Das Ende der Diaspora

Predigt über Matthäus 24,29‑31 zum 3. Advent

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Viele Christen leben in der Diaspora. Damit ist die Situation gemeint, dass Gemeinden klein und weit verstreut sind. Diaspora heißt übersetzt „Zer­streuung“. In den Sonntags­gottes­diensten der Diaspora sitzt oft nur eine Handvoll Leute, und Diaspora-Pastoren müssen für den Dienst an ihrer verstreuten Herde weite Wege zurück­legen.

Eine Diaspora-Situation braucht uns nicht traurig zu machen. Wir kennen ja die tröstliche Verheißung unsers Herrn: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“ (Matth. 18,20). Wir wissen, dass der Segen von Gottes Wort und Sakrament nicht von der Zahl derer abhängt, die ihn gemeinsam empfangen. Wir fühlen uns geistlich verbunden mit den Millionen Christen, die an anderen Orten ihre Gottes­dienste feiern. Wir glauben, dass unser manchmal recht schwacher Gesang sich mit dem herrlichen Chor unzähliger Engel mischt. Und wir freuen uns, wenn wir zu besonderen Gelegen­heiten auch mal Gottes­dienste zusammen mit vielen anderen Brüdern und Schwestern feiern können.

Besonders tröstlich ist aber die Verheißung, dass unser Herr bei seinem Wieder­kommen jegliche Diaspora-Situation überwinden wird. Wir haben es ja gerade am Ende unseres Predigt­textes gehört: „Er wird seine Engel senden mit hellen Posaunen, und sie werden seine Aus­erwählten sammeln von den vier Winden, von einem Ende des Himmels bis zum andern.“ Die Christen­heit, die jetzt in alle Himmels­richtungen zerstreut lebt, wird dann als eine einzige große Gemeinde vor Gottes Thron zusammen­kommen.

Nun redet Jesus in unserem Predigttext aber auch davon, was vor dieser großen Sammlungs­aktion geschehen wird bei seinem Wieder­kommen. Am vergangenen Sonntag habe ich darüber gepredigt, dass sein Wieder­kommen so klar und eindeutig sein wird wie ein Blitz am Nacht­himmel. Das ist der Inhalt der beiden Verse, die dem heutigen Predigttext voraus­gehen. Im heutigen Predigttext geht es nun um das Wie von Jesu Wieder­kommen. Wir könnten natürlich sagen: „Das ist uns egal; da lassen wir uns mal über­raschen.“ Aber Jesus wird sich etwas dabei gedacht haben, dass er seinen Jüngern Einzel­heiten verraten hat; auch hat er dafür gesorgt, dass diese Worte in der Bibel für kommende Gene­rationen fest­gehalten werden. Diese Einzel­heiten sind keineswegs unwichtig oder bloße Aus­schmückung. Wir wissen durch die Weis­sagungen der alt­testament­lichen Propheten, wie wichtig Einzel­heiten sein können: Micha hat zum Beispiel voraus­gesagt, dass der Erlöser in Bethlehem geboren wird, und Sacharja hat voraus­gesagt, dass er auf einem Esel nach Jerusalem reitet. Diese Einzel­heiten geben uns Gewissheit, dass Gott seine Heils­geschichte ganz nach Plan durchzieht. Und damit stärken diese Einzel­heiten unser Vertrauen, dass Gott seinen Heilsplan auch ganz so vollenden wird, wie er es angekündigt hat – bis hin zu den Einzelheiten, wie Jesus am Jüngsten Tag wieder­kommen wird.

Unser Predigttext lässt drei Phasen des Jüngsten Tages erkennen. Erste Phase: Am Himmel tut sich Un­gewöhn­liches. Zweite Phase: Jesus erscheint. Dritte Phase: Die Engel sammeln Gottes Aus­erwählte. Schauen wir uns diese Phasen im Einzelnen an!

Erste Phase: Am Himmel tut sich Un­gewöhn­liches. Jesus sagte: „Sogleich nach der Bedrängnis jener Zeit wird die Sonne sich verfinstern und der Mond seinen Schein verlieren, und die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen.“ „Nach der Bedrängnis jener Zeit“, heißt es. Mit dieser Bedrängnis ist all das gemeint, was uns Christen seit den Erdentagen Jesu bekümmert. Es handelt sich um äußere Bedrängnis, um Christen­verfolgun­gen, Kriege, Natur­katastro­phen, Hungers­nöte, Seuchen und Ähnliches. Es handelt sich um dieses unsägliche Wirrwarr von Schuld und Leid, unter dem wir Menschen bis heute leiden. Und es handelt sich auch um innere Bedrängnis. Es handelt sich darum, dass wir angesichts der äußeren Bedräng­nisse an unserem Glauben zweifeln oder gar ver­zweifeln. Es handelt sich darum, dass der Teufel mit mancherlei List und Tücke uns unser Christen­leben ausreden will, oder zumindest weismachen, dass wir es doch nicht so ernst nehmen sollen. All diese bekannten Bedräng­nisse werden mit einem Schlag vergessen sein, wenn sich am Himmel Un­gewöhn­liches tun wird. Was das genau sein wird, weiß kein Mensch zu sagen. Auf alle Fälle werden Sonne und Mond ihre Leuchtkraft verlieren, und der gewohnte Sternhimmel wird sein Aussehen derart verändern, dass es den Astronomen die Sprache verschlagen wird. Wenn das geschieht, sollen wir wissen: Jetzt kommt der Jüngste Tag, jetzt kommt Jesus wieder.

Zweite Phase: Jesus erscheint. Er selbst hat es so voraus­gesagt: „Dann wird erscheinen das Zeichen des Menschen­sohns am Himmel. Und dann werden wehklagen alle Ge­schlechter auf Erden und werden sehen den Menschen­sohn kommen auf den Wolken des Himmels mit großer Kraft und Herrlich­keit.“ Oft hat Jesus von sich selbst in der dritten Person geredet und sich dabei „Menschen­sohn“ genannt. Er erinnerte seine Hörer damit an eine Vision, die der Prophet Daniel gehabt und auf­geschrieben hat. Im siebenten Kapitel des Buches Daniel steht: „Siehe, es kam einer mit den Wolken des Himmels wie eines Menschen Sohn und gelangte zu dem, der uralt war, und wurde vor ihn gebracht. Der gab ihm Macht, Ehre und Reich, dass ihm alle Völker und Leute aus so vielen ver­schiedenen Sprachen dienen sollten. Seine Macht ist ewig und vergeht nicht, und sein Reich hat kein Ende.“ (Daniel 7,13-14) Daniel hat es voraus­gesagt, und Jesus hat es bestätigt: Jesus wird bei seinem sichtbaren Wieder­kommen am Himmel erscheinen. Eine Wolkendecke wird aufreißen, und alle werden ihn sehen. Es wird so sein wie Himmelfahrt rückwärts; wir erinnern uns daran, was Engel nach Jesu Himmelfahrt sagten: „Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wieder­kommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen“ (Apostel­gesch. 1,11). Dann wird unsere Erde schon nicht mehr die gewohnte Gestalt haben, die wir jetzt kennen, sondern dann wird unsere materielle Welt bereits völlig verändert sein, wie wir es uns überhaupt nicht vorstellen können. Anders ist es nicht möglich, dass alle Menschen an allen Stellen der Erdkugel Jesus gleich­zeitig am Himmel erblicken. Insofern dürfen wir auch die Worte „Himmel“ und „Wolken“ und was dann noch folgt nicht physi­kalisch verstehen. Wir müssen uns vielmehr bewusst machen, dass Christus hier mit Worten und Bildern der uns vertrauten Welt etwas aussagt, was eigentlich keinerlei Ähnlichkeit mit vertrauten Dingen hat. Darum lässt Jesus auch offen, wie er denn genau aussehen wird bei seinem Wieder­kommen. Er deutet nur an, dass er eindeutig erkennbar sein und mit wunderbarer Herrlich­keit wieder­kommen wird. Er redet nämlich vom „Zeichen des Menschen­sohns am Himmel“ – damit ist kein Symbol gemeint wie etwa das Kreuz­zeichen, sondern damit ist gemeint, dass er sich dann als der zeigen will, dem alle Macht im Himmel und Erden gegeben ist. Man könnte statt „Zeichen des Menschen­sohns“ auch „wunderbare Erscheinung des Menschen­sohns“ sagen.

Dritte Phase: Die Engel sammeln Gottes Aus­erwählte. Jesus sagte: „Und er wird seine Engel senden mit hellen Posaunen, und sie werden seine Aus­erwählten sammeln von den vier Widen, von einem Ende des Himmesl bis zum andern.“ Wird also am Jüngsten Tag ein himmlischer Posaunen­chor Musik machen? Nein, das ist hier nicht gemeint – so sehr uns diese Vorstellung auch behagen könnte, dass wir dann etwa festliche Bläser­klänge aus Bachs Weihnachts­oratorium zu hören bekommen. Die Posaune war ur­sprünglich kein Musik­instrument, sondern vielmehr ein Signal­instrument, so wie heutzutage eine Sirene. Im Alten Israel wurde das Volk mit Posaunen­tönen zusammen­gerufen – etwa, um das Land bei feindliche Angriffen zu verteidigen oder um sich bei Festen zu versammeln. Genauso müssen wir die Posaunen­töne der Engel am Jüngsten Tag verstehen: Gott sendet seine himmlischen Boten mit Signal­instrumen­ten aus, damit alle, die zu seinem Volk gehören, zum letzten und größten Fest zusammen­kommen: dem himmlischen Hochzeits­fest, dem Fest der ewigen Seligkeit. Das wird dann das absolute Gegenteil von Diaspora sein. Da sind es dann nicht mehr zwei oder drei oder ein Dutzend, die sich in Jesu Namen versammeln, sondern da wird das Wirklichkeit werden, was Johannes voraus­geschaut und im Buch der Offenbarung voraus­gesagt hat: „Ich sah eine große Schar, die niemand zählen konnte, aus allen Nationen und Stämmen und Völkern und Sprachen; die …. riefen mit großer Stimme: Das Heil ist ist bei dem, der auf dem Thron sitzt, unserm Gott, und dem Lamm!“ (Offb. 7,9‑10). Eia, wärn wir da! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2012.

Autor: Pastor Matthias Krieser

SOLI DEO GLORIA!

PREDIGTKASTEN

►  Startseite

►  Impressum