Die Sache mit der Kirchensteuer

Predigt über Matthäus 17,24‑27 zum 2. Sonntag nach Epiphanias

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Letzte Woche erzählte mir jemand eine Kirchen­steuer-Geschichte aus DDR-Zeiten. Die evan­gelische Kirche durfte damals ihre Steuern nicht über das staatliche Finanzamt erheben, wie sie es heute tut. Darum schickten die einzelnen Kirchen­gemeinden Kassierer herum, die bei den Gemeinde­gliedern die Kirchen­steuer gegen Quittung in Empfang nahmen. Und nun die Ge­schichte: Ein Kirchen­steuer-Kassierer kommt zu einem Mann, der schon länger nichts mehr gezahlt hat. Der Kirchen­steuer-Kassierer fordert eine hohe Summe, nämlich eine Nach­zahlung für zehn Jahre. Das Kirchglied weigert sich und ist über dieses Ansinnen so erbost, dass es be­schließt, künftig kein Kirchglied mehr zu sein: Der Mann tritt aus der evan­gelischen Kirche aus.

Diese Geschichte ähnelt der Geschichte aus dem Matthäus-Evan­gelium, die wir eben gehört haben. Das heißt: Der Anfang der Geschichte ist so ähnlich, das Ende jedoch ist ganz anders. Auch zu Jesu Zeiten waren staatliche und kirchliche Steuern zwei ver­schiedene und von­einander getrennte Dinge, genauso wie in der DDR. Die römische Besatzungs­macht trieb Steuern für den Kaiser ein, und Kassierer der örtlichen Synagogen-Gemeinden baten die Orts­bewohner zur Kasse für die Kirchen­steuer, den so­genannten Tempel­groschen. Jeder jüdische Mann über 20 sollte jährlich zwei Drachmen an den Jerusa­lemer Tempel abführen. Jesus und Petrus hatten ihren Wohnsitz in Kapernaum, waren aber meistens irgendwo anders unterwegs. Als sie mal wieder in ihren Heimatort kamen, wendeten sich die Tempel­groschen-Kassierer an Petrus und fragten ihn, besonders im Blick auf seinen Meister, nach der fälligen Abgabe. Offenbar hatten beide für das laufende Jahr noch nichts gezahlt. Nun geht die Geschichte allerdings anders weiter als die eingangs erzählte: Petrus wurde nicht wütend und trat auch nicht aus der jüdischen Gemeinde aus, sondern erklärte, dass sie ihre Kirchen­steuern normaler­weise zahlen würden. Das Problem war nur: Jesus und seine Jünger waren pleite. Das kam offenbar öfters vor; jedenfalls reichten ihre Geldmittel zuweilen nicht einmal für das Nötigste zum Leben. Zu Hause besprach Petrus die Tempel­groschen-Angelegen­heit mit Jesus. Zuerst stellte Jesus klar, dass er grund­sätzlich nicht kirchen­steuer­pflichtig ist, ebenso­wenig wie seine Jünger. Er sagte: „Die Kinder sind frei.“ Es war zu damaliger Zeit selbst­verständ­lich, dass Landes­herren von ihren eigenen Familien­angehörigen keine Steuern erhoben. Nun war der Tempel in Jerusalem ja das Haus Gottes, des wahren Vaters von Jesus, und wer zu Jesus kam, der wurde auch ein Kind Gottes. Gottes­kinder, sagte Jesus, sind nicht ver­pflichtet, ihrem himm­lischen Vater Tempel­steuern zu zahlen. Und nun? Ver­weigerten Jesus und Petrus nun unter lautem Protest die fälligen Kirchen­steuern? Traten sie nun wütend aus der Synagogen-Gemeinde aus? Keines­wegs! Jesus wollte freiwillig trotzdem den ge­forderten Betrag zahlen, zwei Drachmen für sich selbst und zwei für Petrus, also insgesamt vier Drachmen. Er be­gründete: „Damit wir ihnen keinen Anstoß geben…“ Aber sie waren ja pleite. Kann denn Jesus überhaupt pleite sein, der Mensch gewordene Gottes­sohn? Ihm gehört doch die ganze Welt! Ja und nein. Freiwillig hatte der Herr sich erniedrigt und war ein armer Wander­prediger geworden; als solcher war er tat­sächlich pleite. Aber doch zeigte er auch immer wieder etwas von seiner göttlichen Herrlich­keit. So auch in diesem Fall: Er zeigte, dass er Herr über alle Länder und Meere ist. Er zeigte, dass er jeden Fisch im See Genezareth kennt und alles, was sich im Maul eines Fisches befindet. So ließ er den Fischer Simon Petrus wieder einmal am heimischen Gewässer angeln und fügte es so, dass der Jünger einen Fisch mit einem Vier-Drachmen-Stück im Maul fängt. Damit konnten die fälligen Kirchen­steuern für beide bezahlt werden.

Liebe Brüder und Schwes­tern, in unserer Gemeinde­ordnung steht der Satz: „Die Glieder der Gemeinde sind nach Gottes Wort ver­pflichtet, zur Erfüllung der kirch­lichen und gemeind­lichen Aufgaben mit Beiträgen, Spenden und Kollekten freiwillig und in an­gemessener Höhe bei­zutragen.“ Wie denn: ver­pflichtet? und frei­willig? Die Tempel­steuer-Geschichte hilft uns, den Satz richtig zu verstehen. Im Wort „frei­willig“ steckt die Freiheit der Gottes­kinder, der Brüder und Schwestern von Jesus Christus: Wir brauchen Gott keine Steuern und Abgaben zu zahlen, denn wir gehören ja zu seiner Familie. Das Evangelium sagt aus­drücklich, dass wir Gottes Heilsgüter gratis, das heißt aus Gnade und ohne Gegen­leistung, in Empfang nehmen dürfen. Weder Taufe noch Abendmahl, weder den Zuspruch der Sünden­vergebung noch den erteilten Segen brauchen wir zu bezahlen. Gottes Gaben sind für uns, seine Kinder, grund­sätzlich frei, umsonst, gratis. Damit dies ganz deutlich wird, verzichtet unsere Selb­ständige Evan­gelisch-Luthe­rische Kirche darauf, Kirchen­steuern über die Finanz­ämter einzu­ziehen. Wir schicken auch keine Kassierer herum, die Nach­zahlungen ein­fordern, weder für zehn Jahre noch für ein Jahr. Wir erinnern jedoch daran, dass das Werk der Evangeliums­verkündi­gung stark ein­geschränkt würde, wenn dafür keine finan­ziellen Mittel mehr zu Verfügung stünden. Zwar könnten sich die Gemeinden dann in Privat­häusern oder im Freien zum Gottes­dienst ver­sammeln, aber wir hätten dann keine gut aus­gebildeten Pastoren mehr, die sich vollzeitlich für den Ver­kündigungs­dienst einsetzen können. Und auch unsere schönen Kirch­gebäude müssten wir dann aufgeben. Jedes Gotteskind sollte daher freiwillig die Hand öffnen und sagen: Ich will nach Kräften meinen Beitrag dafür leisten, dass meine Gemeinde und die Kirche des Herrn Jesus Christus ihre Aufgaben un­gehindert weiter erfüllen kann. Wer den Herrn und seine Kirche auch nur ein bisschen lieb hat, der wird so denken und ent­sprechend handeln. Das geht natürlich nur, wenn er etwas besitzt; wenn er pleite ist und auch keinen Fisch mit Geld im Maul fängt, kann er nichts geben, und er braucht es ja auch nicht. Wenn aber einer, der etwas hat, davon einen Kirchen­beitrag leistet, ist und bleibt seine Gabe grund­sätzlich frei­willig; die Liebe jedoch ver­pflichtet ihn innerlich dazu, sie zu geben. Freiwillig­keit und Ver­pflichtung sind dabei kein Gegensatz. Die ver­pflichten­de Liebe erweist sich nicht zuletzt auch als Liebe zu den Mit­christen, die teilweise große finan­zielle Opfer für die Kirche bringen. Unsere kleine Gemeinde ist darauf an­gewiesen, dass Christen in anderen Gemeinden über die Allgemeine Kirchen­kasse mithelfen, die hiesige Pfarr­stelle zu finan­zieren. Wer wollte sie verärgern und sagen: Zahlt ihr nur schön für uns; wir machen von unserer christlichen Freiheit Gebrauch und geben nichts, oder nur ganz wenig. Nein, auch hier ver­pflichtet uns die Liebe, ihnen keinen Anstoß zu geben, sondern nach Kräften selbst einen an­gemessenen Gemeinde­beitrag zu ent­richten. Es ist so wie damals bei Jesus, der freiwillig seine Tempel­steuer bezahlte, „damit“, wie er sagte, „wir ihnen keinen Anstoß geben.“ Wenn wir solche Dankopfer bringen, sowohl freiwillig als auch durch die Liebe innerlich ver­pflichtet, dann werden wir merken, dass Gott solch fröhliches Geben segnet. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2014.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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