Der Kampf des Glaubens: zupackend, zuchtvoll, zielstrebig

Predigt über 1. Korinther 9,24‑27 zum Sonntag Septuagesimä

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wer sich ein wenig für Sport inter­essiert, der weiß: Die heutigen Leistungs­sportler sind keine Menschen mit normalem Lebens­wandel, die einfach nur Freude am spiele­rischen Kräfte­messen haben. Es sind vielmehr Zeit­genossen, die sich monate- und jahrelang intensiv auf Wettkämpfe vorbereiten und dabei hart trainieren. Sie setzen die besten Jahre ihres Lebens dafür ein, um dabei zu sein und um möglichst auch zu siegen. Schon vor zweitausend Jahrend war das so, zum Beispiel bei den Olympischen Spielen der Antike. Da haben sich die Sportler ebenfalls total für den Wettkampf eingesetzt und alles dafür getan, um zu siegen. Auch bei vielen anderen ähnlichen Wettkämpfen war das so, die heute freilich fast in Vergessen­heit geraten sind. So fanden etwa in Korinth alle drei Jahre die sogenannten Isthmischen Spiele statt. Unter anderem standen Laufen und Boxen auf dem Programm. Die Teilnehmer ab­solvierten eine intensive zehn­monatige Vor­bereitungs­zeit, in der sie maßvoll lebten und sich ganz auf das Training konzen­trierten. Und alles nur, um am Ende den Siegerkranz auf dem Kopf zu tragen – möglicher­weise.

Der Apostel Paulus war ein weltoffener Mann und kannte die Isthmischen Spiele. Er wusste, dass die Glieder seiner korinthi­schen Gemeinde nicht immun waren gegen das Wettkampf­fieber, das alle drei Jahre die ganze Stadt ergriff. Darum nahm er im l. Korinther­brief darauf Bezug und fragte: „Wisst ihr nicht, dass die, die in der Kampfbahn laufen, die laufen alle, aber einer empfängt den Sieges­preis?“ Und dann deutete er den Sport als Gleichnis auf den Lauf des Christen­menschen, auf den Kampf des Glaubens, und schrieb: „Lauft so, dass ihr ihn erlangt.“ Wir wollen uns das sagen lassen. Auch wir verstehen ja das Bild aus dem Sport; und es ist ein guter Vergleich. Natürlich dürfen wir das Bild nicht in jeder Einzelheit übertragen. Beim Glauben wird es nicht nur einen Sieger geben. Aber doch winkt der Himmel, die ewige Seligkeit, am Ende wie ein Siegespreis, wenn der Kampf des Glaubens vorbei ist. Es ist freilich kein Preis, den wir uns selbst verdienen könnten. Auch der Sportler verdient seine Medaille nicht im eigent­lichen Sinne, im volks­wirtschaft­lichen Sinne; die Medaille wird ihm vielmehr geschenkt. So schenkt auch Gott die ewige Seligkeit all denen, die im Kampf des Glaubens beständig bleiben bis ans Ende. Er tut es um Jesu Christi willen; der hat den Siegespreis für uns verdient; er hat ihn für uns hart erarbeitet.

Paulus schrieb nun weiter im Vergleich mit den sportlichen Wett­kämpfen: „Jene kämpfen, damit sie einen ver­gänglichen Kranz empfangen, wir aber einen un­vergäng­lichen.“ Bei den Isthmischen Spielen nahmen die Wettkämpfer zehn Monate lang Ent­behrungen und Strapazen auf sich, um am Ende möglicher­weise einen verwelk­lichen Blätter­kranz in Empfang zu nehmen. Bei den modernen Olympischen Spielen arbeiten die Sportler jahrelang hart an sich für eine mögliche Medaille, die schon wesentlich länger hält als ein Blätter­kranz. Und da stellt sich die Frage: Wie kämpfen denn wir den Kampf des Glaubens? Wie sollten wir ihn kämpfen, wenn uns ganz groß vor Augen stünde, dass ein un­vergäng­licher, ein ewiger Siegespreis auf uns wartet, ein Preis, der wertvoller ist als alle Güter dieser Welt, nämlich die Krone des Lebens, Sinnbild für die ewige Herrlich­keit der Gottes­kinder! Und das nicht nur als vage Möglich­keit, sondern als gewisse Verheißung für alle, die über die Ziellinie laufen, für alle, die im Glauben bis ans Ende beharren! Haben wir das schon richtig erfasst? Der Himmel ist ein atem­berauben­der, ein über­wältigender Preis! Die Olympio­niken haben monatelang nur Medaillien im Kopf und die Aussicht, dass sie da auf dem Treppchen stehen und ihre Hymne gespielt wird. Vergäng­licher Ruhm! Um wieviel mehr sollten wir Christen den Kopf voll Himmel haben und in der Vorfreude leben, wie wir auf himmlischen Thronen sitzen werden mit der Krone des Lebens auf dem Kopf, und unserem Herrn herrliche Loblieder singen! Wenn wir Christen doch nur mehr von dieser Herrlich­keit erfassen würden! Dann würden wir uns nicht so sehr von den Themen und Problemen dieser Welt gefangen nehmen lassen.

Was bedeutet dieser Vergleich aber nun für die Zeit vor dem Sieg, also sozusagen für den Wettkampf, für unseren christ­lichen Lauf, für unseren Kampf des Glaubens? Ich möchte das, was Paulus hier ausführt, mit drei „Z“ zusammen­fassen: zupackend, zuchtvoll, zielstrebig – so sollen wir den Kampf des Glaubens kämpfen.

Erstens also: Zupackend. Engagiert. Ehrgeizig. Mit vollem Elan. Warum sonst sollte Paulus betont haben: „Es laufen alle, aber einer empfängt den Sieges­preis“? Doch nur, um ganz deutlich zu machen: Strengt euch an in eurem Glaubens­kampf! Strengt euch so an, als ob ihr die ersten sein müsst, die Besten! „Lauft so, dass ihr ihn erlangt.“ Paulus forderte den sportlichen Ehrgeiz seiner ko­rinthischen Christen heraus, die das von ihrem Stadion her sehr wohl kennen, und lenkt diesen sportlichen Ehrgeiz auf das Wichtigste und Wesent­liche: auf das Leben mit Gott! Lassen auch wir uns in unserem sportlichen Ehrgeiz heraus­fordern; nehmen wir uns ein Beispiel an den Sport­helden, die über unsere Bildschirme flimmern. Schaut sie euch an: Mit aller An­strengung, mit ganzer Kon­zentration, vorbereitet an Leib und Seele, mit jeder Muskelfaser streben sie dem Ziel zu. Einem neben­sächlichen Ziel, vergäng­lichem Ruhm und vergäng­licher Ehre. Wieviel mehr sollten wir dem einzig lohnenden Ziel zustreben, dem Wichtigsten und Wesent­lichen? Glauben wir also zupackend, und leben wir so! Klar, mancher ist da skeptisch. „Glauben ja – aber nur nicht fanatisch werden!“, so habe ich es oft gehört. Manche haben Angst davor, sie könnten es mit ihrem Christsein über­treiben. Diese Christen kann ich beruhigen: Die Furcht ist un­begründet. An keiner einzigen Stelle in der Bibel warnt uns Gott davor, dass wir zu intensiv im Glauben leben könnten. Aber an unzähligen Stellen warnt er uns davor, dass wir es zu lasch tun! Dass wir lau werden! Dass wir halbherzig sind, zwei Herren dienen, Gott nicht an die erste Stelle setzen! Und so lesen wir es ja auch hier: Ganz und gar zupackend sollen wir den Kampf des Glaubens führen, ganz kon­zentriert und ehrgeizig.

Und zweitens – das zweite „Z“ – : Zuchtvoll. Das heißt: mit Selbst­zucht, mit Selbst­disziplin. Paulus verglich uns Christen mit Sportlern, als er schrieb: „Jeder, der kämpft, enthält sich aller Dinge (das heißt: der lebt in jeder Beziehung enthaltsam, eben zuchtvoll); jene nun, damit sie einen ver­gänglichen Kranz empfangen, wir aber einen un­vergäng­lichen.“ Paulus wusste, dass die Teilnehmer an den Isthmischen Spielen in Korinth zehn Monate lang in strenger Askese lebten. Sie tranken keinen Alkohol, sie aßen eine bestimmte Diät, sie enthielten sich vom Geschlechts­verkehr. Bei den heutigen Sportlern mag das ein bisschen anders sein, aber noch heute gilt: Wer Höchst­leistungen erbringen will, muss sorgfältig auf seine Lebensweise achten und sich auch ganz schön selbst quälen. Ja, ein Sportler muss zuchtvoll leben, wenn er denn einmal auf dem Sieger­treppchen stehen will. Was bedeutet das nun wieder für unseren Kampf des Glaubens? Mit Selbstzucht sollen wir ihn leben, und das heißt: ohne Selbst­sucht. Ohne dass unsere körper­lichen Bedürfnisse und die Annehmlich­keiten des Lebens im Vordergrund stehen sollen. Wer den Kampf des Glaubens lebt, der kann nicht nach dem Lustprinzip leben, das heute so weit verbreitet ist. Was das praktisch bedeutet, das wisst ihr. Ihr seid heute morgen auf­gestanden, obwohl es im Bett wahr­scheinlich noch so gemütlich war, und seid zum Gottes­dienst gekommen. Ihr opfert Zeit und Geld für eure Kirchen­gemeinde, für das Reich Gottes. Und, so möchte ich annehmen, ihr verzichtet jeden Tag auf ein bisschen Ruhe, Hobby oder Fernsehen, um zu beten und Andacht zu halten. Wenn ihr versucht, nach den Zehn Geboten zu leben, dann merkt ihr, dass man auch da sich selbst oft in Zucht nehmen muss. Dass man zum Beispiel nicht alles aus seinem Mund heraus­lassen darf, was einem in den Sinn kommt, sondern dass man seine Zunge in Zaum halten sollte. Es gibt leuchtende Beispiele für die Selbstzucht im Glaubens­kampf. Auch Paulus selbst ist ein Vorbild darin, wie er sich für das Evangelium aufgeopfert hat. Er schrieb: „Ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn, damit ich nicht anderen predige und selbst verwerflich werde.“

Und nun kommt noch das dritte Z: Ziel­strebig. Ganz auf das Ziel aus­gerichtet. Unabgelenkt von den Dingen, die rechts und links neben der Kampfbahn laufen. Wer als Läufer gewinnen will, der darf sich nicht nach den anderen umsehen, sonst verliert er wertvolle Sekunden. Er darf auch nicht in der Gegend herum­schauen, etwa die Zuschauer beobachten. Das Ziel ist alles; darauf richtet sich die ganze Kon­zentration. Paulus hat dafür auch noch den Boxkampf als Beispiel zu Hilfe genommen: „Ich kämpfe mit der Faust, nicht wie einer, der in die Luft schlägt.“ Klar, der Boxer, der Löcher in die Luft haut, der sammelt keine Punkte. Zielbewusst muss er schlagen und kämpfen. Damit schließt sich der Kreis, damit sind wir wieder am Anfang der Predigt. Das wunderbare Ziel, der herrliche Siegespreis, das ist all unsere Mühen wert, unseren ganzen Einsatz im Glaubens­kampf. Und wenn wir nicht die Hoffnung der himmlischen Freuden hätten, die nach diesem Lauf auf uns warten, dann würde unser Eifer schnell erlahmen, und wir würden irgendwann resigniert aufgeben. Aber da ist ja das herrliche Ziel, Gott selbst hat es uns ver­sprochen! Da wollen wir hinschauen, wo wir Jesus Christus sehen werden, unsern Herrn, unser Ein und Alles! Wir wollen uns nicht umdrehen nach unserer Vergangen­heit mit vielen alten, un­erfreuli­chen Geschich­ten, die uns Kraft und Mut nehmen können für den Glaubens­kampf. „Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt zum Reich Gottes“, sagte Jesus (Lukas 9,62). Wir wollen uns auch nicht ablenken lassen von dem, was rechts und links von der Kampfbahn geschieht: das Stimmen­gewirr in Fernsehen, Radio, Zeitung und sonstwo; die Mitmenschen in der Schule, am Arbeits­platz oder in der Nachbarschaft, die so weit weg sind vom Glauben; der Teufel, der uns Zweifel schickt, der uns ein­flüstert: „Gib's doch auf, den Glaubens­kampf, du schaffst es sowieso nicht, und wer weiß, ob da am Ende wirklich der Siegespreis winkt.“ Das alles soll uns nicht beirren; wir wollen zielbewusst laufen und durch­halten. Und wir wollen Gott um Kraft dazu bitten, denn aus eigener Kraft schaffen wir es nicht. Ja, lasst uns den Herrn bitten für unseren christ­lichen Lauf, für unseren Kampf des Glaubens: Bitte, Herr, schenke uns Kraft, dass wir's richtig machen – zupackend, zuchtvoll und ziel­bewusst. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1992.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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