Mit was für Glauben man beten soll

Predigt über Matthäus 21,18‑22 zum Sonntag Rogate

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Sportler sind gläubige Menschen. Auch wenn sie nicht an Gott glauben, so glauben die meisten von ihnen doch fest daran, dass sie gewinnen werden. Wenn ein paar tausend Leute an einem Marathon­lauf teil­nehmen, dann glaubt mindestens ein Dutzend von ihnen: Ich werde gewinnen! Auch außerhalb des Sports ist diese Lebens­philoso­phie weit ver­breitet: Man muss nur fest an etwas glauben, dann schafft man es auch! Da ist was dran. Wer sich mit ganzem Eifer einer Aufgabe hingibt und fest daran glaubt, dass er sie schafft, der hat bessere Chancen als einer, der sagt: Das schaff ich nie!

Jesus scheint diese Erkenntnis zu be­stätigen, wenn er sagt: „Wenn ihr glaubt, werdet ihr's emp­fangen.“ Allerdings kommen da sogleich Zweifel auf. Kann diese Zusage wirklich so allgemein gelten: „Alles, was ihr bittet im Gebet, wenn ihr glaubt, werdet ihr's emp­fangen“? Was ist, wenn von den tausend Marathon­läufern auch nur zwei um den Sieg beten und fest daran glauben? Es kann doch nur einer von den beiden gewinnen. Wenn man Ge­schichten hört von Leuten, die fest an etwas geglaubt haben, dann sind es fast immer Ge­schichten von Siegern; von den zweiten und von den Ver­lierern, die ebenfalls fest an den Sieg geglaubt haben, hört man selten etwas. Und abgesehen vom Sport – wie ist das mit dem Beispiel, das Jesus aus­drücklich nennt: „Wenn ihr zu diesem Berge sagt: Heb dich und wirf dich ins Meer!, so wird's ge­schehen.“ Wirklich? Kann ich durch bloßes Selbst­vertrauen die Rauener Berge in den Schar­mützel­see werfen? Das ist doch absurd! Oder auch das, was Jesus als Wunder vorgemacht hat: Er hat einen Feigen­baum, an dem er keine Früchte fand, in kürzester Zeit ver­trocknen lassen. Als seine Jünger sich darüber wunderten, sagte er ihnen: „Wenn ihr Glauben habt und nicht zweifelt, so werdet ihr nicht allein Taten wie die mit dem Feigenbaum tun!“ Wir können natürlich einwenden: Bäume ver­trocknen lassen und Berge ins Meer werfen, das will doch sowieso keiner. Was ist aber, wenn ein Schiff bei Sturm in Seenot gerät und ein Passagier in Todesangst um Bewahrung betet? Kann er sicher sein, dass seine Zuversicht ihm das Leben retten wird? Verließe sich der Schiff­brüchige in dieser Situation wirklich auf seine Glaubens­kraft, dann wäre das so, als wollte ich ein Schiff fest­machen, indem ich es an ihm selbst festbinde! Wir wissen: Ein Schiff kann man nur dann fest­machen, wenn man es an etwas anderem, festen anbindet. Ebenso­wenig rettet Selbst­vertrauen aus einer Gefahr, auf die der Mensch keinen Einfluss hat; die Rettung muss vielmehr von außen kommen.

Wenn Jesus hier vom Glauben redet, dann meint er nicht die Zu­versicht: Ich werde es schon schaffen! Solches Selbst­vertrauen, solcher psycho­logische Glaube kann in bestimmten Situatio­nen zwar einen positiven Einfluss haben, kommt aber schnell an seine Grenzen. Jesus meint nicht den psycho­logischen Glauben, sondern den christ­lichen Glauben! Beide haben mit­einander ebenso­wenig zu tun wie ein Schaukel­pferd mit einem echten Pferd. Das Besondere am christ­lichen Glauben finden wir im aller­letzten Wort, das Jesus in diesem Zusammen­hang gesagt hat: „… wenn ihr glaubt, so werdet ihr's emp­fangen.“ Der christ­liche Glaube ist ein emp­fangender Glaube. Er empfängt Gaben, die von einem Geber kommen. Gott ist der Geber, der Glaubende ist der Nehmer. Damit wird klar: Der christ­liche Glaube ist kein Selbst­vertrauen, sondern eine vertrauens­volle Beziehung zu Gott, dem Geber aller guten Gaben. Jesus selbst hat den Grund gelegt für diese Beziehung: Er hat unsere Schuld gesühnt und uns mit dem Vater im Himmel versöhnt. Darum bitten wir auch im Namen Jesu, wenn wir beten. Wir wenden uns vertrauens­voll an den Geber aller guten Gaben, weil wir wissen, dass er uns nicht böse ist, sondern durch Jesus liebevoll als seine Kinder angenommen hat.

So, nun verstehen wir besser, was Jesus meinte, als er sagte: „Alles, was ihr bittet im Gebet, wenn ihr glaubt, so werdet ihr's emp­fangen.“ Nicht unsere Glaubens­kraft bewirkt das Erbetene, sondern Gott schenkt es uns. Er kann wirklich alles schenken, denn er ist all­mächtig. Wenn Gott will, kann er jeden Menschen einen Marathon­lauf gewinnen lassen, jeden Baum in Nu ver­trocknen lassen, jeden Berg in jedes Gewässer werfen und jeden Schiff­brüchigen vor dem Ertrinken retten. Die Frage ist nur: Will er das alles? Was will er denn? Und was sollten wir von ihm erbitten? Wenn jemand bei einem schweren Seesturm in Todes­gefahr zu Gott ruft, dann ist das gut und sinnvoll – darüber sind wir uns wohl alle einig. Wenn jemand die Rauener Berge in den Schar­mützel­see befördern möchte, damit es schön platscht, dann ist das unsinnig – auch darauf können wir uns einigen. Wie sinnvoll ist es aber, beim Marathon­lauf Erster zu werden? Da werden die Meinungen aus­einander­gehen. Und warum hat Jesus den Feigenbaum ver­trocknen lassen, was ist dabei der Sinn? Weil er sich darüber geärgert hat, dass er keine Feigen von ihm ernten konnte? Soll das sinnvoll sein: einen Baum ver­trocknen lassen, weil man sich über ihn geärgert hat?

Wir merken: Diese biblische Geschichte ist echt schwierig. Wenn wir sonst im Neuen Testament von Jesu Wundern hören, dann sind das fast immer Er­eignisse, bei denen er Menschen heilte oder sonstwie half. Die Sache mit dem Feigenbaum ist das einzige „Straf­wunder“ Jesu, wenn man es so bezeichnen will. Allerdings müssen wir auch bei diesem Wunder beachten, wie Jesu Wunder durch­gängig genannt werden: „Zeichen“ werden sie in der Bibel genannt. Das bedeutet: Ihr Hauptsinn liegt darin, uns etwas zu zeigen. So wollte Jesus seinen Jüngern damals auch durch den Feigenbaum etwas zeigen, und ebenso uns Jüngern heute. Und was will er zeigen? Es heißt: „Er fand daran nichts als Blätter.“ Gesucht hatte er Früchte, aber die fand er nicht. Von anderen Bibel­stellen wissen wir, dass wir den Glauben mit einem Obstbaum ver­gleichen können, der gute Früchte trägt. Das bedeutet: Der Glaubende fragt nach dem, was Jesus sucht, und tut dann genau das. Er bringt sogenannte Glaubens­frucht hervor. Da finden wir eine gute Antwort auf unsere Frage, worum wir denn sinnvoller­weise beten sollen und worum nicht. Wenn wir beten, sollen wir uns überlegen, was Jesus haben will, was er bei uns sucht. Jesus aber sucht nichts anderes als den Willen seines Vaters. Darum heißt es in dem einen Gebet, das alle sinnvollen Gebete zusammen­fasst: „Dein Wille geschehe.“ Alles Unsinnige und alles, was nur der eigenen Eitelkeit schmei­chelt, fällt damit weg.

Aber das Zeichen vom Feigenbaum zeigt noch mehr, zeigt Er­schrecken­des: Wenn ein Baum keine Frucht bringt, dann lässt Jesus ihn ver­trocknen! Ohne Bild: Wer keinen Glauben hat und somit auch keine Glaubensfrucht bringt, der verliert das ewige Leben. Ja, genauso hat Jesus es immer wieder gepredigt, mit und ohne Gleichnis. Die Frage ist nur: Haben wir solchen Glauben? Haben wir einen Glauben, der als gute Frucht all das hervor­bringt, was Jesus gefällt? Einen Glauben, der nicht daran zweifelt, dass Gott ihm alles gibt, worum er bittet? Wer hat schon solchen Glauben? Viele sagen traurig: So einen Glauben habe ich nicht; ich wünschte, ich hätte ihn.

Wenn jemand so fragt, dann ist er gerade mit dieser Frage ganz dicht am Willen Gottes. Gott will, dass alle Menschen glauben und gerettet werden. Und daraus ergibt sich: Zualler­erst sollten wir um den Glauben selbst bitten und um den Heiligen Geist, der uns den Glauben ins Herz legt. Wenn du glauben willst und nicht kannst, dann solltest du nach biblischen Vorbild bitten: „Ich glaube, hilf meinem Un­glauben!“ (Markus 9,24). Gott wird dir dann den rechten christ­lichen Glauben schenken – du wirst von ihm empfangen, worum du gebeten hast. Diese Gabe ist dann in der Tat ein großes Wunder, denn kein Mensch kann solchen Glauben in sich selbst erzeugen. Es ist eher möglich, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht oder dass die Rauener Berge in den Schar­mützel­see fallen, als dass ein Mensch wie du und ich so glauben kann, wie die Bibel es fordert. Aber genau das geschieht: Gott schenkt uns den erbetenen Glauben, Gott lässt das Wunder wahr werden! Er schenkt uns den Glauben und er erhält ihn uns, sodass wir mit diesem Glauben ewig selig werden.

Jesus sagte: „Alles, was ihr bittet im Gebet, wenn ihr glaubt, werdet ihr's emp­fangen.“ Martin Luther hat diesen Satz einmal kurz ausgelegt, und diese Auslegung möchte ich euch zum Schluss vorlesen: „Dieses Wort muss man Gott vor die Nase halten und sagen: Mein Gott Himmels und der Erde, du hast uns geboten zu glauben, dass eine Bitte erhört wird, wenn sie im Namen Christi, deines lieben Sohnes, geschieht. Daraufhin bitte ich und verlasse mich darauf, dass du mich nicht fallen lässt, sondern mir einen rechten Glauben gibst, dass wirklich alles geschieht, was ich um Jesu willen bitte. Auch soll man das ganze Leben Gott um eine selige Sterbe­stunde bitten. Amen.“

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2011.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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