Von der Anfechtung, vom Erdulden und von der Krone des Lebens

Predigt über Jakobus 1,12 zum Sonntag Invokavit

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Das Besondere für jeden Sonntag und Festtag des Kirchen­jahres wird meistens an der Evangeliums-Lesung deutlich. Im heutigen Evangelium haben wir gehört, wie Jesus vom Teufel versucht wurde. Ja, unser Herr war versucht und angefochten wie wir, so hat es auch in der heutigen Epistel­lesung gestanden. Die Versuchung ist das Thema des heutigen Sonntags, die Anfechtung des Glaubens. Darum ist auch der eben gehörte Predigttext dem Sonntag Invokavit zugeordnet worden.

Ich möchte euch dieses Wort Gottes nun in drei Abschnitten nahe­bringen. Ich möchte reden erstens von der Anfechtung, zweitens vom Erdulden, drittens von der Krone des Lebens.

Erstens die Anfechtung. Was ist das eigentlich? Anfechtung heißt: Da tritt einer zum Fechtkampf gegen mich an. Es ist der Teufel. Er richtet seinen Degen auf mich, genauer: auf meinen Glauben. Ja, Anfechtung ist es, wenn der Teufel mit seinen Waffen auf meinen Glauben zielt. Dieser Fechtkampf ist kein Spaß, kein Spiel, kein Sport wie die Fechtkämpfe bei den Olympischen Spielen. Es geht hier vielmehr um Leben und Tod. Der Teufel weiß genau: Wenn er meinen Glauben kaputt macht, dann habe ich Christus verloren; wenn ich aber Christus verloren habe, werde ich nicht selig, sondern die Qualen der Hölle und des ewigen Todes warten auf mich.

Liebe Gemeinde, es ist gut, den Feind zu kennen und zu wissen, wie er kämpft. Wenn wir ihn leugnen oder verharmlosen, so wird er uns mit einem Über­raschungs­angriff schnell besiegen. Gott fordert uns darum in der Bibel auf, wachsam zu sein, also auf der Hut zu sein vor dem Wider­sacher, der wie ein brüllender Löwe umhergeht und auf Beute lauert.

Wie aber sieht Anfechtung tatsächlich aus? Sie kann ganz ver­schiedene Gesichter haben. Der eine wird durch ungläubige Menschen an­gefochten, die ihm seinen Glauben ausreden wollen. Der zweite bekommt Zweifel, wenn er bedenkt, wie sehr die Christen­heit auf Erden zer­splittert ist. Der dritte wird durch ein Übermaß an Arbeit, Reichtum oder Hobbies fast unmerklich vom Glauben weggelockt. Den vierten bringen Kata­strophen oder andere Schicksals­schläge aus dem seelischen Gleich­gewicht.

Eine Anfechtung, unter der viele zu leiden haben, sind Schmerzen – Schmerzen, die immer wieder auftauchen und die Lebens­freude be­einträchti­gen. Schmerzen, die die Ärzte nur etwas lindern, nicht aber heilen können. Kopf­schmerzen, Rücken­schmerzen oder Gelenk­schmerzen zum Beispiel. Das Zermürbende daran ist, dass sie jederzeit wieder auftreten können, dass man nie sicher vor ihnen ist. Gerade solche gewöhn­lichen Alltags­schmerzen benutzt der Teufel als Anfechtungs­waffe und flüstert dir ein: Meinst du, Gott würde dich so quälen, wenn er dich wirklich lieb hätte? Vielleicht kümmert er sich gar nicht mehr um dich. Vielleicht hat er sich ja schon längst von der ganzen Welt abgewendet. Vielleicht kann er gar nicht helfen, vielleicht ist er gar nicht allmächtig. Womöglich gibt es ihn gar nicht. Ja, so kann der Teufel reden und durch Schmerzen anfechten.

Wenn wir nun wissen, was Anfechtung ist, dann interes­siert uns, wie wir darin bestehen können. Ich rede jetzt also zweitens vom Erdulden. Unser Bibelwort spricht ja von dem Menschen, der Anfechtung erduldet, der sie erträgt, der darin nicht untergeht mit seinem Glauben. Was am Ende dabei heraus­kommt, ist der bewährte Glaube: der Glaube, der trotz mancher An­fechtungen nicht klein­zukriegen ist. Übrigens verwendet der Apostel Jakobus hier ein anderes Wort für Glaube: „Gott lieb haben“ nennt er ihn. Gott hat die Krone des Lebens denen verheißen, „die ihn lieb haben“ – denen also, die geduldig in dieser Liebe geblieben sind, auch wenn der Teufel Hass säen wollte. Denen, deren Liebe sich gerade in der Zeit der Anfechtung bewährt hat.

Wie können wir das nun aber machen: Anfechtung erdulden, Satans Angriffen Widerstand leisten, unsern Glauben vor dem Todesstoß schützen? Zunächst müssen wir nüchtern sehen: Wir können das nicht machen. Der Teufel ist als Fechtkünstler zu stark und zu klug, als dass wir ihm aus eigener Kraft Widerstand leisten könnten. Deshalb brauchen wir einen, der uns in diesem Kampf hilft – einen, der stärker ist als der Teufel. Es ist der Herr Jesus Christus. Den müssen wir um Hilfe bitten, wenn wir in der Anfechtung bestehen wollen. „Es streit' für uns der rechte Mann, den Gott hat selbst erkoren“, so müssen wir singen und beten. Und wir dürfen gewiss sein: Er hilft uns dann auch, denn das hat er ver­sprochen.

Wie hilft er? Nun, zunächst schenkt er uns die Erkenntnis: Anfechtung ist etwas ganz Normales im Christen­leben. Wie selbst­verständlich schreibt hier der Apostel Jakobus von der Anfechtung; er setzt voraus, dass alle Christen sie kennen. Wenn der Teufel uns anficht, ist das nichts Besonderes; es ist erst recht kein Anzeichen dafür, dass Gott uns verlassen hätte. Anfechtung gehört zum Christen­leben dazu wie das Amen zur Kirche. Es ist ein Trost zu wissen, dass es allen Brüdern und Schwestern in der Welt nicht besser geht. Und es ist ein besonders großer Trost zu wissen, dass unser Herr selbst sich der Versuchung und Anfechtung ausgesetzt hat, dass er also wirklich in allem unser Bruder geworden ist.

Wie hilft Jesus noch? Er schenkt uns die geistliche Waffen­rüstung im Fechtkampf gegen den Teufel. Der Epheser­brief zählt auf, was alles dazu gehört: Der Brustpanzer der Gerechtig­keit zum Beispiel oder der Helm des Heils, nämlich das Wissen: Christus hat für mich das Heil erworben, ich bin in seinen Tod getauft, was soll mir da noch schaden? Da ist auch der Schild des Glaubens, des kindlichen Vertrauens: Gott macht keine Fehler! Komme, was da wolle, er meint es nur gut mit mir. Und da ist vor allem das Schwert des Geistes, das Wort Gottes. Wenn ich in meinem Leben auch gar nichts spüre von Gottes Liebe, wenn ich im Gegenteil nur Not sehe und Schmerzen fühle, dann ist da immer noch Gottes Wort, das mir verspricht: Die Krone des Lebens ist dein, ich habe sie für dich erworben, ich schenke sie dir. Dieses Wort, dieses Ver­sprechen, diese Verheißung bleibt felsenfest stehen, auch wenn die ganze Welt in Schutt und Asche sinkt. Und dieses Wort gibt uns auch Kraft, die Anfechtung des Teufels ab­zuschmet­tern – wissen wir doch, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlich­keit, die im Himmel auf uns wartet.

Und damit rede ich jetzt schon drittens von der Krone des Lebens. Eigentlich müsste es heißen: „Kranz des Lebens“, denn es geht hier um einen Sieges­kranz. Ja, das ewige Leben im Himmel ist der Siegeskranz und Preis für alle, die den Kampf des Glaubens erduldet und sich bis zum Tod bewährt haben. Es ist der Preis für alle, die ihren Herrn trotz mancher Anfechtung lieb behalten haben. Von daher hat übrigens der Kranz als Schmuck auf christ­lichen Gräbern seine Bedeutung: Er ist ein Zeichen für das ewige Leben, von dem wir hoffen, dass der Verstorbene es nun erlangt hat. Im Himmel wird unser Fechtkampf mit dem Teufel vorbei sein, und die Sieger werden mit dem Kranz und der Krone der ewigen Seligkeit geehrt. Ja, Sieger werden wir Christen dann sein – aber nicht Sieger nach Punkten, nicht Sieger durch unser eigenes Kampf­geschick oder durch Tapferkeit oder durch Eigen­leistung. Nein, nicht Sieger nach Punkten, sondern Sieger nach Gnade werden wir sein – Sieger durch die Gnade dessen, der mit uns und für uns gekämpft hat und der den Sieg am Kreuz errungen hat schon lange, bevor es uns überhaupt gab: Jesus Christus. Dem allein haben wir es zu verdanken, wenn wir diese wunderbare Selig­preisung auf uns beziehen können: „Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, die Gott verheißen hat denen, die ihn lieb haben.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1990.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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