Vor dem Thron des Hirten, Königs und Richters

Predigt über Matthäus 25,31‑46 zum Vorletzten Sonntags des Kirchenjahres

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Das kann sich überhaupt keiner richtig vorstellen, wie das sein wird am Jüngsten Tag. Wie das sein wird, wenn Jesus wiederkommt in großer Herrlich­keit mit den Wolken des Himmels, und seine Engel mit ihm. Wie das sein wird, wenn alle Natur­gesetze ins Wanken kommen, wenn über­irdische Posaunen erschallen und die vormals Toten aus den Gräbern gekrochen kommen. Keiner kann sich vorstellen, wie der Thron des himmlischen Christus aussieht, vor dem sich dann alle zu ver­antworten haben im Jüngsten Gericht. Aber auch wenn wir es uns überhaupt nicht vorstellen können: Es ist wichtig, dass wir daran denken und uns darauf einstellen. Gott möchte, dass wir diesen Zielpunkt unseres Lebens im Auge behalten, dass wir bewusst auf ihn zuleben. Und weil Gott das möchte, hat er uns Menschen ein Gewissen gegeben, eine innere Stimme, die uns mahnt: Du musst dich einmal vor deinem Schöpfer ver­antworten! Und er hat die Ahnung von Gottes Gericht in die Herzen der aller­meisten Menschen gegeben, auch wenn sie falschen Religionen anhängen. Und er redet in seinem Wort, der Bibel, an vielen Stellen von diesem Jüngsten Gericht, sowohl im Alten als auch im Neuen Testament. Eine dieser Stellen ist dieses Wort unseres Herrn Jesus Christus, den wir als Predigttext gehört haben. Da hat Jesus das, was sich keiner richtig vorstellen kann, anschaulich gemacht, und führt uns mit Bildern und Vergleichen aus unserer Welt vor Augen, was im Jüngsten Gericht geschehen wird.

Er sagt: Das, was da geschehen wird, ist so ähnlich wie die Arbeit eines Kleinvieh-Hirten am Abend. Zunächst muss er die Tiere zusammen­bringen, die über eine größere Weide verstreut gefressen haben. Er treibt die Herde zusammen im Eingangs­bereich der Viehgatter und Stallungen. Und dann sortiert er die Herde: Schafe rechts, Ziegenböcke links. Denn Schafe und Ziegen weiden zwar zusammen, verbringen aber die Nacht in ver­schiedenen Stall­anlagen. So, sagt Jesus, werde ich es am Abend der Weltzeit machen, am Jüngsten Tag: Ich werde alle Menschen vor meinem Thron zusammen­bringen und sie in zwei Gruppen einteilen. Stellt euch darauf ein, ihr Menschen: Am Jüngsten Tag werdet ihr sortiert werden. Keiner kann sich davor drücken, keiner kann neutral bleiben vor Gottes Thron, es gibt auch keinen dritten Weg, es gibt nur die zwei Möglich­keiten: rechts oder links, Schaf oder Ziegenbock.

Für die Jünger Jesu und für die anderen Menschen damals war es ganz selbst­verständ­lich, dass ein König mit einem Hirten verglichen wird. Und ebenso selbst­verständ­lich war es, dass ein König zugleich der oberste Richter seines Volkes ist. Jesus macht uns das Jüngste Gericht dadurch an­schaulich, dass er diese drei Dinge zusammen auf sich bezieht: Er ist der gute Hirte, der am Ende Schafe und Ziegen sortieren wird; er ist der König aller König, dem alle Macht im Himmel und auf Erden gegeben ist; er ist zugleich der Richter, der einst alle Menschen vor seinem Königsthron versammeln wird.

Und danach stellt Jesus dieses Gericht wie ein Gespräch zwischen dem Richter und den in zwei Gruppen sortierten Menschen dar, ein Gespräch aus Frage und Antwort. In diesem Gespräch fällt der König sein Urteil. Zu denen zur Rechten sagt er: „Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt!“ Aber zu denen zur Linken sagt er: „Geht weg von mir, ihr Ver­fluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln!“ Und er begründet sein Urteil. Die zur Rechten haben ihm zu Lebzeiten viel Liebe und Gutes erwiesen, indem sie sich um notleidende Menschen gekümmert haben. Die zur Linken dagegen haben ihm Liebe und Wohltaten versagt; sie haben sich nicht um die Not­leidenden gekümmert.

Und wo werde ich dann stehen? Und wo wirst du dann stehen? Da werden wir unsicher. Sicher haben wir not­leidenden Menschen geholfen, mehr als einmal. Aber ebenso fallen uns auch Gelegen­heiten ein, wo wir nicht geholfen haben, obwohl wir hätten helfen können. Wir dachten, wir haben nicht die Zeit dazu, oder die Kraft, oder das Geld. Wir haben es versäumt, den Not­leidenden zu dienen, und damit zugleich auch unseren lieben Herrn Jesus Christus im Stich gelassen. Wird uns das im Gericht einholen? Wo werden wir stehen – rechts oder links?

Um diese Frage zu beant­worten, müssen wir in die Tiefe gehen bei den Worten Jesu. Da steht also an der rechten Seite die Menschen­gruppe, die mit einer Schafherde verglichen wird. Was macht denn ein Tier zum Schaf? Wird es zum Schaf, weil es sich wie ein Schaf verhält? Nein, umgekehrt: Weil es ein Schaf ist, verhält es sich wie ein Schaf. Im 100. Psalm steht, dass Gott uns zu Schafen seiner Weide gemacht hat, nicht wir selbst (Ps. 100,3). Jesus nennt die zu seiner Rechten „Gesegnete meines Vaters“, und er sagt, dass ihnen das Himmelreich bereits von Anbeginn der Welt bereitet ist. Da merken wir: Es ist Gottes ewiger Ratschluss und sein Geschenk, wenn wir im Gericht einst zur Rechten Christi stehen werden! „Aus­erwählte“ nennt die Bibel all diejenigen, die durch Jesus zu Gott gehören. Gott hat schon von Ewigkeit her be­schlossen, dass wir in sein Reich kommen sollen. Gott ist es, der uns zu seinen Schafen gemacht hat. Die Nächsten­liebe und der Einsatz für Notleidende zeigen einfach: Wer ein Schaf geworden ist, verhält sich dann auch wie ein Schaf. Wer ein Kind Gottes geworden ist, der verhält sich wie ein Gotteskind. Wer von Gott mit Liebe beschenkt wurde, der schenkt selbst Liebe weiter. Wer durch Jesus Christus erlöst wurde, der nennt ihn „Herr“ und dient ihm nach Kräften. Die Urteils­begründung des Herrn Jesus Christus macht einfach kenntlich, dass es sich um Gottes auserwählte Menschen handelt, die da zu seiner Rechten stehen; an ihrem liebevollen Verhalten wird's deutlich. Und wo wir nicht geliebt und nicht geholfen haben? Nun, das ist ja längst vergeben, das ist ja längst erledigt! Das hat der Herr Jesus Christus ja längst am Kreuz abgebüßt, das ist mit dem Wasser der Taufe ab­gewaschen, das ist uns vergeben worden. Diese Sünden holen uns am Jüngsten Tag nicht mehr ein. Gott hat uns durch Jesus zu Schafen seiner Weide gemacht, und darum haben wir Zuversicht für das Jüngste Gericht, dass wir dann auch bei den Schafen stehen werden.

Und was ist nun mit den Böcken? Hat Gott sie zu Böcken gemacht, wie er uns zu Schafen gemacht hat? Hat er sie von Anfang an dazu ausersehen, dass sie zur Hölle fahren? Das wäre ja schreck­lich! Aber nein, so ist es nicht. Jesus nennt sie einfach die „Ver­dammten“, das heißt „Ver­urteilte“. Es sind Menschen denen die Liebe Gottes ur­sprünglich ebenso galt wie allen anderen Menschen. Denn Jesus ist ja nicht nur zur Erlösung für ein paar Menschen in die Welt gekommen, sondern für alle Menschen. Alle sind eingeladen, sich von Gott beschenken zu lassen, sich von ihm zu seinen Kindern und zu Schafen seiner Weide machen zu lassen. Aber es gibt solche, die dieses Geschenk aus­schlagen. Die Gottes Wort nicht glauben. Die Gott nicht als Herrn anerkennen wollen. Die seine Liebe mit Füßen treten. Diese freilich haben keine Vergebung der Sünden. Ihre Schuld und Lieb­losigkeit wird ihnen im Gericht voll an­gerechnet, und darum sind sie Ver­urteilte, „Ver­dammte“. Nicht Gott hat sie zu Böcken gemacht, sondern sie haben sich selbst zu Böcken gemacht – ebenso wie der Teufel, der ur­sprünglich ein Engel war, dann aber gegen Gott eine Revolution anzettelte. So bekommen die „Ziegen­böcke“ im Gericht nur das als Urteils­begründung zu hören, was sie an Liebe versäumt haben. Und auch da, wo sie in ihrem Leben vielleicht doch Not­leidenden geholfen haben, da haben sie es nicht als Dienst für den Herrn Jesus Christus getan, sondern aus anderen Gründen – vielleicht um Dank zu ernten oder um als Wohltäter geehrt zu werden.

Ich komme noch einmal auf den Anfang meiner Predigt zurück. Da habe ich gesagt: Es ist wichtig, dass wir uns auf den kommenden Gerichtstag einstellen. Was genau bedeutet das – im Blick auf das, was wir eben bedacht haben? Es bedeutet, dass wir ohne Angst und ohne Berechnung einfach Gottes Liebe in unserem Leben wirken lassen sollen – zunächst an uns selbst, dass wir die Erlösung Jesu Christi annehmen und uns die Sünden vergeben lassen; dass wir es uns also gefallen lassen, Schafe seiner Weide und Gottes Kinder zu sein. Wenn wir das im Glauben festhalten, können wir ohne Angst auf den Gerichtstag zugehen. Wir sind ja Schafe, wir gehören auf die rechte Seite Jesu, niemand kann uns aus seiner Hand reißen. Sodann aber wollen wir Gottes Liebe in unserem Leben auch in der Weise wirksam werden lassen, dass wir uns einüben, wie Schafe zu leben. Dass wir also aus Dank und Liebe zu unserem Herrn Jesus Christus allen Mitmenschen gern dienen und helfen, besonders, wenn sie Not leiden. Ohne Berechnung wollen wir das tun, also ohne den Hinter­gedanken, dass wir damit Gott gnädig stimmen und sein Urteil im Jüngsten Gerich positiv be­einflussen können. Wir brauchen Gott ja gar nicht gnädig zu stimmen, er ist es ja schon längst – durch seinen Sohn Jesus Christus! Wir können also ohne Angst und ohne Berechnung ganz einfach fröhlich, frei und liebevoll leben, so, wie es der Herr Jesus uns ins Herz gibt. Und wenn wir das tun, werden wir uns im Gericht vielleicht sogar wundern, was Gott durch uns alles zu Wege gebracht hat, und werden erstaunt fragen: „Ja, sage mal, Herr, wann haben wir dich denn hungrig gesehen oder durstig oder sonst irgendwie not­leidend?“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2009.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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