Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Nicht jede „Verbesserung“ ist eine Verbesserung: Mitunter kommt eine „Verschlimmbesserung“ heraus, wie manche es nennen. Das gibt es sogar in der Bibel, genauer: in der überarbeiteten Lutherbibel. Da beginnt das Wort unsers Herrn, das wir hier bedenken, nämlich so: „Wie der Blitz ausgeht vom Osten und leuchtet bis zum Westen…“ Martin Luther dagegen hatte ursprünglich wörtlicher übersetzt, und zwar so: „Wie der Blitz ausgeht vom Aufgang und leuchtet bis zum Niedergang…“ Nun meint das Wort „Aufgang“ an vielen Bibelstellen tatsächlich den Sonnenaufgang und die entsprechende Himmelsrichtung, also den Osten, und das Wort „Niedergang“ meint an vielen Stellen den Sonnenuntergang beziehungsweise den Westen. Aber gerade in dem Satz unseres Predigttextes trifft das nicht zu, und deshalb ist die revidierte Übersetzung eine Verschlimmbesserung. Es gibt nämlich keine Blitze, die sich von Osten nach Westen über den ganzen Himmel spannen; gemeint ist vielmehr der „Aufgang“ des Blitzes, also sein Aufleuchten, und dann sein „Untergang“, also sein Verlöschen. Darum noch einmal richtig in etwas freierer Übersetzung: „Wie ein Blitz plötzlich aufleuchtet und dann ebenso plötzlich wieder verlischt, so wird auch das Kommen des Menschensohns sein.“ Ja, genauso klar und eindeutig wie ein Blitz wird das Wiederkommen des Herrn Jesus Christus am Jüngsten Tag sein: Niemand wird es übersehen oder wegdiskutieren können, sondern wie ein Blitz unvermutet den Himmel hell macht, so werden dann alle Menschen den Herrn in seiner Herrlichkeit sehen. Das zweite Bildwort bedeutet dasselbe: „Wo das Aas ist, da sammeln sich die Geier.“ In Afrika kann man das öfters noch beobachten: Wenn auf einer Landstraße ein Tier überfahren wurde und tot daliegt, dann dauert es nicht lange und es kommen von allen Seiten Geier. Sie machen sich über den Kadaver her, und kaum eine Stunde später sind nur noch Knochen übrig. Auch das war zu Jesu Zeiten unübersehbar und eindeutig: Wo in freier Natur ein Aas lag, ein totes Tier, da fanden sich garantiert in Kürze die Geier ein. Wir merken: In beiden Bildworten geht es um die Eindeutigkeit von Jesu Wiederkommen.
In der Adventszeit denken wir gleich dreifach an Jesu Kommen: erstens an seine Ankunft in der Vergangenheit mit der Christgeburt in Bethlehem, zweitens an seine Ankunft in der Gegenwart durch den Heiligen Geist mit Wort und Sakrament, drittens an sein Wiederkommen am Jüngsten Tag. Mit den beiden Sätzen seiner Endzeitrede, die wir hier betrachten, führt Jesus deutlich vor Augen: Das Besondere bei seinem Wiederkommen, also bei seinem zukünftigen Advent, wird sein, dass er mit sichtbarer göttlicher Herrlichkeit kommen wird. Beim Advent der Vergangenheit war seine göttliche Herrlichkeit verborgen unter Armut und unter der Hilflosigkeit eines Neugeborenen. Beim Advent der Gegenwart ist seine göttliche Herrlichkeit verhüllt von menschlichen Worten und von irdischen Elementen wie Wasser, Wein und Brot. Aber bei seinem Advent der Zukunft wir seine göttliche Herrlichkeit so klar zutage treten wie ein Blitz am Nachthimmel und wie ein Schwarm Geier bei einem Aas.
Warum hat Jesus das so betont? Und warum ist diese Information für uns wichtig?
Erstens ist sie wichtig, damit wir nicht von falschen Propheten verführt werden. Immer wieder hat es das in der Geschichte der Christenheit gegeben, dass Leute auftraten und sagten: Jetzt ist Christus wiedergekommen! Die Zeugen Jehovas verknüpften dieses Ereignis mit dem Jahr 1914, und der koreanische Sektenführer San Myung Mun behauptete sogar, er selbst sei der zurückgekehrte Christus in Person. Er ist übrigens in diesem Jahr gestorben, und um seine sogenannte Vereinigungskirche ist es still geworden. Lassen wir uns also nicht irremachen; Christus hat es ganz klar gesagt: Wenn es wirklich so weit ist, dass er wiederkommt, dann werden das alle Menschen mitbekommen; dann wird allen ohne jeden Zweifel klar sein: Das ist er wirklich – Jesus Christus, der eingeborene Gottessohn.
Zweitens ist diese Information wichtig, weil manche das Wiederkommen des Herrn irrtümlich rein spirituell deuten. Einige sagen: Immer wenn Jesus ins Herz eines Menschen einzieht, dann kommt er wieder. Und sie hoffen, wenn das bei genügend vielen Menschen der Fall ist, dass dann in ihrer Gemeinschaft ein Reich der Liebe entsteht, das der verheißenen Seligkeit entspricht. Es sind gar nicht wenige, die auf so einen Himmel auf Erden hoffen und die dann auch meinen, wir könnten und müssten ihn selbst herbeiführen. Nun ist es ja durchaus richtig, dass Jesus heute und zu allen Zeiten in menschliche Herzen einkehrt, aber das ist sein gegenwärtiger Advent, der nicht mit dem zukünftigen Advent verwechselt werden darf. Auch wenn Gottes Reich schon heute mit seinem Wort und Sakrament unter uns gegenwärtig ist und wächst, so ist es doch noch immer verborgen und noch immer durchmischt von Sünde und Leid und Anfechtung. Das wird schlagartig anders werden, wenn Jesus sichtbar wiederkommen wird – so plötzlich und so klar wie ein Blitz am Nachthimmel oder wie ein Schwarm Geier beim Aas. Dann wird es keine Sünde mehr geben und kein Leid und auch kein Sterben mehr; dann wird Gottes Reich unverhüllt anbrechen – in einer völlig anderen Weise. Auch wir selbst, unsere Körper und Seelen, werden dann verwandelt und erneuert sein, wie der Apostel Paulus den Korinthern geschrieben hat: „Es wird gesägt in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit“ (1. Kor. 15,43).
Drittens ist diese Information wichtig, damit wir stets bereit sind für das Wiederkommen unsers Herrn. Das ist ja ein großes und ständig wiederkehrendes Thema in Jesu Predigten: dass wir beten und wachen sollen; dass wir unsere Lenden umgürtet und unsere Lampen am Brennen halten sollen; dass wir wie der kluge Knecht stets mit der Rückkehr des Hausherrn rechnen sollen; dass wir im Glauben nicht nachlassen und nicht müde werden sollen – und was es sonst noch alles für ähnliche Ermahnungen gibt. Stets kommt es darauf an, dass wir bereit bleiben für Jesu Wiederkommen. Und wenn es dann soweit ist, werden wir es nicht übersehen können; wir können es auch nicht hinauszögern. Aber wir können uns angewöhnen, oft daran zu denken und stets damit zu rechnen. Es ist etwa so wie bei Notfallplänen, zum Beispiel für den Fall, dass in einem Gebäude ein Feuer ausbricht: Auch wenn man das noch nie erlebt hat und es sich kaum vorstellen kann, sollte man doch darauf vorbereitet sein, um im rechten Moment zu wissen, was zu tun ist. So stellen sich alle wahren Christen seit der Zeit der Apostel darauf ein, dass der Herr plötzlich und unvermutet wiederkommt: Sie werden dann vor ihm niederfallen und ihn als ihren König anbeten. Vielleicht schiebt die Hausfrau gerade einen Kuchen in den Backofen, da wird es ganz hell, und Christus kommt wieder. Oder der Schüler sitzt über den Hausaufgaben, da wird es ganz hell, und Christus kommt wieder. Oder der Fernsehtechniker richtet eine Satellitenantenne aus, da wird es ganz hell, und Christus kommt wieder. Auf alle Fälle wird es so sein, dass die Menschen gerade mit ihren ganz normalen Tätigkeiten beschäftigt sind, und dann geschieht das völlig Außergewöhnliche – so klar und deutlich, wie ein Blitz in der Nacht aufleuchtet. Es ist wichtig, dieses Wissen über die Generationen hinweg wachzuhalten, damit die Generation, in der es dann wirklich geschieht, auch Bescheid weiß. Und es ist darüber hinaus für uns Heutige wichtig, selbst wenn Christus noch nicht zu unseren Lebzeiten wiederkommt, denn der Tod kann uns jederzeit plötzlich aus dieser Welt herausreißen, und danach finden wir uns ebenfalls an dem Tag wieder, an dem Jesus wiederkommt.
Liebe Brüder und Schwestern in Christus, manchen mag der Gedanke an den Jüngsten Tag und an das Wiederkommen des Herrn erschrecken. Die Bilder, mit denen Jesus das vorausgesagt hat, sind ja auch nicht gerade friedliche und beruhigende Bilder: die Geier, die sich über dem Aas sammeln, und der Blitz, der grell aufleuchtet. Jesus hat durchaus nicht abgestritten, sondern vielmehr betont, dass der Jüngste Tag erschreckend sein wird. Aber wenn wir Jesus als unsern Heiland kennengelernt haben, dann wird die Freude den Schrecken überwiegen. Wir werden dann nicht den Menschen gleichen, die im Gewitter bei jedem Blitz ängstlich zusammenzucken, sondern jenen Menschen, die dieses Naturschauspiel interessiert und ehrfürchtig bestaunen. Denn wir können ja schon heute gewiss sein: Der Herr, der zu unserm Heil gekommen ist, und der Herr, der uns in seinem Wort und Sakrament immer wieder heilend aufsucht, der wird einst wiederkommen, um unser Heil zu vollenden und uns an das herrliche Ziel zu führen, das er uns versprochen hat. Amen.
PREDIGTKASTEN |