Wenn Menschen sich über Jesus ärgern

Predigt über Matthäus 13,53-58 in einer Passionsandacht

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Mit einem Sprichwort fange ich heute an: „Sei nicht schnell, dich zu ärgern“ (Prediger 7,9). Wir finden dieses Sprichwort in der Bibel, im Buch des Predigers Salomo. Aber auch an anderen Stellen warnt die Bibel uns vor dem Ärger. Mitunter geschieht es in der Weise, dass uns ein schlechtes Beispiel vor Augen geführt wird. Das ist auch der Fall in dem Bericht des Evangelisten Matthäus, den wir eben gehört haben. Wir könnten ihm die Überschrift geben: „Nazarener ärgern sich über Jesus.“

Kurz vor diesem Ereignis hatte Jesus sich in Kapernaum aufgehalten, am Ufer des Sees Genezareth. Dort hatte er den Menschen eine Schatztruhe geöffnet und daraus viele Schätze göttlicher Liebe und Weisheit hervor­geholt. Mit Gleichnissen hatte er ihnen anschaulich vor Augen geführt, wie Gottes Reich zu uns Menschen kommt. Danach war Jesus weiter­gezogen, denn er wollte ja auch in anderen Städten Galiläas wirken. So kam er in seine Vaterstadt Nazareth. Wie er es gewohnt war, ging er am Feiertag in die Synagoge und predigte dort. Die Menschen, die ihm zuhörten, kannten ihn von Kindheit an – und kannten ihn doch wieder nicht, jedenfalls nicht so: als den bibel­kundigen Rabbi, der ihnen Predigten hielt, die unter die Haut gingen.

Wie kannten sie Jesus denn? Sie hatten ihn als den kleinen Jungen gekannt, der mit seinen Eltern Maria und Josef eines Tages in Nazareth aufgetaucht war. Damals tuschelte man über diese Familie: Das sind doch die, die kurz nach ihrer Hochzeit weggegangen sind, Maria damals hoch schwanger; und dann sollen sie ein paar Jahre lang in Ägypten gelebt haben. Josef hatte dann seine Arbeit von früher wieder aufgenommen: Er war Handwerker; er konnte mit Holz umgehen und auch mit anderen Materialien. Es gab kaum eine Baustelle in Nazareth, wo er nicht tätig gewesen war. Irgendwann nahm er Jesus mit, damit der ihm Bretter zureichte und auch lernte, was man mit seinen Händen und ein paar Werkzeugen alles machen kann. Als die Familie größer wurde, kamen nach und nach auch die jüngeren Brüder auf die Baustelle: Jakobus, Josef, Simon, Judas. Jesus hatte auch Schwestern, die halfen Maria im Haushalt – bis Männer aus Nazareth sie heirateten. Vor nicht allzu langer Zeit war Josef gestorben, und Maria war mit Jesus und ihren anderen Söhnen nach Kapernaum gezogen. Nun stand Jesus, der Sohn des Zimmermanns, plötzlich vor ihnen in der Synagoge und predigte von Gottes Reich. Sie kannten ihn – und kannten ihn doch wieder nicht, jedenfalls nicht so: die Spiel­kameraden von einst, die mit ihm Sandburgen gebaut hatten; die Handwerker der Stadt, die mit ihm zusammen so manches Haus errichtet hatten; die Verwandten von Josef und Maria; die Schwestern von Jesus und ihre Ehemänner – sie alle erlebten ihn jetzt als Rabbi, als geistlichen Lehrer. Sie wunderten sich darüber, waren richtig­gehend verstört und flüsterten aufgeregt unter­einander : „Wo hat der denn diese Weisheit her? Warum macht er plötzlich so unerhörte Sachen? Was ist denn mit ihm passiert?“

Wir könnten den Nazarenern diese Fragen beantworten. Wir könnten ihnen sagen: Diese Weisheit hat er unmittelbar von Gott bekommen, von seinem himmlischen Vater, und ebenso die Kraft, Wunder zu wirken. Er ist ja nicht nur als Mensch aus der Stadt Nazareth gekommen, sondern zugleich als Gottes eingeborener Sohn aus dem Himmelreich. Und nachdem er dreißig Jahre lang ziemlich unauffällig lebte als Mensch wie du und ich, hat er sich von Johannes dem Täufer im Jordan taufen lassen. Damit hat sein besonderer Dienst begonnen, zu dem er von Anfang an ausersehen war: zu predigen, zu heilen und die Menschheit vom Fluch der Sünde zu erlösen. Ja, so könnten wir den Nazarenern ihre Fragen beantworten. So konnten damals schon Jesu Jünger diese Fragen beantworten, und sie werden das auch getan haben. Vor allem: So hat Jesus selbst diese Fragen beantwortet mit seinem Reden und Handeln. Die Nazarener können das nicht überhört haben. Aber ihr Problem war, dass sie es nicht glauben konnten. Es war ihnen einfach zu unerhört, dass der Zimmermanns­sohn aus ihrer Mitte der von Gott gesandte Erlöser sein sollte. Sie konnten das nicht glauben, und sie wollten es auch gar nicht. Sicher wird der Eine oder Andere neidisch gewesen sein auf ihn. Und mancher wird empört gerufen haben: Der will wohl etwas Besseres sein als wir! So kam es, dass die Verwunderung der Nazarener in Ärger umschlug. „Und sie ärgerten sich an ihm“, heißt es.

Auch dies gehörte zu Jesu Leiden: dass die vertrauten Menschen seiner Vaterstadt ihm nicht vertrauten. Nicht nur führende Juden, Pharisäer und Schrift­gelehrte lehnten ihn ab, sondern auch einfache Leute, Verwandte, Handwerker, ehemalige Kollegen: „Sie ärgerten sich an ihm.“ Jesus hätte so gern alle Kranken unter ihnen geheilt und hätte so gern ihnen allen das Himmelreich nahe­gebracht, aber es ging nicht, weil sie ihm überwiegend mit Misstrauen begegneten. Da sagte er ihnen traurig den Satz, der schon damals ein Sprichwort war: „Ein Prophet gilt nirgends weniger als in seinem Vaterland und in seinem Haus.“ Ja, Jesus litt unter der Ablehnung der Nazarener – nicht nur, weil ihm das selbst weh tat in seiner Seele, sondern vor allem, weil sie sich damit ihrer eigenen Seligkeit im Weg standen. Bei anderer Gelegenheit hatte Jesus gesagt: „Selig ist, wer sich nicht an mir ärgert“ (Matth. 11,6).

Dieser Kummer begleitete Jesus bis ans Kreuz: dass Menschen sich über ihn ärgern. Dieser Ärger hat sogar dazu beigetragen, dass Jesus den Kreuzestod erleiden musste. Neid und Empörung begegneten ihm ja nicht nur in seiner Vaterstadt, sondern im ganzen Vaterland: Was maßt der sich an? Der will wohl etwas Besseres sein als wir! Er lästert Gott! Und dieser Ärger ist mit seiner Auferstehung nicht verflogen, sondern weiter­gegangen. Der Apostel Paulus hat fest­gestellt, dass das Wort vom Kreuz den Juden ein Ärgernis ist und den Griechen eine Torheit (1. Kor. 1,23). Auch heute noch gibt es viele, die sich über den Haupt-Inhalt des Evangeliums ärgern: nämlich dass wir nur dann unsere Sünden loswerden und richtig leben können, wenn wir Jesus und seinem Opfer am Kreuz vertrauen. Und weil dieser Ärger so verbreitet ist (gerade auch in der Gesell­schaft, in der wir leben), wirkt sich die Liebe Christi so wenig aus. Es ist wie damals in Nazareth: „Er tat dort nicht viele Zeichen wegen ihres Unglaubens.“ Aber dennoch: Das Wort vom Kreuz gilt heute ebenso wie damals und hat auch heute noch dieselbe Kraft. Wer seine Vorbehalte über Bord wirft und Jesus vertraut, der ist gesegnet für Zeit und Ewigkeit, und der wird diesen Segen auch merken in seinem Leben. Jesus sagte: „Selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.“ Ja, es gibt sie auch heute noch, wie es sie schon immer gab: die Menschen, die Jesus vertrauen, in dieser Seligkeit leben, in dieser Seligkeit sterben und dann in ihr wahres Vaterland heimkehren.

Mit einem Sprichwort habe ich die Predigt begonnen, mit einem Sprichwort höre ich auch auf: „Ärgern ist nicht christlich“, lautet ein altes schlesisches Sprichwort. Genau: Ärgern ist nicht christlich, aber sich nicht ärgern ist christlich – vor allem, sich nicht an Jesus ärgern! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2017.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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