Erntedank mit Herzen, Mund und Händen

Predigt über Hebräer 13,15‑16 zum Erntedankfest

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Schon die Israeliten zur Zeit des Alten Testaments feierten das Erntedank­fest. Sie freuten sich über ihre Ernte, lobten Gott und dankten ihm dafür. Auch opferten sie Erntegaben: Die Erstlings­früchte (das Erste und Beste, was geerntet wurde) gehörten Gott. Man brachte diese Gaben in den Tempel; dort wurden sie zum Teil auf dem Altar verbrannt, zum Teil den Priester und Leviten gegeben, zum Teil an Arme verteilt, zum Teil auch beim fröhlichen Opfermahl verzehrt.

Wir haben keinen Tempel und keinen Opferaltar. Der Hebräer­brief führt uns in seinem Hauptteil vor Augen, dass solches Opfern nun ein Ende gefunden hat durch das eine Opfer Jesu Christi am Kreuz. Trotzdem können auch wir Erntedank feiern. Dabei können und sollen auch wir opfern – freilich auf eine andere Art. Davon redet der Hebräer­brief am Schluss, hier in diesem Abschnitt: „Lasst uns nun durch ihn Gott allezeit das Lobopfer darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen. Gutes zu tun und mit andern zu teilen vergesst nicht; denn solche Opfer gefallen Gott.“

Die ent­scheidenden Wörter in diesem Text für das christliche Erntedank­fest sind un­scheinbar. Es sind die beiden Wörter „durch ihn“. Gemeint ist Jesus. Durch ihn, durch Jesus Christus, sollen wir das Lobopfer unserer Lippen darbringen sowie auch die Opfer guter Taten. Und wenn wir das recht bedenken, dann erkennen wir: Erntedank fängt im Herzen an, mit dem Glauben. Nur wer im Glauben mit Jesus verbunden ist, kann durch ihn Gott loben, Gutes tun und auf diese Weise richtig Erntedank feiern.

Lasst uns bei diesem Gedanken ein wenig verweilen. Es wird ja nicht gleich auf den ersten Blick klar, was Jesus mit der Ernte zu tun hat und mit unserem täglichen Brot. Lasst uns also gemeinsam überlegen: Was glauben wir denn eigentlich, wenn wir an Jesus glauben? Wir glauben ja nicht nur, dass es einen Gott gibt. Und wir glauben nicht nur, dass Jesus mal gelebt hat, dass er am Kreuz gestorben und dann auf­erstanden ist. Wir glauben vielmehr, dass er uns dadurch versöhnt hat mit seinem himmlischen Vater – uns, die wir uns durch unsere Sünde von ihm losgerissen hatten und in unser Verderben gerannt waren. Aber die Strafe für unsere Schuld hat Christus an unserer Statt getragen. Darum trennt uns nun nichts mehr von Gott im Himmel. Wir dürfen „Vater“ zu ihm sagen und gewiss sein, dass er uns versorgt wie ein lieber Vater seine lieben Kinder, für Zeit und Ewigkeit. Deshalb wissen wir auch, dass wir allen Erntesegen ihm zu verdanken haben, denn zu ihm gehören wir durch das Opfer seines Sohnes.

Wenn der Erntedank im Herzen mit dem Glauben beginnt, dann können uns keine Erntedank-Probleme aus der Bahn werfen. Erntedank-Probleme hat es ja immer gegeben, und sie stehen uns auch dieses Jahr wieder vor Augen. Da ist die große Trockenheit im Frühjahr gewesen, die manches Wachstum gehemmt hat. Da sind die Umwelt­probleme einer in­dustriel­len Land­wirtschaft. Da ist der große Produktions­überschuss, der sinkende Preise zur Folge hat und viele Landwirte in wirtschaftliche Existenznot bringt. Der Bauer, der sich früher rühmen konnte, einen direkt lebens­notwendigen Beruf auszuüben, muss heute fest­stellen, dass er für andere nur eine unliebsame Konkurrenz darstellt. Und dann gibt es noch all die Schwierig­keiten, die mit der euro­päischen Gemein­schaft und ihrer strengen Reglemen­tierung auf dem Agrarsektor zusammen­hängen. Ja, Probleme gibt es genug, Lösungen aber sind wenige in Sicht – wenn man sich das so richtig bewusst macht, kann einem der Erntedank im Hals stecken­bleiben. Wenn aber der Erntedank mit dem Glauben beginnt, können wir den Problemen ein getrostes Dennoch entgegen­setzen: Weil der himmlische Vater uns so sehr liebt, dass er seinen ein­geborenen Sohn für uns in den Tod dahingab und uns das ewige Leben schenkt, dann kann er es nicht böse mit uns meinen. Und letztlich müssen uns dann auch alle Erntedank-Probleme, unter denen wir leiden, zum Besten dienen. Deshalb können wir durch Jesus wirklich „allezeit“ Erntedank feiern, wie es hier im Hebräer­brief steht, nämlich in guten wie in schlechten Zeiten, bei üppiger wie bei kärglicher Ernte, bei hohen wie bei niedrigen Preisen.

„Lasst uns durch ihn Gott allezeit das Lobopfer darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen.“ Der Erntedank des Herzens führt zum Erntedank des Mundes: zum Lobopfer, zur Frucht der Lippen. Da ist das Dankgebet für alle guten Gaben, die der himmlische Vater uns schenkt. Da ist das frohe Loblied auf unseren Lippen. Da ist das Bekenntnis unseres Glaubens, mit dem wir Gott loben, uns gegenseitig stärken und auch den Zweifelnden unser Herz offenbaren: „Ich glaube an Gott den Vater, den All­mächti­gen…“

Mit diesem Lobopfer des Mundes wollen wir es so halten, wie es schon die Israeliten mit ihrem Ernteopfer taten: Wir wollen Erstlings­früchte opfern! Der Anfang der Woche gehört dem gemeinsamen Lobopfer im Gottes­dienst, der Sonntag­vormittag. Und es sollen gute Gaben sein, die wir da opfern. Wir wollen uns Mühe geben, dass es recht schön klingt. Auch der Anfang des Tages ist dafür da, um Gott zu loben, um zu beten und um möglichst auch ein frohes Lied zu singen. Ja, wenn wir täglich Andachten halten, dann kommen wir dem nahe, was im Hebräer­brief steht: „Lasst uns allezeit Gott loben.“ Das Erntedank­fest ist (wie die anderen besonderen Tage des Kirchen­jahres auch) nur die Spitze eines Eisberges; es macht einmal im Jahr bewusst, wie wir allezeit leben sollen: nämlich dankbar, mit einem Lobopfer für Gott auf unseren Lippen.

Auch beim Erntedank der Lippen soll dann deutlich werden, dass er aus dem Herzen kommt, also aus dem Glauben an Jesus Christus; „durch ihn“ sollen wir ja dieses Lobopfer bringen. Und so werden wir nicht beim Dank für die Erntegaben und für das tägliche Brot stehen bleiben, sondern Gott auch für seine viel größeren un­vergäng­lichen Gaben danken: die Vergebung der Sünden, das ewige Leben. Und wir werden nicht nur dem lieben Vater danken, der uns versorgt, sondern auch dem Sohn, der uns erlöst hat, und dem Heiligen Geist, der uns im Glauben berufen und erleuchtet hat, sodass wir an dieser Erlösung teilhaben können. Wenn wir mit dem Mund Erntedank feiern, so kommt aus diesem Mund stets der Lobpreis des dreieinigen Gottes und stets der Dank für alles, was er uns Gutes getan hat.

Solcher Erntedank mit dem Mund würde sich freilich als Heuchelei erweisen, wenn nicht der Erntedank mit den Händen hinzukäme. Deshalb schließt der Hebräer­brief sogleich an: „Gutes zu tun und mit andern zu teilen, vergesst nicht; denn solche Opfer gefallen Gott.“ Wenn der Erntedank bei uns im Herzen anfängt, also mit dem Glauben, dann braucht uns das eigentlich gar nicht gesagt zu werden, dann spüren wir schon von selbst: Gott hat uns so lieb, wie sollten wir da unsere Hände vor dem Nächsten ver­schließen? Ja, wir wollen herzlich gern Gutes tun und teilen. Aber wir merken, dass das gar nicht so einfach ist. Einerseits ist in unserem Sozialstaat schon vieles gesetzlich geregelt, wo früher Almosen nötig waren. Anderer­seits sind wir unsicher, wie wir denn den Hungernden und Bedürftigen hier und in anderen Ländern am wirksamsten helfen können. Wir wollen ja nicht, dass unsere Gaben in irgend­welchen finsteren Kanälen ver­schwinden, oder dass durch unsere Spenden für die Dritte Welt die Abhängig­keit dieser Menschen von den Industrie­ländern noch verstärkt wird. Es ist gar nicht so einfach, in dieser Beziehung Gutes zu tun und abzugeben.

Liebe Gemeinde, auch ich bin da oft ratlos. Aber unsere Un­sicherheit ist keine Ent­schuldigung dafür, tatenlos zu bleiben. So ist es gut, wenn wir einmal gemeinsam überlegen: Wie kann das heute aussehen, in unserer ge­sellschaft­lichen Situation – Gutes tun und mit anderen teilen? Nur, weil ich Pastor bin, weiß ich das nicht besser als ihr. Darum erhoffe ich mir von unserem heutigen Gemeinde­abend, dass wir da ein Stückchen weiter­kommen. Ver­schiedene Gemeinde­glieder wollen uns da helfen, die sich besonders informiert haben. „Ernte­überschuss und Hunger in der Welt – was können wir tun?“ lautet das Thema. Ich denke, dass das gemeinsame Gespräch eine gute und wichtige Weiter­führung meiner Predigt sein kann. Erntedank mit den Händen – wir sollten uns infor­mieren, wie es gemacht wird.

Auch der Erntedank mit den Händen soll in Christus geschehen; er soll vom Glauben an Jesus ausgehen. Und wenn wir an Christus glauben, dann möchten wir nicht nur, dass unsere Mitmenschen ihr täglich Brot bekommen, sondern dann liegt uns auch besonders daran, dass sie von der Liebe Gottes erfahren, die in Jesus Fleisch geworden ist. Manchmal wird Anstoß daran genommen, dass die Mission sich angeblich nur um die Seelen der Menschen kümmert und nicht um ihre leiblichen Belange. Ich weiß, dass jede rechte Mission sich auch immer um die leiblichen Belange gekümmert hat. Aber ebenso verkehrt, ja, noch ver­heerender wäre es, wenn wir den Hungrigen nur zu essen geben würden, ohne ihnen von der Hoffnung zu sagen, die Gott allen Menschen in Christus gegeben hat, denn da geht es doch um das ewige Leben. Gute Werke und opfer­williges Teilen müssen daher immer Hand in Hand gehen mit der guten Nachricht des Evan­geliums, wenn sie in Jesus Christus geschehen sollen.

Darum möchte ich auch und gerade heute zum Ernte­dank­fest an die Mission erinnern und zum fröhlichen Spenden für unsere Lutherische Kirchen­mission ermuntern. Gerade sie verbindet das Wortzeugnis des Evangeliums mit dem Tatzeugnis der Hilfe für Bedürftige. Darüber hinaus gibt es unzählige andere Möglich­keiten, Gutes zu tun und mit anderen zu teilen, und das nicht nur durch Geld­spenden. Ich glaube nicht, dass ich hier viel aufzählen muss. Gott wird euch die Augen auftun, wo ihr helfen könnt und sollt. Lasst uns nur an der rechten Grund­haltung festhalten, am Dankopfer durch Jesus Christus, dann wird unser Erntedank schon ein rechter werden – mit Herzen, Mund und Händen. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1990.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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