Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Die Gemeindeglieder, die vor zwei Wochen an unserem Wittenberg-Ausflug teilgenommen haben, können es bestätigen: In den Schaufenstern der Martin-Luther-Stadt findet man vieles, was an den großen Reformator und sein Werk erinnert. Oft geht es allerdings nur darum, Luthers Namen gewinnbringend für die eigene Geschäftsidee einzusetzen. Da gibt es Lutherbier, Lutherbrot, Lutherkugeln, einen Schnaps namens Luther-Becher, einen Martin-Luther-Reformationstee und vieles andere mehr.
Nun könnte man aus einer Reformationsfestpredigt gewissermaßen auch so ein Luther-Schaufenster machen und darin die vielen Dinge ausstellen, die Luther für die lutherische Kirche, für Deutschland und für die ganze Christenheit errungen hat. Mit seinem unerschrockenen Bekenntnis vor den Kirchenfürsten des Mittelalters hat er den Menschen an der Schwelle zur Neuzeit Mut gemacht, sich nicht länger einschüchtern zu lassen, sondern für Wahrheit und Freiheit einzutreten. Mit seiner Bibelübersetzung hat er dem Volk einen unmittelbaren Zugang zu Gottes Wort geschaffen und dabei auch noch das Hochdeutsche entscheidend geprägt. Mit seinen geistlichen Liedern und seiner deutschen Fassung der Liturgie hat er die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die ganze Gemeinde fröhlich und mit Verständnis den Gottesdienst mitfeiern kann. Mit seinen theologischen Werken, seinen Predigten und seinen Tischreden hat er auf vielen Gebieten der Theologie Meilensteine gesetzt. Mit seinen Katechismen hat er den Grundstein für effektive christliche Unterweisung gelegt. In seiner Ehe mit Katharina von Bora hat er ein Vorbild für das evangelische Pfarrhaus gestiftet. Man könnte noch lange fortfahren und vieles andere in dieses Schaufenster des Luther-Gedenkens stellen. Das Hauptanliegen Martin Luthers würde man damit freilich verfehlen, und den Hauptsinn des Reformationsfestes ebenfalls.
Was war denn das Hauptanliegen Martin Luthers, und was ist der Hauptsinn des Reformationsfestes? Die Frage lässt sich mit dem Wort unseres Herrn Jesus Christus beantworten, das wir als Predigttext gehört haben: „Wer mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater. Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater.“ Dieses Wort richtet unseren Blick auf Gottes Gericht am Ende unseres Erdenlebens, am Ende der Welt. Da wird der Weltenrichter Jesus Christus alle Menschen in zwei Gruppen sortieren. Zu der einen Gruppe wird er dann sagen: „Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt!“ (Matth. 25,34). Er wird sich also vor seinem himmlischen Vater zu diesen Menschen bekennen. Zu der anderen Gruppe aber wird Christus sagen: „Ich kenne euch nicht… Gehet hin von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln“ (Matth. 25,12.41). Er wird sich also vor seinem himmlischen Vater von diesen Menschen lossagen. Die wichtigste Frage für Martin Luther war nun die: Wie kann es geschehen, dass ich dann, am Gerichtstag, zu der ersten Gruppe gehören werde? Oder mit anderen Worten: Wie kriege ich einen gnädigen Gott? Es ist die wichtigste Frage für alle Menschen auf Erden, ganz gleich, ob sie glauben und was sie glauben. Und darum tun wir gut daran, uns immer wieder auf diese eine Frage zu besinnen, zum Reformationsfest und auch sonst: Wie kriegen wir einen gnädigen Gott? Wie können wir in Gottes Gericht am Ende der Zeit bestehen? Wie kommen wir in den Himmel?
Durch fleißiges Studium der Heiligen Schrift hat Martin Luther die Antwort auf diese Frage für sich selbst herausgefunden. Später war es ihm das gößte Herzensanliegen (wie gesagt, sein Hauptanliegen), diese Antwort alle Menschen wissen zu lassen: Nur wer sich zum Gottessohn Jesus Christus bekennt, der kriegt einen gnädigen Gott. Nur wer an den Gottessohn Jesus Christus glaubt, der kann im letzten Gericht bestehen. Nur wer die Erlösung durch das Blut des Gottessohnes Jesus Christus für sich in Anspruch nimmt, hat Zugang zum himmlischen Vater und zu seinem ewigen Reich. Ich wiederhole noch einmal, was Jesus sagte: „Wer mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater. Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater.“
Lasst mich das Hauptanliegen Martin Luthers und den Hauptsinn des Reformationsfestes zusammenfassen in der Aufforderung: Glaubt an Jesus und hört auf sein Wort! Dabei ist der Glaube nicht ein verborgenes Hoffen des Herzens, sondern er ist untrennbar mit dem offenen Bekennen verbunden. Ganz bewusst sprechen wir ja gemeinsam unser Glaubensbekenntnis in den Gottesdiensten. Und hoffentlich wird auch in unserem Alltag deutlich, wer der Herr unseres Lebens ist. Jesus sagte: „Wer mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater.“ Wer den Herrn Jesus Christus lieb hat und ihm vertraut, der wird das vor anderen Menschen nicht verstecken.
Glaubt an Jesus und hört auf sein Wort! Ich sage dabei immer wieder und ganz bewusst „Jesus“. Es geht nicht um einen allgemeinen Glauben an Gott, um ein Fürwahrhalten seiner Existenz, um ein vages Hoffen auf seine Barmherzigkeit. Solchen vagen Glauben haben ja viele; es gibt kaum echte Atheisten. Und auch die Papstkirche zu Luthers Zeiten redete natürlich dauernd von Gott. Es ist aber das Verdienst Martin Luthers und der Reformation, gezeigt zu haben, dass dieser Gott ein menschliches Gesicht hat, ein liebevolles und barmherziges Gesicht, nämlich das Gesicht des Jesus von Nazareth. Wer einen gnädigen Gott finden will, der kommt um den Mann aus Nazareth nicht herum. „Niemand kommt zum Vater denn durch mich“, das hat er selbst von sich gesagt (Joh. 14,6). An Gottes Gerichtstag hilft es niemandem, darauf hinzuweisen, dass er an irgendein höheres Wesen geglaubt hat. Nur eines hilft dann: dass man zu Jesus gehört, dass man an ihn geglaubt hat, dass man in seinem Namen Vergebung der Sünden und damit die ewige Erlösung empfangen hat.
Glaubt an Jesus und hört auf sein Wort! Ohne Gottes Wort, ohne die Bibel wird Jesus uns freilich unbekannt bleiben. Das Wort des Evangeliums, in der Bibel bezeugt und in der Kirche verkündigt, ist verlässlich. Es bringt die Kunde von Christi Erlösung zu uns und schafft zugleich als wirkkräftiges Schöpferwort den Glauben in unseren Herzen. Wer vor diesem Wort nicht flieht, wer seine Ohren nicht verstopft, wer mit seinen Gedanken bei der Predigt nicht abschweift, zu dem kommt der Heiland Jesus ins Herz durch dieses Wort. Darum ist auch so wichtig, dass wir dieses Wort hoch in Ehren halten und es zugleich unseren ständigen Begleiter durchs Leben sein lassen.
Glaubt an Jesus und hört auf sein Wort – damit ist das Hauptanliegen Luthers gesagt und der Hauptsinn des Reformationsfestes. „Reformation“ heißt wörtlich „Rückformung“; wir können auch „Rückbesinnung“ sagen. Es geht um die Rückbesinnung auf die eine entscheidende Antwort bei der Frage nach dem gnädigen Gott, die eine Antwort, die schon von Propheten und Aposteln gegeben wurde und die sich bis heute nicht geändert hat. Ein Wörtlein kann Satan fällen, den altbösen Feind, den Fürst dieser Welt, ein Wörtlein kann uns den Himmel aufschließen, und dieses Wörtlein heißt „Jesus“. Amen.
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