Eindeutig wie ein Blitz

Predigt über Matthäus 24,27‑28 zum 2. Advent

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Nicht jede „Ver­besserung“ ist eine Ver­besserung: Mitunter kommt eine „Verschlimm­besserung“ heraus, wie manche es nennen. Das gibt es sogar in der Bibel, genauer: in der über­arbeiteten Luther­bibel. Da beginnt das Wort unsers Herrn, das wir hier bedenken, nämlich so: „Wie der Blitz ausgeht vom Osten und leuchtet bis zum Westen…“ Martin Luther dagegen hatte ur­sprünglich wörtlicher übersetzt, und zwar so: „Wie der Blitz ausgeht vom Aufgang und leuchtet bis zum Nieder­gang…“ Nun meint das Wort „Aufgang“ an vielen Bibel­stellen tatsächlich den Sonnen­aufgang und die ent­sprechende Himmels­richtung, also den Osten, und das Wort „Nieder­gang“ meint an vielen Stellen den Sonnen­untergang beziehungs­weise den Westen. Aber gerade in dem Satz unseres Predigt­textes trifft das nicht zu, und deshalb ist die revidierte Übersetzung eine Verschlimm­besserung. Es gibt nämlich keine Blitze, die sich von Osten nach Westen über den ganzen Himmel spannen; gemeint ist vielmehr der „Aufgang“ des Blitzes, also sein Auf­leuchten, und dann sein „Unter­gang“, also sein Verlöschen. Darum noch einmal richtig in etwas freierer Über­setzung: „Wie ein Blitz plötzlich aufleuchtet und dann ebenso plötzlich wieder verlischt, so wird auch das Kommen des Menschen­sohns sein.“ Ja, genauso klar und eindeutig wie ein Blitz wird das Wieder­kommen des Herrn Jesus Christus am Jüngsten Tag sein: Niemand wird es übersehen oder weg­diskutieren können, sondern wie ein Blitz unvermutet den Himmel hell macht, so werden dann alle Menschen den Herrn in seiner Herrlich­keit sehen. Das zweite Bildwort bedeutet dasselbe: „Wo das Aas ist, da sammeln sich die Geier.“ In Afrika kann man das öfters noch beobachten: Wenn auf einer Landstraße ein Tier überfahren wurde und tot daliegt, dann dauert es nicht lange und es kommen von allen Seiten Geier. Sie machen sich über den Kadaver her, und kaum eine Stunde später sind nur noch Knochen übrig. Auch das war zu Jesu Zeiten un­überseh­bar und eindeutig: Wo in freier Natur ein Aas lag, ein totes Tier, da fanden sich garantiert in Kürze die Geier ein. Wir merken: In beiden Bildworten geht es um die Eindeutig­keit von Jesu Wieder­kommen.

In der Adventszeit denken wir gleich dreifach an Jesu Kommen: erstens an seine Ankunft in der Vergangen­heit mit der Christ­geburt in Bethlehem, zweitens an seine Ankunft in der Gegenwart durch den Heiligen Geist mit Wort und Sakrament, drittens an sein Wieder­kommen am Jüngsten Tag. Mit den beiden Sätzen seiner Endzeit­rede, die wir hier betrachten, führt Jesus deutlich vor Augen: Das Besondere bei seinem Wieder­kommen, also bei seinem zukünftigen Advent, wird sein, dass er mit sichtbarer göttlicher Herrlich­keit kommen wird. Beim Advent der Vergangen­heit war seine göttliche Herrlich­keit verborgen unter Armut und unter der Hilflosig­keit eines Neu­geborenen. Beim Advent der Gegenwart ist seine göttliche Herrlich­keit verhüllt von mensch­lichen Worten und von irdischen Elementen wie Wasser, Wein und Brot. Aber bei seinem Advent der Zukunft wir seine göttliche Herrlich­keit so klar zutage treten wie ein Blitz am Nachthimmel und wie ein Schwarm Geier bei einem Aas.

Warum hat Jesus das so betont? Und warum ist diese Information für uns wichtig?

Erstens ist sie wichtig, damit wir nicht von falschen Propheten verführt werden. Immer wieder hat es das in der Geschichte der Christen­heit gegeben, dass Leute auftraten und sagten: Jetzt ist Christus wieder­gekommen! Die Zeugen Jehovas verknüpften dieses Ereignis mit dem Jahr 1914, und der koreanische Sekten­führer San Myung Mun behauptete sogar, er selbst sei der zurück­gekehrte Christus in Person. Er ist übrigens in diesem Jahr gestorben, und um seine sogenannte Ver­einigungs­kirche ist es still geworden. Lassen wir uns also nicht irremachen; Christus hat es ganz klar gesagt: Wenn es wirklich so weit ist, dass er wieder­kommt, dann werden das alle Menschen mit­bekommen; dann wird allen ohne jeden Zweifel klar sein: Das ist er wirklich – Jesus Christus, der eingeborene Gottessohn.

Zweitens ist diese Information wichtig, weil manche das Wieder­kommen des Herrn irrtümlich rein spirituell deuten. Einige sagen: Immer wenn Jesus ins Herz eines Menschen einzieht, dann kommt er wieder. Und sie hoffen, wenn das bei genügend vielen Menschen der Fall ist, dass dann in ihrer Gemein­schaft ein Reich der Liebe entsteht, das der verheißenen Seligkeit entspricht. Es sind gar nicht wenige, die auf so einen Himmel auf Erden hoffen und die dann auch meinen, wir könnten und müssten ihn selbst herbei­führen. Nun ist es ja durchaus richtig, dass Jesus heute und zu allen Zeiten in menschliche Herzen einkehrt, aber das ist sein gegen­wärtiger Advent, der nicht mit dem zukünftigen Advent verwechselt werden darf. Auch wenn Gottes Reich schon heute mit seinem Wort und Sakrament unter uns gegenwärtig ist und wächst, so ist es doch noch immer verborgen und noch immer durchmischt von Sünde und Leid und Anfechtung. Das wird schlagartig anders werden, wenn Jesus sichtbar wieder­kommen wird – so plötzlich und so klar wie ein Blitz am Nachthimmel oder wie ein Schwarm Geier beim Aas. Dann wird es keine Sünde mehr geben und kein Leid und auch kein Sterben mehr; dann wird Gottes Reich unverhüllt anbrechen – in einer völlig anderen Weise. Auch wir selbst, unsere Körper und Seelen, werden dann verwandelt und erneuert sein, wie der Apostel Paulus den Korinthern geschrieben hat: „Es wird gesägt in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlich­keit“ (1. Kor. 15,43).

Drittens ist diese Information wichtig, damit wir stets bereit sind für das Wieder­kommen unsers Herrn. Das ist ja ein großes und ständig wieder­kehrendes Thema in Jesu Predigten: dass wir beten und wachen sollen; dass wir unsere Lenden umgürtet und unsere Lampen am Brennen halten sollen; dass wir wie der kluge Knecht stets mit der Rückkehr des Hausherrn rechnen sollen; dass wir im Glauben nicht nachlassen und nicht müde werden sollen – und was es sonst noch alles für ähnliche Ermahnungen gibt. Stets kommt es darauf an, dass wir bereit bleiben für Jesu Wieder­kommen. Und wenn es dann soweit ist, werden wir es nicht übersehen können; wir können es auch nicht hinaus­zögern. Aber wir können uns angewöhnen, oft daran zu denken und stets damit zu rechnen. Es ist etwa so wie bei Notfall­plänen, zum Beispiel für den Fall, dass in einem Gebäude ein Feuer ausbricht: Auch wenn man das noch nie erlebt hat und es sich kaum vorstellen kann, sollte man doch darauf vorbereitet sein, um im rechten Moment zu wissen, was zu tun ist. So stellen sich alle wahren Christen seit der Zeit der Apostel darauf ein, dass der Herr plötzlich und unvermutet wieder­kommt: Sie werden dann vor ihm nieder­fallen und ihn als ihren König anbeten. Vielleicht schiebt die Hausfrau gerade einen Kuchen in den Backofen, da wird es ganz hell, und Christus kommt wieder. Oder der Schüler sitzt über den Haus­aufgaben, da wird es ganz hell, und Christus kommt wieder. Oder der Fernseh­techniker richtet eine Satelliten­antenne aus, da wird es ganz hell, und Christus kommt wieder. Auf alle Fälle wird es so sein, dass die Menschen gerade mit ihren ganz normalen Tätigkeiten beschäftigt sind, und dann geschieht das völlig Außer­gewöhnliche – so klar und deutlich, wie ein Blitz in der Nacht auf­leuchtet. Es ist wichtig, dieses Wissen über die Gene­rationen hinweg wach­zuhalten, damit die Generation, in der es dann wirklich geschieht, auch Bescheid weiß. Und es ist darüber hinaus für uns Heutige wichtig, selbst wenn Christus noch nicht zu unseren Lebzeiten wieder­kommt, denn der Tod kann uns jederzeit plötzlich aus dieser Welt heraus­reißen, und danach finden wir uns ebenfalls an dem Tag wieder, an dem Jesus wieder­kommt.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, manchen mag der Gedanke an den Jüngsten Tag und an das Wieder­kommen des Herrn er­schrecken. Die Bilder, mit denen Jesus das voraus­gesagt hat, sind ja auch nicht gerade friedliche und beruhigende Bilder: die Geier, die sich über dem Aas sammeln, und der Blitz, der grell auf­leuchtet. Jesus hat durchaus nicht ab­gestritten, sondern vielmehr betont, dass der Jüngste Tag er­schreckend sein wird. Aber wenn wir Jesus als unsern Heiland kennen­gelernt haben, dann wird die Freude den Schrecken überwiegen. Wir werden dann nicht den Menschen gleichen, die im Gewitter bei jedem Blitz ängstlich zusammen­zucken, sondern jenen Menschen, die dieses Natur­schauspiel interes­siert und ehrfürchtig bestaunen. Denn wir können ja schon heute gewiss sein: Der Herr, der zu unserm Heil gekommen ist, und der Herr, der uns in seinem Wort und Sakrament immer wieder heilend aufsucht, der wird einst wieder­kommen, um unser Heil zu vollenden und uns an das herrliche Ziel zu führen, das er uns versprochen hat. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2012.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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