Gottes Denkmäler

Predigt über Josua 4,1‑3.20‑24 zum 14. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wenn Kinder in das Fragealter kommen, kann das ganz schön nerven, aber im Grunde ist es etwas Herrliches. Sie sind dann ganz wissbegierig, sie wollen die Welt verstehen. Oft entzündet sich ihre Fragelust an Erlebnissen oder an Gegenständen. Ein typisches Beispiel: Die kleine Birgit ist mit ihrer Mutter in Hannover zu Besuch und sieht das große Reiterdenkmal vor dem Hauptbahnhof. Sie fragt: Wer ist denn das? Die Mutter antwortet: Das ist der König Ernst August; der hat früher mal hier in einem Schloss gewohnt.

Gott hat solches Fragen von Kindern nach einem Denkmal in seinen Heilsplan einbezogen; das Bibelwort, das wir eben gehört haben, gibt davon Zeugnis. Wir können uns vorstellen, dass noch Jahrhunderte nach der wunderbaren Jordan-Überquerung ein Sohn mit seinem Vater am Ufer entlanggeht, vor dem Denkmal aus zwölf großen Flusssteinen stehen bleibt und fragt: Papa, was ist denn das? Und der Vater erklärt: Ja, weißt du, mein Sohn, dieses Denkmal ist errichtet worden, als unsere Vorfahren nach langer Wüstenwanderung hier den Jordan durchquert haben, um das von Gott versprochene Land in Besitz zu nehmen. Damals hat Gott dafür gesorgt, dass das Wasser sich teilte und sie hindurchgehen konnten. Der Sohn mag einwenden: Aber du hast doch immer erzählt, das war am Schilfmeer bei Ägypten! Der Vater erwidert: Richtig, da ist das auch geschehen, gleich nach dem Auszug aus Ägypten. Aber vierzig Jahre später hat Gott noch einmal so ein Wunder getan. Am Anfang und am Ende der Wüstenwanderung hat der Herr große Wassermassen geteilt und damit gezeigt: Er ist es, der Israel herausführt aus Ägypten, und er ist, der das Volk hineinführt nach Kanaan. Er, der Gott unserer Väter, segnete Anfang, Mitte und Ende ihrer Wanderschaft, und er ist auch unser Gott. Gelobt sei sein heiliger Name!

Der Sohn möchte nun genauer wissen, wie das denn damals beim Durchzug durch den Jordan zugegangen ist, und der Vater beginnt zu erzählen: Damals lagerte das Volk auf der anderen Seite des Flusses. Josua war da ihr Anführer, Mose war schon tot. Gott hatte dem Josua alles genau erklärt und gab dann schließlich das Zeichen zum Aufbruch. Zuerst brachen die Priester auf und trugen die Bundeslade, also den Kasten, mit dem Gott bei uns gegenwärtig ist. Sie wateten in den Jordan. Und da geschah es: Stromaufwärts staute sich plötzlich das Wasser, als sei ein unsichtbarer Damm aufgeschüttet worden, stromabwärts aber lief das Wasser weg. Da konnten die vielen Leute mit ihren Karren und ihrem Vieh durch das trockene Flussbett ziehen. Je ein Mann aber von den zwölf Stämme nahm einen großen Flussstein mit, so groß, wie er ihn grade noch tragen konnte. Diese Steine wurden dann am anderen Ufer zu dem Denkmal hier aufgerichtet. Gott selbst hatte das angeordnet, damit wir uns an sein Wunder erinnern, wie wir auch im Psalm singen: „Er hat ein Gedächtnis gestiftet seiner Wunder, der gnädige und barmherzige Herr“ (Psalm 111,4).

Der Sohn fragt: Und woher weißt du das alles? Darauf der Vater: Das hat mir Großvater erzählt, hier an derselben Stelle, als ich noch ein Kind war. Und Großvater hat es von seinem Vater. So ist die Sache von einer Generation zur anderen weitererzählt worden.

Wie schön, dass Gott es so geordnet hat, dass seine Wunder von Generation zu Generation weitererzählt werden! Wie schön, dass er im Fall der Jordan-Durchquerung ein anschauliches Denkmal für sein Wunder gestiftet hat – etwas zum Sehen und Anfassen, was das Interesse der Kinder von selbst weckt! Und wie schön, dass er dies nicht nur für sein Volk Israel tat, sondern bereits damals die ganze Welt im Blick hatte, wie es am Ende unseres Bibelwortes heißt: „… damit alle Völker auf Erden die Hand des Herrn erkennen, wie mächtig sie ist, und den Herrn, euren Gott, fürchten allezeit.“

Letzteres hat sich in einer Weise bewahrheitet, die alle damaligen Erwartungen in den Schatten stellt. Wenn heute tatsächlich von den Wundern des einen wahren Gottes in der ganzen Welt erzählt wird und wenn viele Menschen aus vielen Völkern an ihn glauben, dann wegen Jesus Christus und Gottes größter Heilstat in der Geschichte. Darum ist es wichtig, dass auch dieses größte Wunder von Generation zu Generation weiterverkündigt wird. Und da helfen uns bis zum heutigen Tag Denkmale, aufgerichtet zum Gedenken an Gottes Heilstaten. Nehmen wir zum Beispiel ein Kruzifix, die Abbildung des Gekreuzigten. Wenn Kinder allgemein nach Gott fragen, fällt es den Eltern meistens schwer, die richtigen Worte zu finden. Aber warum der Mann da am Kreuz hängt, das können christliche Eltern erklären, und sie werden es in der Regel auch gern tun.

Sie können sagen: Sieh mal, dieser Mann ist ein ganz besonderer Mann. Es ist der Herr Jesus Christus. Er ist Gottes Sohn. Er lebt beim Vater im Himmel, wo es ganz schön ist und wo auch die Engel wohnen. Aber einmal hat Gott ihn auf die Erde geschickt. Er wurde ein richtiger Mensch und bekam den Namen Jesus. Jesus hat nie etwas Böses getan, sondern immer nur Gutes. Trotzdem haben ihn viele mächtige Leute gehasst und haben ihn schließlich umgebracht. Sie haben ihn an ein Holzkreuz genagelt und ihn so lange daran hängen lassen, bis er tot war. Aber nach drei Tagen ist er wieder lebendig geworden, und danach ist er wieder zurückgekehrt zu seinem Vater im Himmel. Mit seinem Leiden und Sterben hat er etwas ganz Großartiges getan: Er hat damit die Strafe getragen, die eigentlich alle Menschen tragen müssten. Gott ist gerecht und muss darum alles Böses strafen, alle bösen Gedanken, Worte und Taten. Aber weil Gott uns lieb hat, hat er seinen Sohn Mensch werden lassen und ihm unsere ganze Strafe aufgelegt, und er hat sie willig getragen. Wenn wir daran glauben, dann sieht Gott all das Böse nicht mehr an, das wir getan haben, und holt uns später einmal zu sich in den Himmel.

Ja, so oder so ähnlich kann man einem Kind mit einem Kruzifix das Wunder der Erlösung bezeugen, die wichtigste Botschaft der Welt. Denkmäler und Dinge, die wir sehen und anfassen können, erinnern uns an Gottes Heilstaten aus früheren Zeiten. An diesen Heilstaten können wir erkennen, wer Gott ist und wie er es mit uns meint. Daran hält sich unser Glaube fest. Das ist nicht nur für Kinder wichtig, sondern auch für Erwachsene. So richtig es ist, dass Kinder nicht früh genug mit biblischen Geschichten in Berührung kommen können, so falsch ist es zu meinen, man könne irgendwann aus dem Alter für biblische Geschichten heraus sein. Denn wie willst du Gott anders kennenlernen als durch das, was er vor alten Zeiten getan hat? Willst du ihn etwa durch deine eigenen Gedanken erkennen? Es sind doch nur kleine, menschliche Gedanken, viel zu klein, um den Herrn zu erfassen. Oder willst du ihn durch bestimmte Lebenserfahrungen erkennen? Sicher, viele von uns haben Gottes Hand in ihrem Leben gespürt – aber doch längst nicht so klar und eindeutig, wie Gott sich in biblischer Zeit offenbart hat. Und wenn die Anfechtung kommt, dann mögen dir deine Erfahrungen mit Gott zweifelhaft werden, aber die Heilstatsachen, die uns sein Wort bezeugt, bleiben unerschütterlich stehen, kommen durchs Wort zu dir und fachen deinen Glauben wieder neu an. Ja, liebe Gemeinde, da liegt unser Glaubensgrund, da hat sich Gott der Menschheit zu erkennen gegeben: In seinen großen Zeichen und Wundern in der Vergangenheit. Wir glauben an den Schöpfer Himmels und der Erde, der einst das Volk Israel mit starker Hand aus Ägyptenland führte, es trockenen Fußes durchs Schilfmeer und durch den Jordan ziehen ließ und in das gelobte Land brachte. Wir glauben an den Vater Jesu Christi, der seinen Sohn Mensch werden ließ, auch leiden, sterben und auferstehen, um unsere Schuld zu sühnen. Das bekennt die Christenheit mit gleichen Worten seit zwei Jahrtausenden, und das soll auch so bleiben. Die Ereignisse, die wir im Glaubensbekenntnis aussprechen, sind der Grund unseres Glaubens, und das Bekenntnis ist sozusagen ein sprachliches Denkmal dafür.

Erinnern wir uns: Gott hatte einst am Jordan zur Überlieferung des Wunders den Bau des Steinmals angeordnet, etwas zum Sehen und Anfassen. Etwas Ähnliches ist bei seiner Heilstat für alle Menschen in Jesus Christus geschehen: Er hat die Sakramente gestiftet, damit wir an die Erlösung durch Jesus Christus denken. In der Taufe geschieht etwas mit Wasser und göttlichem Wort, das seine Kraft aus dem Tod und der Auferstehung Jesu bezieht. Die Taufe zeigt uns: Wir sind abgewaschen von Sünden, und genau das wirkt der Heilige Geist. Auch das Abendmahl ist so ein Denkmal der Güte Gottes. Hier haben wir sogar ein Erinnerungszeichen für alle Sinne, hier hören wir nicht nur, sondern hier schmecken und sehen und fühlen wir auch, wie freundlich der Herr ist. „Er hat ein Gedächtnis gestiftet seiner Wunder“ – „Solches tut zu meinem Gedächtnis“.

Ich erinnere mich noch an einen Familiengottesdienst, wo ich den Kindern das Abendmahl erklärte und wo wir es dann anschließend auch feierten. Ein Kind fragte mich hinterher ganz erstaunt: War da wirklich Blut drin? So hatte ich Gelegenheit, noch einmal zu betonen: Ja, es ist wirklich das Blut des Herrn Jesus Christus, verborgen in dem Wein. E ist das Blut, das Jesus vergossen hat, damit unsere Sünden vergeben werden. Wie schön, wenn Kinder so fragen und wir sie zurück-verweisen können auf Gottes große Heilstaten! Zugleich aber können wir sie voraus-verweisen. Denn anders als beim Denkmal der zwöf Steine hat das Abend-Denk-Mahl auch eine Bedeutung für die Zukunkft: Es ist nicht nur Erinnerungszeichen der vergangenen Heilstat, sondern Vorzeichen der zukünftigen Heilszeit, wenn Jesus wiederkommt. So können wir den Kindern auch bezeugen: Seht mal, jetzt feiern wir in der Kirche oft das Abendmahl, essen zusammen das Brot und trinken den Wein. Wir denken dabei zurück an das Leiden und Sterben des Herrn Jesus. Aber wir denken auch daran, dass wir einmal mit ihm im Himmel zusammen sein werden. Da will er dann mit uns das Abendmahl so feiern, dass er mit uns zusammen isst und trinkt, wie er es damals mit seinen Jüngern getan hat. Darauf freuen wir uns jedesmal, wenn wir das Abendmahl feiern.

Ja, Gott hat uns ein Gedächtnis gestiftet seiner Wunder, nicht nur im Rückblick, sondern auch im Vorausblick. Wie die Israeliten einst den Jordan überquerten und ins gelobte Land kommen durften, so dürfen wir einst den Jordan des Todes überqueren und in das gelobte Land der ewigen Seligkeit kommen, das Reich des einen wahren Gottes. Ihm sei Lob in Ewigkeit! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1992.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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