Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Das Wichtigste und Beste am Christenleben ist, dass Gott uns arme Sünder wunderbar beschenkt. Er schenkt Vergebung der Sünden und ewiges Leben. Er schenkt sein heiliges Wort und die Sakramente. Er schenkt die Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern im Herrn Jesus Christus. Und er hat seiner Kirche auch die Apostel geschenkt, die Männer, auf deren Zeugnis die ganze Christenheit ruht wie auf einem erdbebensicheren Fundament. Zu dieser Gabe Gottes gehört auch der nachgewählte Apostel, der Ersatzapostel für Judas, der Apostel Matthias, dem der heutige 24. Februar gewidmet ist. „Matthias“ heißt zu deutsch „Gabe Gottes“. Der Name dieses Apostels sagt, was er ist: Gottes Gabe, Gottes Geschenk an seine Kirche. Das wollen wir nun näher betrachten: erstens, wie Gott ihn als zwölften Grundstein im Fundament der Kirche verankerte; zweitens, wie er ihn als offiziellen Auferstehungszeugen berief; und drittens, auf welch wunderbare Weise er diesen Apostel der Kirche geschenkt hat.
Erstens: Gott schenkt den Matthias als zwölften Grundstein im Fundament der Kirche. Als Jesus in Galiläa öffentlich zu predigen und Wunder zu tun begann, folgten ihm viele Menschen nach. Doch zwölf Nachfolger, zwölf Jünger wählte er sich zu besonderer Gemeinschaft. Der Evangelist Markus formulierte sogar: „Er schuf zwölf.“ Die Zahl zwölf ist dabei kein Zufall, sondern sie erinnert an die zwölf Stämme des Volkes Israel, Gottes auserwähltes Volk im alten Bund. So wie das Volk Israel auf zwölf Stammväter zurückgeht, gründet die Christenheit auf den zwölf besonderen Jüngern, die Jesus sich erwählte. Die Christenheit ist ja Gottes auserwähltes Volk im neuen Bund, das neue Israel. Nun wissen wir freilich, dass einer dieser Zwölf zum Verräter wurde: Judas Iskariot. Nicht, dass Gott ihn dazu vorherbestimmt hätte. Nein, Judas hatte die höchste Berufung, die ein Mensch wohl je haben konnte: Er durfte zu dem engen Zwölferkreis um Jesus gehören. Aber auch die höchste Berufung schützt nicht vor Abfall, wenn jemand dem Teufel nachgibt und sich für dessen finstere Werke einspannen lässt. So verlor Judas sein hohes Amt als Grundstein im Fundament der Kirche und kam in großer Verzweiflung auf tragische Weise ums Leben.
Deshalb geschah zwischen der Himmelfahrt Jesu und der Ausgießung des Heiligen Geistes das, was wir eben gehört haben: Petrus ergriff die Initiative, um die vakante zwölfte Apostelstelle neu zu besetzen. Er tat es nicht eigenmächtig, sondern er tat es im Gehorsam gegen Gottes Wort. Er wusste das Psalmwort recht zu deuten: „Sein Amt empfange ein anderer.“ Er wusste: Gott will, dass es wieder zwölf Apostel sind, zwölf Säulen, zwölf Grundsteine im Fundament der Kirche. Die ganze Christenheit soll wissen: Wir sind das neue Israel; und wie das alte Israel sich auf zwölf Stammväter gründete, so gründen wir uns auf zwölf Apostel.
Liebe Gemeinde, das ist auch für uns heute ganz herrlich und tröstlich – besonders in einer Zeit, in der alles ins Rutschen kommt, in der Überkommenes angezweifelt wird, in der die Menschen Halt suchen und doch so selten finden. Wir, liebe Gemeinde, wir haben ein festes, tragfähiges Fundament für unseren Glauben, ein vollständiges Fundament mit zwölf Grundsteinen, weil Gott uns noch den Matthias dazugeschenkt hat. Wir gründen uns auf diese zwölf Männer, die unsern Herrn Jesus Christus persönlich gekannt haben. Ja, auf das Zeugnis von zwölf geisterfüllten Männern gründen wir uns, nicht auf irgendwelche Fabeln, Märchen, Mythen, Mutmaßungen oder Hypothesen. Sogar wenn wir an uns selbst unsicher werden und an unserem schwankend-schwachen Glauben, gilt immer noch: Das Fundament ist fest und solide, auf das wir mit unserer Taufe gestellt worden sind, das Fundament der zwölf Apostel mit dem Eckstein Christus. Auch unsere Hoffnung für die Zukunft gewinnt Festigkeit durch dieses Fundament: Das himmlische Jerusalem, das der Apostel Johannes geschaut und in der Offenbarung aufgeschrieben hat, hat an den zwölf Toren zwölf Grundsteine mit den Namen der Apostel. Auch der Namen „Matthias“ steht darauf, „Gottes Gabe“.
Zweitens: Gott schenkt den Matthias als Auferstehungszeugen. Als Petrus sich nach einem Ersatzapostel für Judas umsah, nannte er bestimmte Bedingungen, die dieser erfüllen musste: „So muss nun einer von diesen Männern, die bei uns gewesen sind die ganze Zeit über, als der Herr Jesus unter uns ein- und ausgegangen ist – von der Taufe des Johannes an bis zu dem Tag, an dem er von uns genommen wurde – , mit uns Zeuge der Auferstehung werden.“ Von hundertzwanzig anwesenden Personen erfüllten nur zwei Männer diese Bedingung: ein gewisser Josef Barsabas Justus und eben Matthias. Die waren schon dabei gewesen, als Jesus von Johannes im Jordan getauft wurde. Die waren mit Jesus mitgezogen in dem größeren Jüngerkreis, der meistens um ihn war, hatten seine Predigten gehört und seine Wunder gesehen. Die konnten seinen Tod bezeugen und, das Wichtigste, seine Auferstehung: Sie gehörten zu den mehr als fünfhundert Brüdern, von denen Paulus bezeugte, dass sie den Auferstandenen leibhaftig gesehen hatten. Sie waren schließlich auch bei der Himmelfahrt Christi dabei. Und den einen von Ihnen schenkte Gott nun als Apostel der Christenheit, als offiziellen Auferstehungszeugen gewissermaßen. Denn das ist das entscheidende am Apostelamt: dass sie Augen- und Ohrenzeugen Jesu Christi des Auferstandenen sind.
Liebe Gemeinde, wie schön, dass uns dies hier so deutlich vor Augen geführt wird: Unser Glaube ist Osterglaube! Unser Glaube lässt sich zusammenfassen in die kurze, klare Botschaft: Jesus ist für uns gestorben, und siehe, er lebt wieder. Und Matthias gehört zu denen, die uns das mit ihrem direkten Zeugnis, mit ihrer eigenen Person garantieren: Ja, das ist wirklich wahr, das ist wirklich alles so geschehen, das ist fest und verlässlich. Liebe Gemeinde, was den Kern unseres Glaubens ausmacht, ist wirklich ganz einfach: Christus hat unsere Strafe getragen durch seinen Tod am Kreuz. Damit hat er den Tod besiegt, und wir können ewig leben. Er ist der Erstling der Auferstehung geworden, er ist uns vorausgegangen in seines Vaters Haus, um uns dort herrliche Wohnungen zu bereiten. Wer an ihn glaubt, der wird es erlangen. Mehr braucht eigentlich nicht gesagt zu werden. Gott hat diese frohe Botschaft ausgehen lassen in alle Welt, durch Jahrhunderte und Jahrtausende hindurch. Auch durch seinen Boten und Auferstehungszeugen Matthias hat er es getan. Gott sei Lob und Dank für diese Gabe!
Drittens: Gott schenkt den Matthias auf wunderbare Weise. Nicht nur, dass er es so gefügt hat, dass Matthias bei der Apostel-Nachwahl anwesend war und dass es überhaupt Leute gab, die die strengen Voraussetzungen für einen offiziellen Auferstehungszeugen erfüllten. Nein, auch die Art und Weise, wie Matthias von diesen beiden Kandidaten in das Amt kam, ist wunderbar. Auf den ersten Blick freilich kommt uns das ein wenig merkwürdig vor: Er wurde ausgelost! Hat sich Petrus das nicht ein bisschen zu einfach gemacht? Darf man überhaupt in so ernsten Fragen das Los entscheiden lassen, eine Art Orakelspiel betreiben? Aber nein, das ist es nur auf den ersten Blick. Leicht übersehen wir das Wichtigste, nämlich das Gebet der Gemeinde. Die Gemeinde betete vor der Auslosung: „Herr, der du aller Herzen kennst, zeige an, welchen du erwählt hast von diesen beiden, damit er diesen Dienst und das Apostelamt empfange…“ Also: Nicht das Los sollte entscheiden, auch nicht Petrus als Autorität oder die Gemeinde in einer demokratischen Wahl, sondern Gott selbst, der Herr Jesus Christus selbst! Er sollte sich den neuen zwölften Apostel auswählen, so wie er auch die übrigen elf selbst ausgewählt und berufen hat. Wir können überzeugt sein: Der Herr Jesus Christus hat sich nicht umsonst bitten lassen; er hat es so gefügt, dass das Los auf den Matthias fällt. Den wollte er für dieses Amt haben; den hat er selbst der Christenheit als neuen zwölften Apostel geschenkt.
Liebe Gemeinde, daraus können wir auch heute etwas lernen. Wenn der Herr Jesus seiner Kirche Diener für bestimmte Ämter schenkt, dann kann das formal unterschiedlich aussehen. Heute ruft er ja auch nicht mehr direkt in seinen Dienst, etwa durch eine Stimme vom Himmel oder durch einen Engel, sondern er ruft indirekt durch seine Kirche und Gemeinde, wie es auch bei dem Matthias der Fall war. Das Wichtigste dabei ist, dass wir ihn bitten – Gott will um seine Gaben gebeten sein. Weniger wichtig ist es dann, durch welches Verfahren derjenige bestimmt wird, ob durch Los oder durch Wahl oder durch ein kleines Gremium oder wie auch immer. Wenn wir in unserer Gemeinde Vorsteher zu wählen haben oder wenn Synoden bestimmte Personen in gesamtkirchliche Ämter wählen, so wollen wir das bedenken. Wir wollen den Herrn Jesus Christus bitten, dass er selbst sie uns schenkt; das ist das Wichtigste. Und dann kann mit Wahlzetteln abgestimmt werden, wie es die Ordnung unserer Kirche vorsieht. Aber bilden wir uns nicht ein, wir selbst hätten uns die Amtsinhaber erwählt, sondern nehmen wir auch sie als Geschenke unseres Herrn Jesus Christus an, als Matthiasse gewissermaßen. Übrigens sind auch die anderen Mitarbeiter in Kirche und Gemeinde, die nichtgewählten also, Geschenke unseres Herrn Jesus Christus – bis hin zu denen, deren Mitarbeit darin besteht, dass sie im Verborgenen treu die Hände falten für die Ausbreitung von Gottes Reich.
Lasst mich an dieser Stelle noch einen Schritt weiterdenken, auch wenn es nicht direkt mit unserem Bibelwort zu tun hat. Ich habe manchmal den Eindruck, dass einige Gemeindeglieder davor zurückschrecken, sich vom Herrn Jesus Christus in den Dienst nehmen zu lassen. Wenn man sie fragt, ob sie nicht hier oder da mithelfen können oder ob sie nicht dieses oder jenes Amt übernehmen wollen, dann lehnen sie ab. Menschlich gesehen kann ich das sehr gut verstehen. Viele sind durch Beruf oder Familie oder besondere Lebensumstände so ausgelastet, dass sie sich nicht vorstellen können, noch eine zusätzliche Belastung auf sich zu nehmen. Mancher fürchtet sich vielleicht auch davor, dass die anderen Gemeindeglieder sehr kritisch auf seinen Dienst sehen werden, dass sie hinter seinem Rücken über ihn reden oder gar offen ihren Unmut zum Ausdruck bringen. Diese Aussicht macht es einem nicht gerade leicht, ein Amt zu übernehmen. Aber das ist nur die menschliche Seite, die von der Sünde verdunkelt ist. Darum möchte ich euch allen Mut machen, wenn eine Aufgabe oder ein Amt an euch herangetragen wird: Sprecht fröhlich das Dennoch des Glaubens gegen alle menschlichen Vorbehalte! Gott beschenkt uns reichlich, schenkt uns auch Begabungen und Ämter. Überlegt euch ernsthaft, ob Gott vielleicht auch durch euch schenken möchte, ja, ob er nicht euch der ganzen Gemeinde schenken möchte, so wie er den Matthias der ganzen Christenheit geschenkt hat. Es wäre schade, wenn wir Gottes Schenken im Weg stehen würden. Amen.
PREDIGTKASTEN |