Leid und Lohn der Nachfolge

Predigt über Matthäus 8,18-22 zum Sonntag Okuli

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Vor drei Wochen, an der Schwelle zur Passions­zeit, haben wir hier als Graduallied gesungen: „Lasset uns mit Jesus ziehen, / seinem Vorbild folgen nach, / in der Welt der Welt entfliehen / auf der Bahn, die er uns brach.“ Auch heute könnten wir so singen, am Sonntag Okuli, denn der hat die Nachfolge zum Thema. Aber wissen wir eigentlich, was Nachfolge bedeutet? Und was das Lied vom Ziehen mit Jesus anbetrifft, ist uns bewusst, was wir da singen? Meinen wir das wirklich so? Nicht alle, die Jesus nachfolgen wollen, wissen, worauf sie sich einlassen.

Das war schon zu Jesu Zeiten so. Jesus hatte in Kapernaum am See Genezareth gepredigt, und die Leute waren begeistert. Sie drängten sich in Scharen um ihn. Um etwas zur Ruhe zu kommen, ließ Jesus sich in einem Boot an ein einsames Ufer bringen, aber da warteten bereits andere Menschen auf ihn. Ein Schrift­gelehrter war so beeindruckt von Jesus, dass er zu ihm sagte: „Meister, ich will dir folgen, wohin du gehst.“ Wir sehen: Nicht alle Schrift­gelehrten lehnten Jesus damals ab, sondern einige erkannten ihn als Rabbi und „Meister“ an und wollten von ihm etwas lernen. Und ein weiterer Jesus-Fan wollte ebenfalls sein Jünger werden und mit ihm mitziehen. Wenn es das Lied damals schon gegeben hätte, dann hätten die beiden singen können: „Lasset uns mit Jesus ziehen!“ Aber wussten sie wirklich, worauf sie sich damit einließen?

Wenn sie es nicht wussten, dann erfuhren sie es sogleich von Jesus persönlich. Dem Schrift­gelehrten sagte er: „Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.“ Wir brauchen nicht anzunehmen, dass Jesus bei diesen Worten genervt war, weil man immer wieder etwas von ihm wollte. Er klagte damit nicht: Nirgends hat der Menschensohn mal Ruhe! Vielmehr machte er dem Schrift­gelehrten deutlich: Der Menschensohn führt ein einfaches und unbequemes Leben; in mancher Nacht hat er nicht einmal ein Dach über dem Kopf. Wer ihm nachfolgen will, der muss selbst auch zu einem einfachen und unbequemen Leben bereit sein. Dasselbe hat Jesus gemeint, als er seine Jünger darauf hinwies, dass sie sich verleugnen und das Kreuz auf sich nehmen müssen. Nur wer persönliche Ansprüche hinter dem Willen Gottes zurücksteckt und dafür auch zu leiden bereit ist, kann Jesu Jünger sein.

Diese Leiden bestehen unter anderem darin, dass ein Jünger dem normalen Leben in dieser Welt ein Stück weit entfremdet wird. Wir sehen das an dem zweiten Jünger-Kandidaten. Der hatte Jesus gebeten: „Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe.“ Ein sehr ver­ständlicher Wunsch, wenn der Vater gerade verstorben ist! Aber Jesus gab ihm die Antwort: „Folge du mir, und lass die Toten ihre Toten begraben.“ Die geistlich toten aber leiblich lebendigen Angehörigen, die nicht Jesus nachfolgen wollen, die sollen den Vater begraben; ein Jünger Jesu hat Wichtigeres zu tun: Mit Jesus mitziehen und ihm helfen, Gottes Reich zu verkündigen.

Das kommt uns sehr hart vor. Wir dürfen aber nicht übersehen, in welcher Situation Jesus das gesagt hat: Es war in einer Zeit, als Nachfolge noch buchstäblich das Mitgehen mit Jesus bedeutete. Ein Jünger konnte damals nicht in seiner vertrauten Umgebung bleiben und seinen vertrauten Alltags­geschäften nachgehen, sondern er musste mit Jesus im Land umherziehen. Das ist heute anders: Jesus nachfolgen hängt nicht mehr von dem Ort ab, an dem wir uns befinden. So können wir heute als Jünger Jesu getrost unsere Verwandten begraben und unseren Alltags­geschäften nachgehen. Aber nichts­destotrotz soll unsere Einstellung genauso sein, wie Jesus es schon damals von seinen Jüngern erwartete: Gottes Sohn und Gottes Reich sollen uns konkurrenz­los wichtig sein – wichtiger als unsere äußere Sicherheit und Bequemlich­keit, wichtiger auch als das Bedürfnis, ein ganz normales und konflikt­armes Leben unter unseren Mitmenschen zu führen. Zu ver­schiedenen Zeiten und an ver­schiedenen Orten mag das verschieden schwer und leidvoll sein, aber grund­sätzlich sollte jeder Jünger Jesu für seinen Meister ein unbequem drückendes Kreuz zu tragen bereit sein – und zwar ohne Murren und Zagen, sondern freudig und getrost. In dem Lied „Ich folge Jesus nach“ heißt es: „Ob schon viel Kreuz und Leid / mich quält und Ungemach, / so bin ich doch getrost. / Ich folge Jesus nach.“ Ach, wie weit bin ich noch davon entfernt, das von Herzen mitzusingen! Wie un­entschlossen bin ich noch zur rechten Nachfolge! Aber ich weiß: Der Meister ist barmherzig und hat Geduld mit mir.

Vor drei Wochen, an der Schwelle zur Passions­zeit, haben wir als Evangeliums­lesung von Jesu Leidens­ankündigung gehört (Markus 8,31-38). Da hat Jesus seinen Jüngern ganz offen gesagt, dass ihm Leiden und der Tod bevorstehen. Simon Petrus hatte diesen Gedanken entsetzt von sich gewiesen – vielleicht nicht nur aus einer naiven Liebe zum Herrn, sondern auch aus Angst davor, dass er als Jesu Jünger dann selbst nicht ungeschoren davonkommt. Vor lauter Schreck hatte Petrus gar nicht bis zum Schluss zugehört, sonst wäre ihm das herrliche Ziel von Jesu Leidensweg nicht entgangen. Jesus hatte nämlich angekündigt, dass er danach am dritten Tag auferstehen wird. In diesem Licht sollten wir auch die Worte Jesu sehen, die wir hier bedenken. Die Leiden der Nachfolge, die Jesus so drastisch vor Augen führt, müssten Menschen vom Christsein abschrecken, wenn die Nachfolge nicht zugleich der eine Weg zu Gottes herrlichem Ziel wäre: zur Auferstehung und zur ewigen Seligkeit. Vergessen wir also nicht, was wir gesungen haben: „Lasset uns mit Jesus leiden, / seinem Vorbild werden gleich; / nach dem Leide folgen Freuden, / Armut hier macht dorten reich.“ Von der fröhlichen Ankunft am Ziel heißt es dann: „Lasset uns mit Jesus leben! / Weil er auferstanden ist, / muss das Grab uns wiedergeben. / Jesu, unser Haupt du bist.“ Und in dem anderen Nachfolge-Lied heißt es: „Ich folge Jesus nach! / Ich werd ihm auch nachgehen / einst zu der Seligkeit / und ihm zur Rechten stehen!“ Nur wer sich auf das Ziel freut, kann fröhlich reisen. Und nur wer sich auf den Himmel freut, kann fröhlich Jesus nachfolgen.

Das heißt nicht, dass wir das Leben hier und heute nicht ernst nehmen sollten. Im Gegenteil: Ein Jünger Jesu lebt sehr bewusst in der Gegenwart – so wie auch der Meister stets für all die Menschen da ist, die ihn brauchen. Die Kraft für diese heraus­fordernde und manchmal anstrengende Nachfolge bekommen wir von Gott geschenkt, nämlich durch das herrliche Evangelium von unserer Erlösung und vom ewigen Leben. Überall, wo dieses Evangelium verkündigt wird und wo man das Heilige Abendmahl feiert, haben wir bereits einen kleine Vorgeschmack auf die Himmels­freude. Und wir haben diese Vorfreude ebenfalls, wenn wir in der Gemeinschaft mit anderen Jüngern zusammen sind im Gottes­dienst, beim Gotteslob und beim gemeinsamen Nachdenken über die Bibel. Jesus nachfolgen ist ja keine einsame Sache, sondern wir sind eine Weg­gemein­schaft. Gemeinsam reisen ist stets angenehmer als allein reisen. Lasst uns also immer wieder die Gemeinschaft derer suchen, die ihm ebenfalls nachfolgen, und suchen wir vor allem die Nähe des Meisters selbst in seinem heiligen Wort und Sakrament! Dann können wir fröhlich mit ganzem Herzen einstimmen in das Bekenntnis: „Ich folge Jesus nach!“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2017.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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