Heilung

Predigt über Matthäus 9,27‑34 zum 12. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Auch wenn wir nicht blind oder stumm sind, haben wir doch alle unsere Wehwehchen und unsere Erfahrungen mit Krank­heiten. Es ist ein weites Feld: Da gibt es Rücken­schmerzen, da gibt es depressive Ver­stimmungen, da gibt es Streit mit den Nachbarn, das gibt es Zweifel an Gottes Allmacht. All das können wir eine Krankheit nennen, was bei uns Menschen nicht in Ordnung ist, egal ob körperlich, seelisch, sozial oder geistlich. Diese Bereich hängen auch alle zusammen: Rücken­schmerzen können depressiv machen und De­pressionen können Rücken­schmerzen ver­ursachen; schlechte Laune kann zu Streit mit den Nachbarn führen, und alles miteinander kann uns in Glaubens­zweifel bringen. Dahinter steckt der Teufel, auf griechisch der „diabolos“, der „Durch­einander­bringer“. Er hat immerhin soviel Macht in der Welt, dass er uns auf vielfache Weisen ärgern und krank machen kann.

Das ist heute noch genauso wie zu Jesu Erdentagen. Wir haben es eben aus dem Bericht des Evan­gelisten Matthäus gehört: Da waren zwei Blinde und ein Stummer. Bei dem Stummen wissen wir nicht, ob er kranke Stimmbänder hatte oder ob er im Kopf nicht ganz richtig war. Aber gleich ob es sich um ein körper­liches oder um ein seelisches Gebrechen handelte, ein soziales Hindernis ist es allemal, wenn jemand sich nicht ver­ständlich machen kann. Die Bibel nennt den Stummen zugleich „besessen“ und bringt damit zu Ausdruck: Sein Problem­bündel hat als letzte Ursache den Teufel und dessen Kumpane.

Wir fassen als erste Beobachtung zusammen: Ob Leib, Geist, Seele, ob Ge­meinschaft, / Probleme bringt des Teufels Feind­schaft.

Wohl dem Menschen, der weiß, wohin er sich mit seinen Problemen wenden kann. Wir wissen es, liebe Brüder und Schwestern: Wir können uns in jedem Fall an Jesus wenden. Wir wissen, dass Jesus nicht nur ein Spezialist für geistliche Probleme wie Schuld­gefühle ist, sondern dass er uns in jeder Hinsicht helfen will. Darum dürfen wir zu­versicht­lich alle unsere Sorgen auf ihn werfen und im Gebet mit jeder Art von Problemen zu ihm kommen. Wir tun es hoffentlich jeden Tag zu Hause, und sonntags tun wir es hier gemeinsam im Gottes­dienst. Wir singen: „Kyrie eleison! Christe eleison!“ – „Herr, erbarme dich! Christus, erbarme dich!“

Damit folgen wir dem Beispiel der beiden Blinden aus unserem Bericht. Auch sie riefen Jesus zu: „Eleison!“ – „Erbarme dich!“ Dabei wussten sie, dass er der Herr ist, nämlich der Christus, der ver­sprochene Erlöser aus dem Geschlecht Davids. Als die Blinden hörten, dass er vorüberkam, zögerten sie nicht, sondern folgten dem Geräusch seiner Schritte und riefen unablässig: „Ach, du Sohn Davids, erbarme dich unser!“ Der Stumme freilich, der konnte nicht so rufen. Wir erfahren auch nicht, ob er Jesus überhaupt kannte. Aber er hatte liebe Freunde, die Jesus kannten und die sich von ihm Hilfe erhofften; deshalb brachten sie den Stummen zu ihm. Beim Hilferuf der Blinden fällt übrigens auf, dass Jesus zunächst gar nicht darauf reagierte. Jesus hatte es eilig nach Hause zu kommen und ließ die beiden einfach hinter sich her stolpern. Erst zu Hause angekommen, befasste er sich mit ihnen. So geht uns das auch mitunter: Wir beten und warten, wir warten und beten, aber Jesus scheint nicht zu hören. Wer Jesus um Hilfe bittet, muss Geduld lernen – so wie der Patient eines Facharztes, der unter Umständen stundenlang im Wartezimmer sitzt, ehe er ins Sprech­zimmer gelassen wird.

Wir fassen als zweite Beobachtung zusammen: Wer Hilfe sucht, der braucht fast immer / Geduld in Gottes Wartezimmer.

Wie schön, dass niemand vergeblich auf Jesu Hilfe warten muss. Er kann alles reparieren, was der Teufel kaputt macht. Er heilt uns geistlich, indem er unsere Sünden vergibt. Er heilt die sozialen Probleme, indem er Menschen durch seine Liebe dazu veranlasst, anderen zu vergeben und sich mit ihnen zu versöhnen. Er schenkt fröhliche Herzen, und er hat schon so manche Wunde des Leibes gesund gemacht. Freilich ist sein Heilen in dieser Welt noch nicht ab­geschlos­sen, wir sind erst auf dem Weg der Besserung. Der Erdenleib muss erst ganz ersterben, ehe Jesus mit seiner Heilung ans Ziel kommt. Dann aber, in Gottes ewiger Welt, werden wir einen zu hundert Prozent gesunden neuen Leib haben, so wie Jesus selbst mit verklärtem Leib von den Toten auf­erstanden ist. Dann werden auch Seele, Geist und erlebte Gemein­schaft nicht mehr von Probleme belastet sein. Mit dem Tod und der Auf­erstehung unsers Herrn hat unsere Heilung begonnen, und in der ewigen Seligkeit wird sie vollendet sein.

Damit wir das erfahren und glauben, hat Jesus in seinen Erdentagen immer wieder Kranke gesund gemacht. Die Blinden, die ihm vertrauten, wurden sehend. Und der stumme Besessene, der vertrauens­voll zu ihm gebracht worden war, wurde fähig zu reden. Da staunten die Leute, die diese Wunder erlebten, und sagten: „So etwas ist noch nie in Israel gesehen worden.“ Sie dachten wohl: Jesus hat sich mit diesen spektaku­lären Wundern als ein Ausnahme­talent der Heilkunst erwiesen. Allerdings meldeten sich auch skeptische Stimme zu Wort. Die Pharisäer, die Jesus für einen Betrüger hielten, meinten nach den Wundern: „Er treibt die bösen Geister aus durch ihren Obersten.“ Wir stellen fest: Beide Gruppen verkannten Jesus. Die einen verkannten ihn als Wunder­doktor, und die anderen hielten ihn für einen Scharlatan, der schwarze Magie treibt. Dabei ist Jesus der einzig­artige Herr und Heiland, der eingeborene Gottessohn, der die Menschheit durch seinen Tod am Kreuz erlöste und der den Teufel durch seine Auf­erstehung ein für alle Mal besiegt hat.

Wir fassen als dritte Beobachtung zusammen: Der Herr macht durch sein Opfer heil, / doch mancher glaubt das Gegenteil.

Es ist wichtig, dass die Menschen Jesus richtig kennen­lernen. Seit Jesus auf­erstanden ist, hat er die gute Nachricht des Evangeliums seinen Jüngern zur Verbreitung auf­getragen. Sie sollten überall ver­kündigen, dass Jesus für die Sünden aller Menschen gestorben und am dritten Tage wieder auf­erstanden ist. So haben es die Apostel auch gemacht, und so macht es die christliche Kirche nach dem Auftrag des Herrn und nach dem Vorbild der Apostel bis zum heutigen Tag. Alle Menschen sollen erfahren: Mit seinem Tod hat Jesus die Wurzel aller unserer Krankheiten zunichte gemacht, die Sünde nämlich, und mit seiner Auf­erstehung hat er dafür gesorgt, dass der Teufel nicht grenzenlos die Menschen ärgern kann, und auch nicht un­befristet. Wir tun gut daran, für diesen großartigen Herrn Zeugnis zu geben. Er will es so, es ist sein Auftrag für die Christen­heit. Und wenn wir uns klar machen, was er uns schenkt, dann wird uns das nicht schwer fallen. So gute Nachrichten kann man gar nicht für sich behalten, man muss sie weiter­erzählen.

Von den geheilten Blinden erfahren wir, dass sie sich ent­sprechend verhalten haben. Es heißt von ihnen: „Sie gingen hinaus und ver­breiteten die Kunde von ihm in diesem ganzen Land.“ Dabei sollten sie das eigentlich gar nicht tun. Jesus hatte ihnen nämlich geboten: „Seht zu, dass es niemand erfahre!“ Das wundert uns. Wenn die Apostel die gute Nachricht in die Welt tragen sollten, warum sollten dann die beiden Geheilten schweigen? Das Rätsel ist schnell gelöst. Wir müssen uns nur klarmachen, dass diese Heilungen vor Jesu Opfertod am Kreuz und vor seiner Auf­erstehung geschehen waren. Alles, was man vorher von ihm ver­kündigte, musste also den falschen Eindruck verstärken, dass er einfach ein begnadeter Rabbi und Wunder­heiler ist. Jesus selbst aber wollte, dass man ihn nicht nur als Rabbi und Wunder­heiler, sondern vor allem als den Ge­kreuzigten und Auferstandenen bezeugt, so wie es die Apostel dann seit Pfingsten auch getan haben. Die ehemals Blinden haben sich allerdings an das damalige Verbot nicht gehalten; sie mussten einfach die frohe Kunde loswerden, dass Jesus sie geheilt hatte. Sie redeten also, obwohl sie eigentlich schweigen sollten. Bei vielen Christen ist es umgekehrt: Sie schweigen, obwohl sie reden sollen. Denn heute dürfen und sollen wir un­einge­schränkt Jesu Macht bezeugen. Heute wissen wir ja, dass Jesus durch sein Kreuz und seine Auf­erstehung alle Menschen gesund machen will und es auch kann.

So fassen wir als vierte Beobachtung zusammen: Der Herr sprach: „Schweigt!“, doch alle zeugen. / Jetzt spricht er: „Redet!“, doch wir schweigen.

Vier Dinge sind es, die wir aus dieser doppelten Heilungs­geschichte lernen können. Zusammen ergeben diese vier Dinge ein kleines Gedicht, mit dem ich meine Predigt beschließe:

Ob Leib, Geist, Seele, ob Ge­meinschaft,
Probleme bringt des Teufels Feind­schaft.
Wer Hilfe sucht, der braucht fast immer
Geduld in Gottes Warte­zimmer.
Der Herr macht durch sein Opfer heil,
doch mancher glaubt das Gegenteil.
Der Herr sprach: „Schweigt!“, doch alle zeugen.
Jetzt spricht er: „Redet!“, doch wir schweigen.

Aber hoffentlich schweigen wir nicht. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2012.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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