Die letzte Etappe

Predigt über Matthäus 24,1‑14 zum 2. Advent

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wenn ihr im Urlaub verreist, besichtigt ihr dann gern alte Kirchen? Ich muss gestehen: Ich tue das nicht so gern, ebensowenig meine Frau. Ich habe deswegen aber kein schlechtes Gewissen. Auch Jesus hatte kein besonderes Interesse daran gehabt, heilige Bauwerke zu be­sichtigen. Als er sich mit seinen Jüngern mehrere Tage lang in Jerusalem aufhielt, da mussten sie ihn direkt nötigen, sich den Tempel mal etwas aus­führlicher an­zuschauen. Nachdem Jesus einen ganzen Tag lang in der heiligen Stätte gepredigt hatte, heißt es von ihm beim Evan­gelisten Matthäus: „Als Jesus gerade im Begriff war, den Tempel zu verlassen, traten seine Jünger an ihn heran und wollten ihm die Tempel­anlage zeigen.“ Jesus schien sich aus diesem Sightseeing-Programm aber nichts zu machen; er sagte bloß: „Es wird hier nicht ein Stein auf dem andern bleiben, der nicht zerbrochen wird.“ Offenbar interes­sierte sich Jesus für die Zukunft des Tempels wesentlich mehr als für seine kunst­historische Gegenwart und seine Vergangen­heit.

Dieses Wort Jesu wird oft darauf bezogen, dass die Römer etwa vierzig Jahre später Jerusalem und den Tempel dem Erdboden gleich machten. Das ist sicher nicht falsch, aber ich denke, damit ist noch nicht alles gesagt. Es ist offensichtlich, dass bei der Zerstörung Jerusalems durch die Römer durchaus noch ein paar Tempel­steine über­einander geblieben sind; zum Beispiel die Steine der sogenannten Klagemauer, die bis zum heutigen Tag in Jerusalem steht. Jesus hat aber gesagt: „Es wird hier nicht ein Stein auf dem andern bleiben.“ Wenn man das nicht nur so als Redensart versteht, dann muss Jesus noch eine andere Zerstörung Jerusalems gemeint haben, eine noch viel gewalti­gere. Und wenn man auf die Predigt Jesu achtet, die im selben Kapitel des Matthäus-Evangeliums überliefert ist, dann stellen wir fest: Es muss die Zerstörung Jerusalems am Jüngsten Tag gemeint sein, an dem diese Stadt zusammen mit der ganzen Welt vergehen wird. Da kommen wir Heutigen nun mit ins Bild, denn dieses Ereignis steht uns ja noch ebenso bevor, wie es Jesu Jüngern damals bevorstand. Auch mögen uns dieselben Fragen unter den Nägeln brennen, die die Jünger dem Herrn damals stellten. Sie baten Jesus: „Sage uns, wann wird das geschehen? Und was wird das Zeichen sein für dein Kommen und für das Ende der Welt?“ Ja, wann ist es denn so weit mit dem Jüngsten Tag? Und woran können wir erkennen, dass er wirklich kommt?

Jesus beantwortet diese Fragen mit einer längeren Predigt, deren ersten Teil wir eben mit dem Predigttext gehört haben. Er nennt zwar keine Zeitspanne und kein Datum; wir erinnern uns an seine Aussage an anderer Stelle: Der Jüngste Tag wird unverhofft kommen wie ein Dieb in der Nacht. Aber Jesus nennt eine Reihe von Ereig­nissen, die dem Jünsten Tag vorausgehen und ihn ankündigen, so wie Wehen einer Geburt vorausgehen und sie ankündigen. Es geht gewisser­maßen um die letzte Etappe vor dem Jüngsten Tag, die sogenannte „Endzeit“ beziehungs­weise die „letzten Tage“.

Bei den von Jesus genannten Zeichen der Endzeit fällt nun auf, dass es mehrere negative Ereignisse sind. Es handelt sich um geradezu er­schreckende Ereignisse, denen eigentlich nur eine einzige positive Sache gegenüber steht.

Sehen wir uns zunächst die negativen Ereignisse an. Jesus sagte: „Ihr werdet hören von Kriegen und Kriegs­geschrei…“ Ja, genau das hat es seitdem gegeben und gibt es bis zum heutigen Tag. In Afghanistan und im Irak kommen die Waffen nicht zur Ruhe. Nordkorea und die Taliban tönen immer wieder mit lautem Kriegs­geschrei, mit Hass-Propaganda gegen ihre Feinde. Jesus sagte auch: „Es wird sich ein Volk erheben gegen das andere und ein Königreich gegen das andere.“ Genau das hat es seitdem gegeben und gibt es bis zum heutigen Tage. Dabei steht heute die wirtschaft­liche Vor­herrschaft im Mittelpunkt des Interesses: Deutschland brüstet sich, Export-Weltmeister zu sein. China ist auf dem Vormarsch. Internatio­nale Konzerne spielen national­staatliche Interessen gegen­einander aus, um ihre eigenen Imperien zu stärken. Internet­firmen kontrol­lieren mit raffi­nierter Software die halbe Welt. Jesus sagte auch: „Es werden Hungersnöte sein und Erdbeben hier und dort.“ Genau das hat es seitdem gegeben und gibt es bis zum heutigen Tage. Denken wir nur an den Hunger in vielen Entwicklungs­ländern und Krisen­gebieten der Erde. Denken wir auch an die beiden schweren Erdbeben in diesem Jahr, an die Beben auf Haiti und in Chile.

Auch im Umfeld der Jünger wird sich das Ende durch er­schreckende Ereignisse ankündigen, in der Christen­heit also. Jesus sagte: „Es werden viele kommen unter meinem Namen und sagen: Ich bin der Christus, und sie werden viele verführen.“ Genau das hat es seitdem gegeben und gibt es bis zum heutigen Tage. So lebt noch heute der Begründer der sogenannten Vereinigungs­kirche, der Koreaner Mun, der von sich selbst behauptet: „Ich bin der Messias!“ Viele andere haben das in den vergangenen 2000 Jahren schon vor ihm behauptet, und Unzählige mehr haben durch einen autoritären göttlichen Anspruch andere Menschen hörig gemacht. Jesus sagte auch: „Sie werden euch der Bedrängnis preisgeben und euch töten. Und ihr werdet gehasst werden um meines Namens willen.“ Genau das hat es seitdem gegeben und gibt es bis zum heutigen Tage. Seit Jesu Erdentagen hat es kein Jahrhundert ohne Christen­verfolgung gegeben. Noch heute werden im Sudan und in anderen islamisti­schen Ländern Christen um ihres Glaubens willen ins Gefängnis geworfen, gefoltert und getötet. Und dass Christen manchmal wegen ihres Bekennt­nisses zur Wahrheit gehasst werden, das kann man sogar in unserem eigenen Land erleben. Jesus sagte auch: „Es werden viele abfallen und sich unter­einander verraten und werden sich unter­einander hassen. Und es werden sich viele falsche Propheten erheben und werden viele verführen. Und weil die Un­gerechtig­keit überhand nehmen wird, wird die Liebe in vielen erkalten.“ Genau das hat es seitdem gegeben und gibt es bis zum heutigen Tage. Es gibt Sekten­prediger sowie auch seriöse Theologen, die die Botschaft der Bibel verfälschen und damit viele Christen in die Irre führen; sie erweisen sich dadurch als „falsche Propheten“. Damit hängt auch die furchtbare Zer­splitterung der Kirche in viele Glaubensrichtungen zusammen. Selbst innerhalb einzelner Kirchen sind die Christen oft zer­stritten. Die Ungerechtig­keit nimmt überhand; Gottes Gebote werden von vielen nicht mehr ernst genommen, auch wenn sie sich Christen nennen. Andere ziehen sich innerlich oder auch äußerlich von ihrer Christen­gemeinde zurück; sie fallen ab. Von der brennenden Liebe früherer Christen­generatio­nen ist nur noch wenig zu spüren. Das alles erleben wir bis in unsere eigenen Reihen hinein.

All diese negativen Er­scheinungen sind von Jesus deutlich voraus­gesagt worden. Ihr Auftreten zeigt uns, dass Jesus die letzte Etappe der Welt bis zum Jüngsten Tag genau voraus­gesehen hat. Wer nicht seine Augen vor diesen Tatsachen ver­schließt, muss zugeben: Jesus hatte recht! Aber nun hat Jesus all diesen negativen Voraussagen eine positive Voraussage gegenüber­gestellt. Sie findet sich ganz am Ende dieses Rede­abschnitts. Jesus sagte: „Es wird gepredigt werden dies Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zum Zeugnis für alle Völker, und dann wird wird das Ende kommen.“ Auch das hat sich seitdem erfüllt und erfüllt sich bis zum heutigen Tage. Die Bibel ist – wenigstens teilweise – in mehr als 2000 Sprachen übersetzt worden. Auf allen Kontinenten gibt es Millionen von Menschen, die wie wir bekennen: Jesus ist mein Herr. Überall gibt es Kirch­gebäude und Ver­sammlungs­orte, wo verkündigt wird, dass alle, die an Jesus glauben, ewig leben werden. Seit zweitausend Jahren bekennen Christen der ver­schiedensten Volks­gruppen einmütig mit denselben Sätzen, dass Jesus gelitten hat, gekreuzigt wurde, auf­erstanden ist und am Ende wieder­kommen wird. Der Heilige Geist beruft noch heute Menschen aller Rassen, dass sie Evangeliums­boten werden und Hirten von Christi Herde. Das alles ist ein gewaltiges Zeugnis für Gottes Macht. Bedenken wir: Am Anfang war da nur eine ver­ängstigte Schar von Jüngern, kaum gebildet, nahezu mittellos, ohne Massen­kommu­nikations­mittel; trotzdem ist das Evangelium von ihnen ausgegangen und hat sich in der ganzen Welt aus­gebreitet. Wie Jesus es voraus­gesagt hat, so ist es gekommen.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, wir leben in der letzten Etappe der Welt­geschichte, in der Endzeit. Wir erfahren, dass alles so kommt, wie Jesus es voraus­gesagt hat – sowohl das Negative als auch das Posivite. Wir wissen dabei, dass die eine positive Sache schwerer wiegt als all das Negative zusammen­genommen: Das Evangelium von Jesus bringt ewige Seligkeit; die negativen Er­scheinungen aber bringen nur zeitlich begrenzt Trübsal und Leid. Das Evangelium stellt uns Jesus als Herrn und Sieger über alles Böse vor Augen; die Werke der Finsternis müssen endgültig vergehen, wenn die letzte Etappe der Welt­geschichte ihr Ende findet. Es ist so, wie der Apostel Paulus gesagt hat: „Ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlich­keit, die an uns offenbart werden soll“ (Römer 8,18). Darum brauchen uns die vielen negativen Zeichen der Endzeit nicht bange zu machen. Jesus sagte: „Seht zu und erschreckt nicht!“ Wichtig ist dabei, dass wir uns nicht irremachen lassen, sondern geduldig und einfältig an Christus und seinem Evangelium festhalten. Jesus sagte: „Seht zu, dass euch nicht jemand verführe!“ Also: Seht zu, dass ihr nicht irgend­welchen falschen Propheten auf den Leim geht, die die Worte der Bibel verdrehen oder in Frage stellen! Seht zu, dass ihr nicht mitgerissen werdet in dem Sog des Abfalls, der Sünde und der Lieb­losig­keit, der auch innerhalb der christ­lichen Gemeinden zu spüren ist! Es kommt nicht nur darauf an, dass ihr jetzt glaubt, sondern es kommt vor allem darauf an, dass ihr in diesem Glauben bleibt. Es kommt darauf an, dass ihr in der Taufgnade bleibt. Es kommt darauf an, dass ihr eurem Kon­firmations­versprechen treu bleibt. Es kommt darauf an, dass ihr nicht nur vom täglichen Brot lebt, sondern auch vom Wort Gottes und vom Lebensbrot Jesus Christus. Es kommt darauf an, dass ihr Christi Einladung zum Heiligen Abendmahl nicht vergesst; er hat ja gesagt: „Tut solches zu meinem Ge­dächtnis!“ Das Dranbleiben in dieser letzten und schweren Etappe lohnt sich, es hat eine große Verheißung! Christus sagte: „Wer beharrt bis ans Ende, der wird selig werden.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2010.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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