Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Auch das ist ein Bild für den Himmel: Menschen stehen an einem See, klar wie Kristall. In dem Wasser lodern Feuerflammen. Die Menschen haben Saiteninstrumente in der Hand, kostbare Harfen, Gottesharfen. Sie spielen und singen dazu ein Loblied für den allmächtigen heiligen Gott. Ja, auch das ist ein Bild für den Himmel. Ein Bild, das wir jetzt schon mit dem Apostel Johannes durch den Heiligen Geist schauen dürfen. Ein Bild aus Gottes Ewigkeit. Weil aber Gottes ewiges Reich in unsere arme Welt gekommen ist und in unsere Zeit hineinragt, dürfen wir uns jetzt schon in diesem Bild sehen wie in einem Spiegel: Die Sänger mit den Harfen am feurigen gläsernen Meer, das sind wir, die getauft sind und an Jesus Christus glauben.
Lasst uns darum heute am Kantate-Sonntag, am Sonntag der singenden Kirche, dieses Wort Gottes danach befragen erstens warum Christen singen, zweitens was Christen singen und drittens wie Christen singen.
Erstens: Warum singen wir Christen? Die Antwort: Weil wir Sieger sind! So werden ja die Sänger in diesem Offenbarungskapitel beschrieben: Es sind die, „die den Sieg behalten hatten über das Tier und sein Bild und über die Zahl seines Namens“. Ich möchte jetzt die Beschreibung der Feinde nicht im Einzelnen erläutern; dazu müsste man eine ausführliche Bibelarbeit über das Buch der Offenbarung halten. Wir wollen nur festhalten: Die Sänger singen, weil sie gesiegt haben. Und die besiegten Feinde sind letztlich nur ein einziger Feind, der sich hinter mancherlei Fratzen verbirgt: das ist der Teufel. Wir Christen singen, weil wir Sieger geblieben sind über den Teufel; besser: Mit-Sieger mit Jesus Christus, der den altbösen Feind durch seinen Tod und seine Auferstehung überwunden hat. Und darum singen die Sieger auch das Lied des Lammes, das Lied des Gotteslammes Jesus Christus, das um ihrer Sünde willen geschlachtet worden war am Kreuz, nun aber auferstanden ist und in der ewigen Herrlichkeit des Vaters lebt. Ja, wer mit Christus siegt, singt.
Aber nicht nur das Lied des Lammes singen die Sieger am gläsernen Meer, sondern auch das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, heißt es da. Was ist das für ein Lied? Als das Volk Israel einst trockenen Fußes durchs Schilfmeer gezogen war unter Gottes wunderbarer Führung und als ihre Feinde, die ägyptischen Soldaten, in den zurückflutenden Wogen umkamen, da sang Mose mit den Israeliten ein Danklied für Gott – ein Loblied, ein Jubellied; und seine Schwester Mirjam griff sich ihr Tamburin und organisierte mit den Frauen einen spontanen Freudentanz zu diesem Lied. Auch dies war ein Lied der Sieger: das Lied derer, die dem Tod entronnen waren und mit Gott über die Feinde gesiegt hatten.
Diese große Tat Gottes zur Zeit des Alten Bundes macht anschaulich und deutlich, was Christus mit dem Neuen Bund gebracht hat. Sie macht anschaulich, was bei Christus gar nicht so anschaulich ist, denn die finsteren Mächte, die er besiegte, sind im Gegensatz zum ägyptischen Heer unsichtbar. So werden die Rettung und der Sieg am Schilfmeer zum anschaulichen Vorbild für unsere Rettung durch Christus. Wie die Israeliten lebendig zwischen den Wassern des Schilfmeers herauskamen, so sind wir als Gotteskinder aus dem Taufwasser gekommen, lebendig gemacht im Glauben zum ewigen Leben. Und wie die Ägypter im Wasser des Schilfmeers den Tod fanden als gerechte Strafe Gottes für ihre Bosheit, so werden der Teufel und alle, die zu ihm gehören, ihr schmähliches Ende finden in dem feurigen See, von dem die Offenbarung berichtet, nämlich in der ewigen Qual der Hölle. Darum schaut Johannes die singenden Sieger an einem „gläsernen Meer, mit Feuer vermengt“. Das Meer steht dafür, dass Gott nun sein gerechtes Urteil an Satan und seinem Heer vollstreckt hat.
Für uns liegt dieser Tag noch in der Zukunft, liebe Gemeinde, wir haben jetzt noch mit dem Teufel zu kämpfen und fühlen uns mit unserem kleinen angefochtenen Glauben oftmals nicht als Sieger. Aber wenn wir auf Jesus schauen und auf seinen Ostersieg, dann ist das Ende des Teufels und unser Triumph mit Christus schon so fest besiegelt bei Gott, als wären wir schon am Ziel. Darum dürfen wir heute schon unser Siegeslied singen, ganz getrost und fröhlich.
Zweitens: Was singen wir Christen? Das Lied, das Johannes aus dem Mund der singenden Sieger am gläsernen Meer hörte, hat er aufgeschrieben. Es lautet: „Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker. Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten und deinen Namen nicht preisen? Denn du allein bist heilig! Ja, alle Völker werden kommen und anbeten vor dir, denn deine gerechten Gerichte sind offenbar geworden.“
Sehen wir uns dieses Lied an und auch das Lied des Mose im Alten Testament, dann wird ganz deutlich, was Christen singen: Sie singen einfach von Gott. Sie singen davon, wie groß Gott ist und wie große Dinge er tut. Sie loben ihn: „Gott, du bist groß! Du bist allmächtig, heilig, von allen zu fürchten, von allen zu preisen, von allen anzubeten.“ Und sie preisen sein Tun: „Groß und wunderbar sind deine Werke. Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege. Deine gerechten Gerichte sind offenbar geworden.“ Ja, das ist eigentlich das einzige Thema, wenn wir Christen singen: Gott und sein Tun!
Liebe Gemeinde, sicher werdet ihr sagen: Das ist doch selbstverständlich. Richtig, im Prinzip ja. Aber wir kommen immer wieder schnell dahin, dass in unseren Liedern und überhaupt in unserem ganzen Denken wir selbst in den Mittelpunkt geraten. Viele Christen reden ja lieber über sich selbst als über ihren Gott. Sie reden von ihrem eigenen Tun oder möchten wissen, was sie tun sollen, anstatt Gottes Tun zu preisen. Viele bevorzugen logische und pädagogische Texte über das Leben in dieser Welt, als sich einfach im Lobpreis Gottes zu verlieren. Manchem ist vielleicht auch das lange liturgische Singen in unseren Gottesdiensten lästig. Sie möchten gern etwas mitnehmen, vor allem von der Predigt, und natürlich soll das Ganze einen würdigen Rahmen haben; aber soviel Gesinge?
Liebe Gemeinde, betrachten wir es doch einmal so: Wir wollen nicht nur etwas mitnehmen vom Gottesdienst, sondern wi wollen auch etwas hinbringen, nämlich das Dankopfer unserer Münder und Herzen. Wir wollen das tun, was für die singenden Sieger mit Christus selbstverständlich ist: nämlich von Gott singen und von seinen Taten. Wir wollen dabei nicht auf die Uhr schauen, wollen nicht in Gedanken schon wieder zu Terminen hetzen, die sich doch nur um uns selbst und um unser Tun drehen. Nehmen wir uns doch die Zeit und verlieren wir uns in den Lobpreis und die Anbetung Gottes! Da wird doch deutlich, was am wichtigsten ist in unserem Leben: nämlich dass wir etwas sind zur Verherrlichung seines Namens. Lasst uns das ganz bewusst tun, wenn wir etwa in der Eingangsliturgie singen: „Wir loben dich, wir benedeien dich, wir beten dich an. Wir preisen dich, wir sagen dir Dank um deiner großen Ehre willen…“ – ganz ähnlich, wie es in der Offenbarung steht – ‚ oder: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth. Alle Lande sind seiner Ehre voll.“ Ja, das singen Christen: Loblieder von Gott und seinem Tun.
Drittens: Wie singen wir Christen? Die Sieger am gläsernen Meer stehen und haben Harfen in der Hand. Sie stehen – da zeigt sich an ihrer Körperhaltung etwas von der inneren Einstellung. Wenn man vor jemandem aufsteht, dann ist das eine Geste der Ehrerbietung. Und solche Ehrerbietung hat am allermeisten Gott verdient. Darum singen wir unsere liturgischen Lobgesänge im Gottesdienst auch stehend. Wem das gesundheitlich zu beschwerlich ist, der mag natürlich sitzen bleiben und nur in seinem Herzen ehrfürchtig sein. Aber es wäre doch ein Armutszeugnis, wenn wir Christen im Gottesdienst nicht auch mal unsern Hintern von der Bank heben und vor Gott aufstehen würden.
Und dann begleiten die Sieger am Meer ihren Gesang mit Harfen. „Kitara“ steht da im griechischen Original; daher heißt es im Liedvers von Philipp Nicolai: „Zwingt die Saiten in Cythara.“ Es handelt sich um ein Saiteninstrument, genauer: eine Kastenleier, wie sie bereits David zum Musizieren und zur Begleitung seiner Psalmen benutzte. Übrigens: Sprachlich von der „Kitara“ abgeleitet ist die Zither und – über das Spanische – auch die Gitarre. Wir sehen, dass auch diese Instrumente von der Bibel her ihren Platz in der Kirchenmusik haben. Aber auch mit anderen Instrumenten dürfen wir Gott loben: mit Orgelpfeifen, Trompeten, Posaunen und allem Möglichen. Wenn jemand von euch also irgendein Instrument spielt und es gern in der Kirche zum Lobe Gottes einsetzen möchte: herzlich gern! Wir freuen uns darüber, und Gott wird damit desto mehr geehrt.
Und wie steht es mit den Unmusikalischen? Mit denen, die kein Instrument spielen können, ja, die vielleicht nicht einmal singen können? Müssen die auf das Siegeslied verzichten? Können die ihren Gott denn gar nicht loben wie die singenden Sieger am gläsernen Meer?
Liebe Gemeinde, ich habe auch schon mal taubstumme Christen singen gesehen. Jawohl, gesehen, nicht gehört. Ich habe es erlebt, wie eine Gruppe gehörloser Kinder in Zeichensprache gesungen hat. Auch so kann man Gott loben und von seinem Tun singen! Sollte das nicht alle beschämen, die sagen, sie können nicht singen, wenn sie doch hören können und eine Stimme haben? Ja, liebe Brüder und Schwestern, lasst uns musizieren, egal wie. Auch wenn da einer brummt oder ein kraftloser Mund nur lallen kann, der andere dagegen virtuos Orgel spielt oder die Chorstimmen sich zu wohlklingenden Akkorden vereinen: Hauptsache, wir singen! Lasst uns das reichlich tun, hier im Gottesdienst, in den Gemeindekreisen, mit unseren Kindern, zu Hause, am besten jeden Tag bei der Andacht! Lasst uns singen, weil wir Sieger sind mit Christus! Lasst uns singen, wie wunderbar unser Gott ist und wie wunderbar er an uns handelt! Lasst uns singen ohne Scheu, egal wie, zu seiner Ehre! Amen.
PREDIGTKASTEN |