Jesus weckt den Oster­glauben

Predigt über Lukas 24,36‑49 zum Ostermontag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Seid ihr in Oster­stimmung? Seid ihr erfüllt von der Freude, dass Jesus Christus auf­erstanden ist und lebt? Ich muss gestehen: Ich habe manchmal meine Probleme damit. Schon früher ist es mir öfters so gegangen, dass ich am Karfreitag fröhlich und gut gelaunt war, wo ich doch eigentlich hätte trauern sollen über den Tod meines Herrn und über meine Sünde; aber am Oster­sonntag war ich dann nieder­geschlagen. Kennt ihr das auch? Das mag an bestimmten Erlebnissen liegen oder am Wetter, es mag auch gar keinen erkennbaren Grund haben. Vielleicht bist du heute also gar nicht in Oster­stimmung. Das macht aber nichts. Denn du bist es ja gar nicht, der sich in Stimmung bringen muss, um richtig Ostern zu feiern, sondern Jesus Christus möchte dir jetzt begegnen in seinem Wort und dir den rechten Oster­glauben wecken, und damit auch die Oster­freude. Sei nur ganz offen für ihn und lass dich von ihm beschenken.

Der erste Oster­sonntag vor zweitausend Jahren fing auch für die Jünger damals nicht mit großem Freuden­jubel an. Im Gegenteil: Jesu Anhänger standen noch immer unter dem Schock des Karfreitags und dachten, nun sei alles aus. Und es war auch nicht so, dass das leere Grab die Trauer mit einem Schlag in Freude ver­wandelte. In der heutigen Evangeliums­lesung haben wir gehört, dass die Frauen zunächst einmal ungeheure Angst bekamen, und als der Auf­erstandene dann hier und da erschien, brachte die Kunde davon weiteres Erschrecken und große Unruhe. Die Oster­berichte des Neuen Testaments spiegeln das wider, weil sie sich kaum zu einem geordneten Ablauf der Ereignisse zusammen­fügen lassen. Trauer, Angst und Unruhe prägten also zunächst den Auf­erstehungs­sonntag. Aber da hinein trat der Auf­erstandene selbst und weckte Stück für Stück den Oster­glauben! So können wir es auch in diesem Abschnitt des Lukas-Evangeliums erkennen: Zuerst sind da die Gerüchte vom Auf­erstandenen, dann erscheint er selbst, sie er­schrecken, er gibt ihnen handfeste Erweise seiner Auf­erstehung, und schließlich deutet er ihnen die Weis­sagungen des Alten Testaments. Dann sendet er sie aus, damit sie die Auf­erstehungs­botschaft in die Welt tragen.

Doch lasst uns der Reihe nach gehen. Da war der Auf­erstandene am Sonntag­abend zwei Jüngern auf dem Weg nach Emmaus begegnet und hatte sich beim Abendessen durchs Brotbrechen zu erkennen gegeben. Die beiden waren sofort umgekehrt und nach Jerusalem zurück­gelaufen, um den anderen Jüngern davon zu berichten. Dort waren aber schon die ersten Auf­erstehungs­meldungen ein­getroffen, sodass man sehr zu­versichtlich meinte: „Der Herr ist wahrhaftig auf­erstanden!“ Während man noch hin und her davon redete, stand der Auf­erstandene plötzlich bei ihnen – das erste Mal vor so vielen Zeugen. „Friede sei mit euch!“, begrüßte er sie. Die Jünger, die eben noch so vollmundig von der Auf­erstehung geredet hatten, erschraken und dachten: „Das kann ja wohl nicht wahr sein. Das muss ein Geist sein, ein Gespenst.“ Jesus ging auf sie ein: „Was seid ihr so er­schrocken, und warum kommen solche Gedanken in euer Herz?“ Und dann lieferte er ihnen handfeste Beweise, dass er kein Geist ist, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut ist – der auf­erstandene Jesus von Nazareth, kein anderer! Sie durften sich seine Hände und Füße genau ansehen: Da waren noch die Wunden von den Kreuzes­nägeln zu sehen. Sie durften ihn anfassen, ihn am Arm packen, ihn rütteln und schütteln: Wirklich, ein lebendiger Mensch! Und um auch die letzten Zweifel aus­zuräumen, ließ er sich die Reste ihres Abendessens vorsetzen und aß ein Stück gebratenen Fisch. Ein Geist kann nichts essen, und wenn der Auf­erstandene nur eine Einbildung gewesen wäre, dann hätte das Stück Fisch auf dem Teller liegen bleiben müsen. Aber kein Zweifel: Jesus ist wahrhaftig leiblich auf­erstanden!

Liebe Brüder und Schwestern, der Evangelist Lukas hätte schon ein ganz schön gerissener Betrüger sein müssen, wenn Jesus nicht wirklich auf­erstanden wäre. Denn was er hier berichtet hat, damit will er doch ganz klar aussagen, dass Jesus wirklich leiblich auf­erstanden ist. Wie die Jünger damals sollen auch wir heute, die wir das lesen und hören, die letzten Zweifel an seiner Auf­erstehung aufgeben. Durch sein Erscheinen weckte und stärkte Jesus den Jüngern ihren Oster­glauben, und durch das Zeugnis des Evan­gelisten tut er es auch bei uns. Wir haben das auch nötig. Wie die Jünger vor Ostern, so denken auch wir in manchen Situatio­nen: „Nun ist alles aus!“ Wir trauen Gott nicht mehr zu, einen wunderbaren Ausweg zu schaffen. Wie die Jünger später, so reden auch wir viel von der Auf­erstehung, wir singen heute dauernd in der Liturgie: „Der Herr ist auf­erstanden!“, und wir bekennen jeden Sonntag: „Am dritten Tage auf­erstanden von den Toten“ – aber rechnen wir auch wirklich damit, dass er lebt, dass er jetzt hier bei uns ist, dass er nicht nur unser Singen und Beten hört, sondern auch unsere Gedanken kennt? Er lebt doch und ist uns ganz nahe bis an der Welt Ende! Es gilt noch heute sein Gruß von damals, für jeden von uns: „Friede sei mit euch!“ Er schenkt dir Frieden mit Gott durch sein Opfer am Kreuz, er schenkt dir auch Frieden mit deinen Mitmenschen und schließlich auch Frieden mit dir selbst. Wie auch immer dir zumute ist, was auch immer du von dir selbst denkst: Du bist ein von Gott geliebter Mensch durch Jesus Christus, den Auf­erstandenen! Und du darfst es auch immer wieder spüren, wie die Jünger damals seinen Körper anfassen und seine Wunden betrachten durften. Sieh nur genau hin! Wie oft hat er schon deine Gebete erhört? Wie oft hast du schon seine Nähe gespürt? Wie oft hat er sich in deinem Leben als der Lebendige erwiesen?

Nun beließ Jesus es damals aber nicht bei den handfesten Auf­erstehungs-Beweisen, bei den Wundmalen, dem Anfassen und dem Fisch-Essen. „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“, so hat er eine Woche später den ungläubigen Thomas ermahnt. Auch schon hier, am ersten Osterabend, wollte er seine Jünger vom Sehen zum Glauben führen. Denn der Glaube kann nur durch das Wort recht Wurzeln fassten, nicht durch äußerliche Beweise. Darum predigte Jesus seinen Jüngern und machte ihnen bewusst: „Habe ich euch das nicht alles zuvor gesagt? Wie oft habe ich an­gekündigt, dass der Menschen­sohn getötet wird und nach drei Tagen wieder auferstehen wird! Habt ihr das vergessen? Wisst ihr denn nicht, dass ihr meinem Wort ganz und gar vertrauen könnt? Und ebenso haben es die Propheten voraus­gesagt. Erinnert euch daran – zum Beispiel an Micha, an Sacharja und an Daniel, denen der Heilige Geist gezeigt hat, dass der Messias ewig herrschen wird. Oder an Jesaja, der die Leiden und den Opfertod des Gottes­knechts voraussah, sowie auch seine an­schließende Erhöhung. So stehts geschrieben – glaubt doch einfach, was Gott gesagt hat!“

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, wir Lutheraner wissen das sehr gut, das ist gewisser­maßen unsere starke Seite: Der Glaube lebt vom Wort Gottes. Das Wort Gottes ist ein viel trag­fähigerer Grund für den Glauben als das eigene Erleben. Vielleicht wisst ihr, dass bei anders geprägten Christen eher persönliche Glaubens­zeugnisse im Vordergrund stehen. Sie erzählen viel von dem, was Gott in ihrem Leben getan hat, und halten sich mit ihrem Glauben daran fest. Nun, solche Erlebnisse sind ja auch etwas sehr Schönes, und sie können für den Glauben wirklich hilfreich sein – aber etwa so, wie es die handfesten Auf­erstehungs­beweise in unserer Geschichte sind: das Betrachten der Wunden, das Anfassen, das Fisch-Essen. Jesus will den Oster­glauben jedoch auf ein noch festeres Fundament stellen, auf das Wort Gottes nämlich, genauer: auf sein eigenes Wort und das Wort der Propheten. Darum führt er die Jünger und uns weiter – und zwar vom Erleben zum Wort. „So stehts ge­schrieben“, sagte er – und so ist es auch, fest und ver­lässlich.

Das ist ein großer Trost für uns in allen wesent­lichen Glaubens­fragen, Fragen wie etwa diesen: Woher wissen wir, dass Gott uns lieb hat? Woher wissen wir, dass er uns die Sünden vergibt? Woher wissen wir, dass er uns zur ewigen Seligkeit führt? Wir wissen es letztlich nur durch sein Wort – wenn wir es glaubend annehmen. Dagegen: An unseren per­sönlichen Erlebnissen mit Gott, an unserer eigenen Erfahrung können wir leicht irre werden. Unser Gefühl, auch unser Verstand kann uns leicht täuschen; da werden wir immer wieder hin- und hergeworfen zwischen Glaube und Unglaube. Das Wort aber ist der Fels in der Brandung, da können wir uns festhalten, wenn die Stürme des Lebens kommen, wenn wir gar nichts mehr fühlen von Gottes Macht. Gottes Zusage steht fest, wird weiter gepredigt, wird weiter ausgeteilt unter dem Zeichen des Brotes und Weines als wahrer Leib und Blut Christi zur Vergebung unserer Sünden.

Ja, Jesus führte den Oster­glauben seiner Jünger damals vom äußeren Erweis hin zum Wort. Und er führte ihn noch weiter: Er führte ihn zum Bekennen. Denn was in Gottes Wort verheißen ist, das ist mit Ostern noch nicht völlig erfüllt. Es steht auch ge­schrieben, „dass gepredigt wird im Namen Jesu Buße zur Vergebung der Sünden unter allen Völkern.“ Und daraus leitete Jesus den Auftrag ab, den er seinen Jüngern gab: „Fangt an in Jerusalem und seid dafür Zeugen.“ Eine unmögliche Aufgabe? Eine Handvoll Jünger soll allen Völkern das Evangelium bringen? Ohne Theologie­studium, ohne Massen­kommu­nikations­mittel, ohne nennens­werten Etat? Nun, das alles bringt's sowieso nicht; es ist vielmehr der Geist Heilige Geist, der's bringt! Jesus selbst will das Werk vollbringen in seinen Jüngern, und er tut es durch den verheißenen Tröster. „Ich will auf euch herab­senden, was mein Vater verheißen hat“, kündigte er an.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, lassen auch wir uns von Jesus weiter­führen mit unserem Oster­glauben! Es ist ja derselbe Geist, den er heute noch sendet und spendet, auch hier in dieser Kirche. Es ist jener Geist, der zum Glauben auch das Bekennen wirkt, wie Jesus sagte: „Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über“ (Lukas 6,45). Und so kann der Osterglaube kein stummer Glaube sein, sondern er muss heraus­rufen, heraus­jubeln: „Der Herr ist auf­erstanden! Er ist wahrhaftig auf­erstanden! Halleluja!“ Glaube äußert sich immer im Bekennen. Nur dass wir Lutheraner uns damit oft schwerer tun als anders geprägte Christen. Aber das muss ja nicht unser Schicksal bleiben. Lasst uns also weiter­sagen, was Jesus uns mit dem Oster­glauben geschenkt hat! Die frohe Botschaft von der Auf­erstehung ist ein „Frische­artikel“, der bei uns nicht versauern soll. Alle sollen hören, dass Jesus lebt, dass er Frieden mit Gott schenkt durch Buße und Vergebung der Sünden, dass er ewiges Leben schenkt allen, die an ihn glauben.

So möchte ich zum Schluss jedem von euch eine kleine Oster-Aufgabe mit auf den Weg geben: Sage einem Menschen, der in keinem Oster­gottesdienst war, was Ostern für dich bedeutet. Nimm dir das vor, für heute oder für diese Woche. Sag ihm einfach, dass Jesus Christus lebt. Lass dir vom Auf­erstanden den Oster­glauben wecken – bis dahin, dass auch bei dir der Glaube zum Bekennen wird. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1991.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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