihren Worten und ihrem ganzen Verhalten anderen den Zugang zu Gottes Reich verbauen, bleibt Jesus nicht ruhig und gelassen, sondern reagiert leiden­schaftlich mit großem Zorn. Einmal hat er gesagt: Es wäre am besten, wenn so ein Verführer mit einem Mühlstein um den Hals an der tiefsten Stelle des Meeres untergehen würde (Matth. 18,6). Gegen Ende seiner Erdentage rechnete er mit den Schrift­gelehrten und Pharisäern ab, die solche Verführer waren. Wir haben es gehört: Sieben Wehrufe schleuderte er ihnen entgegen. Jeder dieser Wehrufe ist eine Warnung nicht nur an sie, sondern an alle Menschen: Dass wir nur ja niemandem im Weg stehen, der mit Jesus leben und selig werden will!

Der erste Wehruf klagt die Schrift­gelehrten und Pharisäer wegen ihres schlechten Vorbilds an. Sie misstrauten Jesus, empörten sich über ihn und dachten überhaupt nicht daran, seine Einladung in Gottes Reich auf sich zu beziehen. Jesus warf ihnen vor: „Ihr schließt das Himmelreich vor den Menschen zu! Ihr geht nicht hinein, und die hinein wollen, lasst ihr nicht hinein­gehen.“ Ach, dass wir doch mit ganzem Herzen ja sagen zu Jesus und dass wir seinem Ruf ins Himmelreich folgen – aber nicht nur mit dem Herzen, sondern auch mit einem fröhlich bekennenden Mund und mit unserm ganzen Verhalten, anderen Menschen zum Vorbild!

Der zweite Wehruf klagt die Schrift­gelehrten und Pharisäer wegen ihres falschen Eifers an. Sie hatten durchaus einen großen missio­narischen Eifer. Sie wollten viele Menschen für das strenge Leben nach den jüdischen Satzungen gewinnen. Aber damit verführten sie sie letztlich zum trügerischen Vetrauen auf ihre eigene Leistung und zur Werk­gerechtig­keit. Jesus warf ihnen vor: „Ihr durchzieht Land und Meer, damit ihr einen Juden­genossen gewinnt, und wenn er’s geworden ist, macht ihr aus ihm ein Kind der Hölle, doppelt so schlimm wie ihr.“ Ach, dass wir doch niemals meinen, der Mensch müsse sich durch eigenes Bemühen erlösen und der christliche Glaube bestehe aus dem Befolgen von Geboten, denn damit verbauen wir anderen den einen Weg ins Reich Gottes: Christus und seine Gerechtig­keit!

Der dritte Wehruf klagt die Schrift­gelehrten und Pharisäer wegen ihrer spitz­findigen Lehren über das Schwören an. Sie lehrten, dass bestimmte Eide ungültig sind, nämlich die, die sich nicht auf Gott selbst berufen, sondern zum Beispiel nur auf das Gold des Tempels oder auf den Brandopfer­altar. Damit leisteten sie den Schlitzohren Vorschub, die mit eindrucks­vollen, aber vermeintlich ungültigen Schwur­formeln andere betrügen wollten. Jesus warnte: „Wer schwört bei dem Tempel, der schwört bei ihm und bei dem, der darin wohnt.“ Ach, dass wir doch durch und durch wahrhaftig werden! Dann haben wir es überhaupt nicht nötig, etwas mit einem Eid zu bekräftigen. So bezeugen wir, dass wir mit Jesus leben, der die Wahrheit in Person ist.

Der vierte Wehruf klagt die Schrift­gelehrten und Pharisäer wegen ihrer falschen Gesetzes­lehre an. Sie pochen dabei auf strengste Befolgung auch der kleinsten Kleinig­keiten. Wenn es zum Beispiel heißt, man solle zehn Prozent aller land­wirtschaft­lichen Erträge an den Tempel abgeben, dann meinten sie, dass das unbedingt auch auf die kleinsten Gewürz­kräuter angewendet werden müsse, zum Beispiel auf Minze, Dill und Kümmel. An sich wäre das nicht schlimm – wenn sie nicht zugleich sehr nachlässig umgehen würden mit den wichtigsten Geboten, nämlich Gott von ganzem Herzen zu vertrauen und seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst. Jesus schimpfte: „Ihr verblendeten Führer, die ihr Mücken aussiebt, aber Kamele ver­schluckt!“ Ach, dass wir uns doch zuallererst um Glauben und Liebe bemühen! Und dass wir nur ja nicht stolz darauf sind, wie genau wir uns an einzelne Vorschriften aus Gottes Geboten halten!

Der fünfte Wehruf klagt die Schrift­gelehrten und Pharisäer wegen ihrer verlogenen Reinheits­vorschriften an. Mit größter Sorgfalt wuschen sie ihre Leiber und ihre Trinkgefäße. Sie achteten streng darauf, dass auch die anderen Juden sich an solche rituellen Waschungen halten – so, als hinge die Seligkeit davon ab. Verlogen waren diese Vorschriften deshalb, weil sie es zugleich mit der Reinheit des Herzens nicht sehr genau nahmen. Jesus verglich sie mit den von ihnen rein gehaltenen Gefäßen und mahnte: „Du blinder Pharisäer, reinige zuerst das Innere des Bechers, damit auch das Äußere rein wird!“ Ach, dass auch wir den größten Wert auf ein reines Herz legten und nicht darauf, wie sehr wir nach außen glänzen! Das reine Herz aber, das können wir uns nur von Jesus schenken lassen.

Der sechste Wehruf vertieft diese Anklage mit einem weiteren Bild: Jesus nannte die Schrift­gelehrten und Pharisäer „übertünchte Gräber, die von außen hübsch aussehen, aber innen sind sie voller Totengebeine und lauter Unrat“. Sie prahlten überall mit ihrer eigenen, scheinbar makellosen Gerechtig­keit. Sie wollten von anderen dafür geachtet und bewundert werden, aber in ihren Herzen herrschten Tod und Verwesung; Gott­vertrauen, Demut, und echte Nächsten­liebe waren darin schon längst tot. So kann man niemanden für Gottes Reich gewinnen! Ach, dass wir doch nicht der Versuchung erliegen, anderen Menschen irgendeine Frömmigkeit vor­zuspielen! Bitten wir Jesus immer wieder um seine erneuernde und Leben spendende Kraft, aus der allein wir dann auch äußerlich so leben können, wie es Gott gefällt und wie es unsere Mitmenschen in Gottes Reich einlädt!

Der siebente Wehruft klagt die Schrift­gelehrten und Pharisäer wegen ihrer schein­heiligen Empörung über Propheten­mörder an. Es ist eine un­bestreitbare Tatsache, dass man im Volk Israel die von Gott gesandten Propheten immer wieder verfolgte und sogar tötete. Die Schrift­gelehrten und Pharisäer aber distan­zierten sich ausdrücklich von dieser Schuld ihrer Väter und errichteten deswegen den alten Propheten schöne Denkmäler. Jesus prophezeite ihnen: „Siehe, ich sende zu euch Propheten und Weise und Schrift­gelehrte; und von ihnen werdet ihr einige töten und kreuzigen, und einige werdet ihr geißeln in euren Synagogen und werdet sie verfolgen von einer Stadt zur andern, damit über euch komme all das gerechte Blut, das vergossen ist auf Erden…“ Damit weissagte Jesus sein eigenes Leiden und Sterben – und darüber hinaus künftige Christen­ver­folgungen. Ja, die Feinde Jesu Christi schreckten vor keinem Mittel zurück, um das Reich Gottes vor anderen zu versperren. Erfolg hatten sie damit allerdings nicht – ebensowenig wie alle anderen Christen­verfolger bis zum heutigen Tag: Sie können zwar äußerlich viel Leid anrichten, Menschen töten, Kirchgebäude zerstören und kirchliche Strukturen kaputt machen, aber den Lauf des Reiches Gottes können sie letztlich nicht aufhalten. Bis zum heutigen Tag gibt es Märtyrer, die bis in den Tod den Namen Jesu bezeugen. Das Wort „Märtyrer“ bedeutet „Zeuge“. Auch wenn die Märtyrer ihr Blut vergießen und ihr Leben lassen für den Herrn, sind sie doch dessen gewiss, was Paul Gerhardt in einem Choralvers so ausgedrückt hat: „Kann uns doch kein Tod nicht töten, sondern reißt unsern Geist aus viel tausend Nöten…“ Und warum? Weil Christi Blut über uns gekommen ist – aber nicht so wie über seine Feinde, also nicht als Vergeltungs­gericht, sondern als Erlösungs­blut, das alle Sünden abwäscht und zum ewigen Leben reinigt. Ach, dass wir diesem Blut alle Kraft zutrauen! Ach, dass wir das auch anderen bezeugen, damit wir ihnen der Weg in Gottes Reich nicht verstellt, sondern freigeräumt wird! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2017.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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