Jesus hilft

Predigt über Matthäus 9,35‑38 zum 1. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Von drei Dingen handeln diese Worte aus dem Matthäus-Evangelium: erstens von Menschen, die Hilfe brauchen; zweitens davon, wie Jesus hilft; drittens davon, wie Menschen Jesus beim Helfen helfen können.

Also erstens: Menschen brauchen Hilfe. Überall wo Jesus hinkam, sah er Kranke, Behinderte und anderweitig Belastete. Es heißt von ihnen: „Sie waren ver­schmachtet und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten haben.“ Kaputte Typen also, die niemanden haben, der ihnen aus dem Schlamassel heraus­hilft. Solche Leute gab es damals, solche Leute gibt es heute, solche Leute hat es immer gegeben. Wir denken an obdachlose Alko­holiker, die zerlumpt und ziellos in den Straßen umherirren. Wir denken an randa­lierende und sinnlos zerstörende Jugend­liche, bei denen offen­sichtlich alle Sicherungen durch­gebrannt sind. Wir denken an unheilbar kranke oder sehr alte Menschen auf irgendeiner Pflege­station, um die sich niemand wirklich kümmert, die nur nach einem auf die Minute genau kalku­lierten Plan die nötigsten Pflege­leistungen erhalten. Aber nicht nur solche sogenannten Randgruppen brauchen Hilfe. auch andere sind hilfe­bedürftig, bei denen das nicht so offen­sichtlich ist. Unheimlich viele Menschen schaffen es, nach außen hin einen unauffällig guten Eindruck zu machen, aber innerlich sind sie kaputt und schreien um Hilfe. Ich denke an den gut­bürgerlichen Alko­holiker, der seinen beruflichen Stress nicht mehr ohne Spirituosen bewältigen kann. Ich denke an den psychisch kranken Menschen, den die ein­fachtsten all­täglichen Ver­richtungen große Anstrengung kosten. Ich denke an diejenigen, die mit ihren Mitmenschen in Streit und Zerwürfnis leben; ständig nagen Ärger und Frust an ihnen.

Selbst wenn Menschen rundum zufrieden sind, wenn sie nicht unter größeren Problemen leiden, brauchen sie doch wenigstens in einer Hinsicht Hilfe: Nämlich wenn es darum geht, so zu leben, wie unser Schöpfer das von uns erwartet. In der Bibel ist uns klar gesagt, was der Sinn unseres Lebens ist: Gott hat uns dazu geschaffen, dass wir ihn mit unserem Leben ehren. Wenn wir Gott ohne Wenn und Aber gehorchen und vertrauen, wenn wir unseren Mitmenschen ebensoviel Gutes tun wie wir für uns selbst be­anspruchen, dann werden wir dem Sinn unseres Lebens gerecht – andernfalls verfehlen wir ihn. Und das passiert uns leider immer wieder: Wir verfehlen unsern Lebenssinn, wir sündigen. Kein Mensch kann sich da heraus­reden; in dieser Hinsicht sind wir alle hilfe­bdürftig, „ver­schmachtet und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten haben.“ Im Buch des Propheten Jesaja lesen wir: „Wir gehen alle in die Irre wie Schafe. Jeder sieht nur auf seinen eigenen Weg“ (Jes. 53,6). Zugegeben: Als mündiger Mensch des 21. Jahrhunderts hört man das nicht gern. Wir möchten nicht gern Schafe sein, wir möchten lieber selbst­bestimmt leben und allein klarkommen. Und wir merken dabei gar nicht, wieviel gerade deswegen schief läuft in unserem Leben. Wir gleichen Kindern, die auf der einen Seite alles besser wissen wollen als die Eltern, die aber auf der anderen Seite noch sehr auf die Hilfe der Eltern angewiesen sind und die sich im Grunde ihres Herzen auch nach dieser Hilfe sehnen. Wir gleichen Kindern, die den Schoß der Mutter brauchen, ebenso die starke Schulter des Vaters zum Anlehnen. In einer neuen Bibel­übersetzung heißt es darum nicht : „wie die Schafe, die keinen Hirten haben“, sondern: „wie Kinder ohne Eltern.“ Ja, genau so hilfe­bdürftig sind wir Menschen – egal ob andere uns das anmerken oder nicht, und ebenfalls egal ob wir selbst das merken oder nicht.

Zweitens: Jesus hilft. Jesus ist die Not der Menschen nicht egal; sie lässt ihn nicht kalt. Als Jesus die hilfe­bedürftigen Menschen sah, „jammerte es ihn“, so steht es in der Luther­bibel; und in der neuen Bibel­übersetzung für Jugend­liche, der sogenannten „Volx­bibel“, heißt es: „Sie taten ihm voll leid.“ Darum tut er etwas für die Leute. Er versöhnt die Menschen, die wie Kinder ohne Eltern sind, mit ihrem himmlischen Vater. Er macht sich selbst zum guten Hirten für die Menschen, die wie Schafe ohne Hirten sind. Dabei ist er nicht wählerisch: Er wählt sich nicht ein paar Lieblings­schafe für seine Herde aus, sondern er hilft ohne Unterschied allen. Dreimal taucht das Wörtchen „alle“ in unserem Bibeltext auf: „Jesus ging in alle Städte und Dörfer“, „er heilte alle Krankheiten und alle Gebrechen.“ Und weil das so in der Bibel steht, darf jeder Menschen gewiss sein: Jesus will auch mir helfen, denn er weist niemanden ab, der bei ihm Hilfe sucht.

Nun wollen wir genau darauf achten, wie Jesus den Menschen hilft. In unserem Bibel­abschnitt finden wir dazu zwei wichtige Stich­wörter: „Er lehrte“ und „er heilte“. Beides tat Jesus durch die Kraft von Gottes Wort. Er lehrte die Menschen „mit Vollmacht“, das mussten sogar seine Feinde ein­gestehen. Er redete mit dem Anspruch, dass seine Worte direkt vom himmlischen Vater kommen. Und mit seinen Heilungs­wundern bestätigte er diesen Anspruch. Wenn er dem Blinden sagte: „Sei sehend!“, so konnte der sehen; wenn er dem Gelähmten zurief: „Geh nach Hause!“, so konnte der plötzlich gehen; wenn er die Leiche anredete: „Stehe auf!“, so wurde sie wieder lebendig. Jesus half mit großer Kraft, und diese Kraft wurde in seinen Worten aktiv. So ist das bis heute. Seine Worte finden wir in der Bibel. Da zeigt uns Jesus klar und mit göttlicher Vollmacht, wie wir uns verhalten sollen, um Gott zu ehren und um unseren Lebenssinn zu finden. Was er gesagt hat über die Liebe, über das Beten, über das Sorgen und über die Ehe, das ist Gottes un­umstöß­liches Gesetz; da können wir uns drauf verlassen, dass es gut ist, so zu leben. Und wenn wir an diesem hohen Maßstab scheitern, dann sagt er uns mit seinem Evangelium: „Sei nicht traurig, Gott hat dich trotzdem noch lieb. Er vergibt dir. Fang einfach wieder neu an, tu Buße, und versuche künftig, seinen Willen besser zu erfüllen.“ Und indem Jesus dir zuspricht: „Dir sind deine Sünden vergeben!“, macht er dich heil und gesund – durch die Kraft seines Wortes, genauso wie er damals dem Blinden und dem Gelähmten und dem Toten geholfen hat. Du bist kein verirrtes Schaf mehr, kein kaputter Typ und kein elternloses Kind, sondern du hast mit Jesus einen Helfer und einen guten Hirten. Das heißt nicht, dass du nur Streichel­einheiten von ihm bekommst. Nein, manchmal muss ein Hirte seinem Schaf auch mal einen kräftigen Schubs geben mit dem Hirtenstab, damit es nicht aus der Reihe tanzt und sich in Gefahr begibt. Aber du kannst sicher sein: Der Hirte meint es herzlich gut mit dir und hilft dir wirklich. Er gibt dir, was du brauchst; er behandelt deine Wunden; er beschützt dich in Gefahr; er holt dich zurück; er bewahrt dein Leben. Wenn du ihm vertraust, dann macht es auch nichts, dass sich nicht alle Probleme deines Lebens sofort auflösen. Es kann sogar sein, dass du mit Jesus als Helfer noch Extra-Lasten zu tragen bekommst. Aber darauf kommt es nicht an. Es kommt vielmehr darauf an zu wissen: Da geht einer mit mir durchs Leben und hilft mir zuverlässig und sorgt dafür, dass alles gut wird. Ja, er schenkt dir sogar eine Eintritts­karte für den Himmel, wo dann auch die letzte Krankheit und das letzte Problem vergessen sein werden. Also auch wenn du noch Lasten zu tragen hast, kannst du es doch im Grunde deines Herzens fröhlich tun, viel fröhlicher als einer, der diesen guten Hirten nicht kennt. Du hast ja die Gewissheit, dass er bei dir ist und hilft, und du hast die Vorfreude auf den Himmel.

Drittens: Menschen können Jesus beim Helfen helfen. Da kommen wir zum Thema Mission. Denn wie der Vater im Himmel Jesus als Helfer in die Welt geschickt hat, so sendet Jesus uns Christen als Helfer zu den Mit­menschen. Christsein bedeutet darum nicht nur, sich von Jesus helfen zu lassen, sondern auch, Jesus beim Helfen mit­zuhelfen. Das ist uns natürlich vertraut; wir wissen, wir sollen unsere Mitmenschen etwas von Jesu Liebe spüren lassen und ihnen auch seine frohe Botschaft weiter­sagen. Wir sollen ihnen helfen und Gutes tun, das ist klar. Aber in unserem Predigttext nennt Jesus noch eine andere Art und Weise, wie wir ihm mithelfen sollen: „Bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende.“ Das Mithelfen in Gottes Erntefeld beginnt mit dem Gebet.

Nicht, dass Gott auf unser Beten angewiesen ist. Aber er möchte auf diese Weise erreichen, dass wir anerkennen: Alle Hilfe geht von ihm aus. Nicht wir sind die Herren der Ernte, sondern er ist es. Nicht wir sollen uns überlegen, was den Leuten am meisten hilft, sondern er hat uns das vorgegeben. Und wenn alle Hilfe nach Gottes Willen beim Kreuz Christi anfängt, dann muss das Wort vom Kreuz die zentrale Botschaft bei unserer Hilfe sein – selbst dann, wenn diese Botschaft dem modernen Menschen äußerst befremdlich klingt. Besonders, sagt Jesus, sollen wir Gott um „Arbeiter in der Ernte“ bitten, also um Boten, die das Wort vom Kreuz predigen und es in den Sakramenten den Menschen nahe bringen. Da bitten wir natürlich in erster Linie um zukünftige Pastoren und Missionare, die sich mit ihrem ganzen Leben für das Evangelium einsetzen. Schon jetzt zeichnet sich in unserer Kirche ein Pastoren­mangel ab; viel zu wenige junge Männer sind bereit, diesen Beruf zu ergreifen. Aber die Bitte um Arbeiter in Gottes Ernte bezieht sich nicht nur auf Haupt­amtliche. Wir bitten damit vielmehr auch um viele weitere Christen, die treu und fleißig mit ihren jeweiligen Gaben das Evangelium bezeugen an der Stelle, wo sie gerade sind. Die Bitte um Arbeiter in der Ernte trägt dazu bei, dass wir uns nichts auf uns selbst einbilden. Wenn wir so beten, dann stellen wir damit fest: Wir sind keineswegs die einzigen und ent­scheidenden Arbeiter in seiner Ernte. Es mag sein, dass andere Menschen sogar viel besser mithelfen können als wir. So macht diese Bitte auch demütig und zugleich gelassen: Wir brauchen nicht krampfhaft Mission zu treiben, so, als hinge alles von uns ab. Wir geben uns nach Kräften Mühe, wissen aber zugleich, dass überall in der Welt unzählige Menschen an dem großen Werk mittun. Und so erkennen wir bei dieser Bitte schließlich auch, dass wir uns in der christ­lichen Kirche und Gemeinde als Dienst­gemeinschaft verstehen, als „Team“, wie man heute so schön sagt. Wir sind eine Dienst­gemeinschaft und sollen unter dem Wort und Auftrag des einen Herrn gemeinsam an einem Strang ziehen. Es gibt zwar viele ver­schiedene Menschen in der Gemeinde sowie auch viele ver­schiedene Begabungen und Fähig­keiten, aber es gibt nur einen Herrn, einen Auftrag, eine Mission und ein Ziel: dass Menschen zur Herde des Herrn Jesus Christus kommen und dass sie wie Ähren auf dem Feld reifen zur Ernte des ewigen Lebens. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2007.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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