Sklaven der Gerechtigkeit haben es gut

Predigt über Römer 6,19‑23 zum 8. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Was ein Herr ist, was ein Knecht ist und was dienen bedeutet, dafür haben wir in der heutigen Zeit kaum noch anschauliche Beispiele. Zwar gibt es Arbeitgeber und Arbeit­nehmer, Chefs und An­gestellte, aber ihr Verhältnis ist weit von Herr und Knecht entfernt. Arbeitgeber und Arbeit­nehmer sind vielmehr Geschäfts­partner, die nach strengen Gesetzen und aus­geklügelten Verträgen einen Handel eingehen: Der eine erbringt bestimmte Leistungen in einem fest­gesetzten Zeitrahmen, der andere zahlt dafür einen meist tariflich fest­gelegten Lohn und kommt für gewisse Sozial­leistungen auf.

Noch zur Zeit unserer Ur­großeltern war das anders. Der Knecht und die Magd auf dem Bauernhof hatten keine begrenzte Arbeits­zeit, sondern mussten praktisch immer ihrem Herrn beziehungs­weise ihrer Herrin zur Verfügung stehen. Dafür erhielten sie Unterkunft, Verpflegung und eine kargen Lohn. Da wusste man schon eher, was Herr sein, Knecht sein und dienen bedeutete. Zur Zeit des Apostels Paulus schließlich war noch die Sklaverei Gang und Gäbe. Wer einiger­maßen wohlhabend war, hielt sich Sklaven und Sklavinnen. Diese gehörten ihren Herren ganz, waren ihnen praktisch mit Haut und Haaren zum Dienst ver­pflichtet. Die Herren sorgten im Gegenzug dafür, dass sie alles Nötige zum Leben bekamen. Man fand das damals ganz normal, auch unter Christen; kaum einer nahm Anstoß daran.

Ich möchte diese einzelnen Zeit­erscheinun­gen jetzt gar nicht miteinander vergleichen oder moralisch bewerten. Ich habe das nur ausgeführt, damit wir den Vergleich des Apostels Paulus besser verstehen, den er hier bringt. Paulus konnte davon ausgehen, dass den Christen in Rom, denen er schrieb, das Dienst­verhältnis zwischen Sklave und Herr aus dem täglichen Leben wohl vertraut war. Dieses wohl vertraute Bild benutzt er, um dem geistigen Fassungs­vermögen seiner Leser entgegen­zukommen und auf diese Weise Glaubens­wahrheiten zu vermitteln. „Ich muss menschlich reden um der Schwachheit eures Fleisches willen“, leitet er den Abschnitt ein.

Paulus stellt in diesem Abschnitt dar, dass seine christ­lichen Leser in jedem Fall wie Sklaven einem Herrn gehören. Früher waren sie Knechte der Sünde, Jetzt sind sie Gottes Knechte. Das ist eine allgemeine Erkenntnis, die für alle Menschen zutrifft: Irgend­jemandem gehören wir immer, und irgend­jemandem dienen wir immer: entweder dem Teufel oder Gott. Ein Mensch mag sich noch so unabhängig vorkommen, er mag noch so gern selbst Herr sein wollen, letztlich ist er doch nur Knecht und Sklave, gehört mit Haut und Haaren – und vor allem mit seiner Seele – einem Herrn. Gottes Wort offenbart ganz nüchtern, dass es nur diese beiden Möglich­keiten gibt: Teufels­knecht oder Gottes Kind. Der Teufels­knecht dient der Sünde, der Unreinheit, der Un­gerechtig­keit; er hat ein schänd­liches Ende zu erwarten, den ewigen Tod. Mit Gottes Gerechtig­keit hat er nichts zu schaffen, davon ist er frei. Das Gotteskind hat durch Jesus Christus Gerechtig­keit empfangen, dient der Gerechtig­keit und strebt nach Heiligkeit; es hat das große Gnaden­geschenk des ewigen Lebens zu erwarten. Es ist frei von der Sünde, vom Teufel und vom Tod.

Ja, das ist es, was Gott uns hier durch seinen Apostel ganz klar vor Augen führt. Und das geht den meisten modernen Menschen ziemlich gegen den Strich. Und den meisten von uns ist es zumindest etwas fremd. Darum wollen wir einmal sehen, wie sich das denn in der heutigen Zeit auswirkt und woran man das erkennen kann.

Ein Sünden­knecht denkt meistens, er sei ein freier Herr – sein eigener Herr; er könne machen, was er will. Er sündigt sozusagen freiwillig, weil es ihm Spaß macht. Nehmen wir den Herrn Schau-ins-Glas: Er meint, er könne so viel Alkohol trinken, wie es ihm passt, da habe ihm niemand 'rein­zureden, und wenn er sich mal einen ordent­lichen Rausch antrinkt, dann sei das doch seine Privat­sache. Er fühlt sich auch mit mehr als einer Promille Alkohol im Blut noch ganz Herr der Lage und steuert forsch das Auto durch die Nacht. Hört ihr, wie der Teufel da lacht? Der Teufel lacht sich eins ins Fäustchen, was er da für einen braven, wackeren Knecht hat! Einer, der ganz gehorsam das Böse tut, das ihn ins Verderben bringt. Da hat doch neulich ein Betrunkener einen anderen im Streit zu Tode getrampelt! Der arme Kerl, wie soll er je seines Lebens wieder froh werden? Die Schuld­gefühle werden ihn immer verfolgen. Da ist manch harmloser Trinker unversehens zum Alkoholiker geworden, hat damit sein Leben ruiniert und das seiner Familie. Da sitzt manch einer den Rest seines Lebens im Rollstuhl, wegen Alkohol am Steuer. Da haben sich schon viele selbst tot­gefahren. Wie freut sich der Teufel, dass man hier so zahlreich seine Ziele und Interessen verfolgt!

Oder nehmen wir die Frau Wissen-Sie-schon. Sie inter­essiert sich sehr für andere Menschen. Besonders für deren Fehler und Schwächen. Die werden dann im nächsten nachbar­lichen Gespräch ausführlich erörtert. „Wissen Sie schon, die Leute von gegenüber wollen sich scheiden lassen!“ – „Wissen Sie schon, der Mann in dem grünen Haus lässt seine Haustiere verkommen!“ – „Wissen Sie schon, die Frau vom Schornstein­feger zieht sich ganz unmöglich an!“ Hört ihr, wie der Teufel da lacht? Der Teufel lacht sich ins Fäustchen, was er da für eine brave, wackere Magd hat! Eine, die gehorsam Schlechtes redet und sich damit selbst kaputt macht. Denn die Freunde und Nachbarn merken schnell: Der Frau Wissen-Sie-schon darf man nichts an­vertrauen, sonst weiß es morgen der ganze Ort. Am besten, man macht einen großen Bogen um sie, dann kann sie nichts weiter­erzählen. Und so wird diese arme Frau immer einsamer. Wer ihr begegnet, der ist immer auf der Hut, der begegnet ihr mit Misstrauen. Bald hat sie niemanden mehr, mit dem sie ein ver­nünftiges Gespräch führen kann. Einsamkeit aber macht krank; sie kann sogar tödlich sein. Wieder sieht sich der Teufel am Ziel seiner Pläne.

Noch viele weitere Beispiele gibt es für einen Sünden­knecht, der meint, er sei frei, aber tatsächlich als treuer Sklave dem Teufel zuarbeitet. Der Herr Ich-schlaf-mit-jeder zum Beispiel, der sich durch seine sexuellen Aus­schweifungen letztlich selbst unfähig zur Ehe macht und zu wirklicher Liebe. Oder die Frau Alle-wollen-mir-schaden, die mit ihrer negativen Einstellung zu den Mitmenschen sich den letzten Rest Lebens­freude kaputt macht. Sie alle meinen, frei und ihre eigenen Herren zu sein, und sind doch letztlich nur Diener des Bösen.

Wenn wir uns das mal vor Augen führen, dann können wir mehr als dankbar sein, dass wir keine Sünden­knechte sind, sondern dass Jesus Christus uns von der Herrschaft des Teufels erlöst und zu Gottes­kindern gemacht hat. Wie gut haben wir es da, als Sklaven nicht der Sünde, sondern der Gerechtig­keit! Da können wir eigentlich nur fröhlich sein und Halleluja singen! Und wenn wir das mit rechtem Vertrauen fassen, dann liegt uns nichts ferner, als nun doch wieder einem fremden Herrn zu dienen, dem wir gar nicht mehr gehören, und wieder zu sündigen anfangen. Ja, Christus­knechte sind wir geworden durch die Taufe. Als solche bilden wir uns nicht ein, wir könnten unsere eigenen Herrn sein und selbst alles ent­scheiden, was uns gut tut. Wir wissen: Wer Gott dient in Jesus Christus, der fährt am besten; der ist heilig. (Heilig heißt ja nichts anderes als „zu Gott gehörend“.) Der hat auch bei allem Leid und Jammer, das zum Menschsein dazugehört, ein schönes und erfülltes Leben. Auf den wartet als Ziel die ewige Herrlich­keit im Himmel.

Ja, als Christus­knechte wollen wir heilig leben. Wir wollen der Gerechtig­keit dienen. Der Gerechtig­keit, die unser Herr Jesus Christus uns vorgelebt hat. Wir wollen Gott über alles lieben und unsere Mitmenschen wie uns selbst. Wir wollen gut von ihnen denken, gut über sie und mit ihnen reden, Gutes an ihnen tun. Wir wollen Opfer bringen, wollen uns mit Haut und Haaren einsetzen für unsern Herrn Jesus Christus und sein Reich. Wir wollen willig und freudig das anpacken, was er uns zu tun aufgibt: als Sohn oder Tochter, als Vater oder Mutter, als Chef oder An­gestellter, als Schüler oder Rentner, als Gemeinde­glied oder Kirchen­vorsteher. Wir wollen ohne zu murren die Lasten tragen, die er uns auf die Schultern legt – das Kreuz, das keinem Christus##2#knecht erspart bleibt. Wir wollen demütig sein, nicht Dank oder Anerkennung erwarten, uns nichts auf unser Tun einbilden, uns nicht für un­entbehrlich halten. Wir wollen Mäßigkeit üben bei den Dingen, die uns heutzutage so über­reichlich zur Verfügung stehen. Wir wollen uns von Gott den Lebens­rhythmus diktieren lassen mit arbeiten und ruhen, hören und reden, Leibsorge und Seelsorge, Gottes­dienst und Menschen­dienst.

Ja, als Christus­knechte wollen wir der Gerechtig­keit dienen und heilig leben. Wir stoßen uns nicht daran, wenn Heilige von der Mehrheit heute als Witzfiguren angesehen werden. Wir dienen Christus gern. Wir wissen: Wenn wir heilig leben, freuen sich die Engel im Himmel. Und das Ende, das Ziel davon ist das ewige Leben. „Die Gabe Gottes ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserm Herrn“, so schließt dieses Kapitel aus dem Römerbrief. Ja, Gottes Gabe ist es, Gottes Geschenk, das er seinen Sklaven un­verdienter­maßen macht. Wir haben es als Sklaven wirklich nicht verdient, denn dass wir dienen, ist unser Lebens­zweck; wir dienen nicht um Lohn. Unser Herr aber beschenkt uns in seiner großen Liebe reichlich – mit der größten Gabe, die es gibt: mit ewigen Leben. Ja, noch wunder­licher: Jesus Christus selbst wurde ein Knecht, ein Sklave, und hat bis zur Selbst­hingabe gedient, um uns die Freiheit der Gottes­kinder zu erkaufen. So erfahren wir das, was Martin Luther den „fröhlichen Wechsel“ genannt hat: Mein Herr wurde für mich ein Knecht, damit ich Knecht ein Herr werde!

Liebe Gemeinde, ist das nicht wunderbar? Wer selbst sein eigener Herr sein will, ist schon dem Teufel hoffnungs­los versklavt. Wer sich aber als Sklave der Gerechtig­keit und Diener des Herrn Jesus Christus sieht, der hat es gut: Der gewinnt die Freiheit des ewigen Lebens. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1990.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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