Dem Heiligen Geist auf die Spur kommen

Predigt über Matthäus 16,13‑19 zum Pfingstmontag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Ist es euch aufgefallen? In der Evangeliums­lesung vom Pfingstmontag kommt das Wort „Heiliger Geist“ nirgends vor. Trotzdem begegnen wir dem Heiligen Geist überall in diesem Abschnitt der Bibel; wir müssen ihm nur auf die Spur kommen. Das wollen wir jetzt tun und die Geschichte genau besehen.

Jesus gönnt sich und seinen Jüngern eine Auszeit. Nach stressigen Wochen und Monaten in Galiläa hat er sich in den dünn besiedelten Norden zurück­gezogen, in die Gegend von Cäsarea Philippi. Dort tut er etwas, was auch heute noch sehr beliebt ist: Er veranstaltet eine Meinungs­umfrage. Von seinen Jüngern will er wissen: „Wer sagen die Leute, dass der Menschen­sohn sei?“ Die Jünger tragen das zusammen, was sie von ihren Zeit­genossen über Jesus gehört haben. Die sind der Meinung, dass Jesus einer der ganz großen Propheten sein muss, der von den Toten auf die Welt zurückgekommen ist – vielleicht Johannes der Täufer, oder Elia, oder Jeremia.

Würden wir heute eine Meinungs­umfrage über Jesus durchführen, dann bekämen wir sicher ein breiteres Spektrum. Die meisten würden ihn wohl für eine heraus­ragende Persönlich­keit der Welt­geschichte halten, einige für einen begabten jüdischen Rabbi, einige für einen Revolutionär, einige für einen Philosophen, einige für eine Spinner und ein paar sicher auch für einen neu zum Leben erwachten Propheten. Das alles ließe sich wissen­schaftlich auswerten und mit Prozent­angaben in Diagrammen darstellen. Allerdings würden wir damit nicht dem Heiligen Geist auf die Spur kommen, sondern nur dem Zeitgeist: Wir würden feststellen, welches Jesus­bild gegenwärtig im Trend liegt und welches eher nicht. Solche Trends im Jesusbild hat es immer gegeben, und sie haben sich auch immer schnell geändert. Wir sehen daran, dass wir mit Meinungs­umfragen dem wahren Wesen Jesu Christi nicht näher kommen. Menschen­meinung und Zeitgeist helfen nicht weiter, sondern nur der Heilige Geist. Vielleicht war es das, was Jesus seinen Jüngern mit seiner kleinen Meinungs­umfrage deutlich machen wollte.

Die erste Frage Jesu leitet nämlich zur zweiten über, zur Haupt­frage. Jesus fragt seine Jünger nun persönlich: „Wer sagt denn ihr, dass ich sei?“ Da macht sich einer zum Sprecher aller Jünger, den wir als Ober-Jünger kennen: der Fischer Simon, genannt Petrus. Er antwortet stellvertretend für alle Jünger (und seine Antwort ist ein Glaubens­bekenntnis): „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!“ Du bist Christus, der Messias, der Gesalbte, der Davids­sohn, der Erlöser, den Gott durch die Propheten des Alten Testaments angekündigt hat. Du bist der eingeborene Sohn Gottes, Sohn des himmlischen Vaters, göttlich wie er, ewig und allmächtig. Du bist wahrer Gott und wahrer Mensch. Auf dieses Bekenntnis hin erwidert Jesus: „Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel.“

Liebe Gemeinde, da haben wir die erste heiße Spur des Heiligen Geistes! Denn wie hat der himmlische Vater dem Simon offenbart, dass Jesus der Christus und Gottes Sohn ist? Natürlich durch den Heiligen Geist! So wie Paulus im 1. Korintherbrief geschrieben hat: „Niemand kann Jesus den Herrn nennen außer durch den Heiligen Geist“ (1. Kor. 12,3). Und entsprechend hat Martin Luther den 3. Glaubens­artikel erklärt: „Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten.“ Während die anderen Menschen mit dem Zeitgeist Jesus einfach für einen großen Propheten hielten, hielten Simon und die anderen Apostel mit dem Heiligen Geist Jesus für den wahren Gott, der Mensch wurde, um uns zu erlösen.

So ist es ja bis heute geblieben. Alle wahren Christen antworten nicht anders, als Simon damals ge­antwortet hat: „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn.“ Alle wahren Christen bekennen so ihren Glauben. Und wenn wir hier jeden Sonntag das Glaubens­bekenntnis sprechen, dann tun wir nichts anderes. Dass wir es aber tun, das bewirkt der Heilige Geist. Der schenkt uns diesen Glauben ins Herz. Einen anderen Weg gibt es nicht, Jesus als Erlöser zu erkennen. Menschliche Erfahrungen und menschliche Vernunft können nicht zu dieser Erkenntnis gelangen; menschliches Forschen und Denken kann den Erlöser nicht finden. Es ist noch heute so, wie Jesus sagte: „Fleisch und Blut haben das nicht offenbart.“ Aber der Heilige Geist, der hat es uns offenbart. Darum rühmen wir uns nicht unseres Glaubens wie einer großartigen frommen Leistung, sondern wir nehmen ihn dankbar an als Geschenk des Heiligen Geistes.

Aber nun hat Jesus ja noch weiter geredet mit Simon. Er sagt ihm: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht über­wältigen.“ Vielleicht wurde Simon davor noch gar nicht Petrus genannt, vielleicht hat Jesus ihm erst bei dieser Gelegenheit den Beinamen verliehen. Aber auch wenn Simon schon vorher Petrus genannt worden ist, dann deutet Jesus hier den Namen erstmals. Der Name hat eine griechische Wurzel, nämlich das Wort „petra“, zu deutsch „Felsen“. Dieses Wort kennen wir aus Wörtern wie „Petro­chemie“ oder „Petroleum“ (das ist das „Öl des Felsens“, also das Öl, das aus der Erde kommt). Somit bedeutet Petrus „Felsen­mann“, und auf diese Bedeutung geht Jesus hier ein: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen.“

Der römische Katholi­zismus hat daraus den Schluss gezogen, dass die ganze Kirche auf dem Felsen­mann Simon Petrus ruht. Und weil die Katholiken Petrus für den ersten Papst halten, darum hat der Papst bis heute eine so machtvolle Stellung im römischen Katholi­zismus und gilt in Lehr­fragen als unfehlbar. Aber wer so folgert, der hat nicht richtig auf Jesu Worte geachtet. Jesus hat nämlich nicht gesagt: „Auf diesen Felsen­mann Petrus will ich meine Kirche bauen“, sondern: „Auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen.“ Und da steht für Felsen nicht „Petrus“, sondern das griechische Wort „petra“. Ist ja eigentlich klar: Natürlich baut Christus seine Kirche nicht auf einen Menschen. Auch der große Ober­apostel Simon Petrus hat sich ja mehr als einmal als fehlbar, schwach und sündhaft erwiesen, und wenn wir uns die Kirchen­geschichte ansehen, so lässt sich das auch von allen Päpsten sagen. Nein, nicht auf Menschen, nicht auf Päpste, nicht auf Petrus baut Christus seine Kirche, sondern auf den Felsen seines geist­gewirkten Bekennt­nisses. Das Bekenntnis des Petrus, dass Jesus der Christus und Gottes Sohn ist, das ist das Fundament der ganzen christlichen Kirche bis zum heutigen Tag. Wo Jesus Christus und sein Evangelium geglaubt und bekannt werden, da ist die christliche Kirche, wo das Evangelium aber verschwiegen oder verleugnet wird, da ist die christliche Kirche nicht. Nicht auf den Felsen­mann Petrus baut Jesus seine Kirche, sondern auf das felsenfeste Fundament des Glaubens, dass Jesus Christus der Herr ist, der Messias und Gottessohn. „Felsen­mann“ oder „Petrus“ nennt Jesus den Simon deswegen, weil der Heilige Geist ihm dieses wunderbare Bekenntnis ins Herz und in den Mund gelegt hat. Felsen­männer und Felsen­frauen sind wir darum alle, die wir so bekennen und glauben, und darum gehören wir auch alle zur christlichen Kirche. Jeder wahre Christ könnte den Bei­namen „Petrus“ bzw. „Petra“ tragen.

Wenn Jesus nun sagt: „Die Pforten der Hölle sollen sie nicht über­wältigen“, dann meint er damit: Wo der Heilige Geist am Werk ist, da hat der Teufel verloren. Wer auf dem Felsen des Bekennt­nisses zu Christus steht, der kann nicht verloren gehen, der kann nicht in die Hölle kommen. Seht, da ist sie wieder, die Spur des Heiligen Geistes in dieser Geschichte: Der Heilige Geist bewahrt uns durch die Kirche und ihr Christus­bekenntnis vor der Hölle; wir selbst wären viel zu schwach, um uns zu schützen. Darum müssen wir uns in allem, was uns in der Kirche bewegt, auf den Geist besinnen und auf den Geist verlassen. Seien es personelle Probleme, Pastoren­mangel oder Finanz­krisen, seien es sinkende Mitglieder­zahlen oder Meinungs­verschieden­heiten, sei es Lauheit oder Lieb­losigkeit: Wir schaffen es nicht mit unserer eigenen Kraft, damit klar zu kommen, aber der Heilige Geist schafft es. Wenn wir ihn bitten und auf ihn vertrauen, dann wird die Kirche nicht untergehen. Wie sagte doch Jesus? „Die Pforten der Hölle sollen sie nicht über­wältigen.“

Und was ist das Geheimnis, durch das der Heilige Geist trotz aller menschlichen Schwäche und trotz aller Wiedrig­keiten die Oberhand behält und seine Kirche zum Sieg führt? Das Geheimnis ist die Vergebung der Sünden. Das Geheimnis ist, dass Gott uns durch das Blut unseres Erlösers immer wieder rein wäscht, heiligt und erneuert. Das Geheimnis ist, dass wir darum auch immer wieder neu und zu­versichtlich anfangen können, dass wir unbelastet nach vorn schauen können. Und dieses herrliche Geheimnis hat Christus seiner Kirche mit dem Heiligen Geist übergeben. Nach seiner Auferstehung sagte er den Jüngern: „Nehmt hin den Heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen, und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten“ (Joh. 20,22-23). Ja, er hat es schon vorher seinen Jüngern gegeben; er hat es dem Ober­jünger Simon Petrus stell­vertretend für die anderen übergeben. Und er hat es in ein schönes Bild gefasst: „Ich will dir die Schlüssel des Himmel­reichs geben: Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.“

Wegen dieses schönen Bildes wird Simon Petrus in der christlichen Kunst meistens mit einem Schlüssel dargestellt. Leute, die von dem Wort Jesu keine Ahnung haben, meinen deshalb, Petrus würde das Wetter machen, er würde mit seinem Schlüssel den Himmel aufschließen (dann regnet es) und wieder zuschließen (dann hört es auf zu regnen). Jesus aber meinte nicht den Himmel über uns, sondern Gottes herrliches Reich. Wo Menschen im Namen Jesu die Vergebung der Sünden zu­gesprochen wird, da wird ihnen Gottes Reich auf­geschlossen, und die Pforten der Hölle bleiben zu. Wo aber Menschen nicht Jesus bekennen, da verkündet ihnen die Kirche, dass ihre Sünden nicht vergeben sind; der Himmel bleibt ihnen verschlossen, und der Rachen der Hölle öffnet sich. Mit diesem Schlüssel­amt, das Petrus und die ganze Kirche empfangen haben, wird Christi Erlösungs­tat bis zum heutigen Tag in der ganzen Welt ausgebreitet. Der aber diese Ausbreitung bewirkt, Glauben schafft, Sünden tilgt, Herzen erneuert und ewiges Leben vererbt, das ist niemand anderes als Gott der Heilige Geist. Ihm sei Lob und Ehre in Ewigkeit. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2009.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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