Nachfolge im Licht Christi

Predigt über Johannes 8,12

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Vielleicht kennt ihr das: Du bist am Abend bei irgendeiner Be­schäftigung in der Wohnung. Plötzlich geht das Licht aus. Es ist stock­dunkel. Du bist zunächst völlig überrascht. Dann überlegst du: Was kann das sein? Vielleicht die Sicherung? Wo war denn gleich der Sicherungs­kasten? Zunächst brauchst du etwas Licht. Aber wo steckt die Taschen­lampe? Die hast du schon ewig nicht mehr in der Hand gehabt! Und dann tastest du dich mühsam durch die Finsternis, versuchst dich in deiner eigenen Wohnung zu orien­tieren. Vielleicht stößt du dabei an einen Stuhl, der unerwartet im Weg steht, oder du stolperst über ein Paar Schuhe. Jedenfalls ist die Situation ziemlich unangenehm, vielleicht auch ein bisschen unheimlich. Du gehst ganz vorsichtig, tastest dich zur Taschen­lampe vor, schaltest die Lampe ein – und deine Wohnung sieht nun wieder ganz vertraut aus. Du hast die volle Orien­tierung wieder, du kannst dich sicher bewegen. Schnell findest du den Verteiler­kasten und schaltest die heraus­gesprungene Sicherung ein.

Christus sagt: „Ich bin das Licht der Welt.“ Ohne ihn ist die Welt so finster wie eine Wohnung ohne Strom. Ohne ihn müssten wir unsicher und ängstlich durchs Leben tappen und würden viele Stolper­fallen nicht erkennen. Mit Jesus aber haben wir gewisser­maßen die Taschen­lampe, die uns Orien­tierung und Sicherheit bringt. Wir erkennen, wo wir herkommen: vom dreieinigen Gott, der uns wunderbar geschaffen hat und noch erhält. Wir sehen klar, was wir hier auf Erden sollen: ganz einfach zu Gottes Ehre leben, egal, wie er uns geschaffen hat und in welche Lebens­umstände er uns hinein­gesetzt hat. Zu Gottes Ehre leben bedeutet ja nichts anderes als dazu ja sagen, wie Gott uns geschaffen hat, und dem­entspre­chend zu leben; das ist unser Lebenssinn. Im Licht von Jesus Christus wird uns auch deutlich, warum die Welt so finster ist. Wir erkennen, was in ihr nicht in Ordnung ist, warum sozusagen der Strom ausgefallen ist: wegen der Sünde, weil die in uns Menschen wohnt. Weil wir von Natur aus am liebsten unsere eigenen Herren sein wollen und nicht so gern Gott als Herrn über uns haben. Weil wir nicht mit dem Lebenssinn zufrieden sind, den Gott uns bestimmt hat, sondern oft ganz andere sein wollen: mehr sein, mehr haben, es besser haben. Im Licht von Jesus sehen wir auch klar, wie die Sicherung unseres Lebens wieder ein­geschaltet werden kann, damit es hell wird. Das ist das Opfer des Herrn am Kreuz; das ist sein Blut, das zur Vergebung unserer Sünden geflossen ist. Damit hat er den Graben der Sünde zwischen uns und Gott überbrückt. Er hat den Riss geheilt, den unsere Schuld gerissen hat. Und im Licht von Jesus sehen wir schließlich ganz klar, wo unser Lebensweg hinführt. Wir tappen nicht im Finstern auf den Abgrund des Todes zu, der uns jeden Augenblick ver­schlingen kann, sondern wir dürfens gewiss sein: Hinter unserer letzten und dunkelsten Stunde wartet das un­aussprech­lich herrliche Licht der ewigen Seligkeit auf uns. Wie herrlich ist Christus, das Licht! Wie schön, dass wir es haben!

Christus sagt: „Ich bin das Licht der Welt.“ Aber dieses Wort geht noch weiter: „Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finster­nis.“ Dieses „Wer mir nachfolgt“ möchte ich ganz dick unter­streichen, denn das wird in der heutigen Zeit leicht überhört. Heutzutage klingt es von vielen Kanzeln und in vielen erbaulichen Schriften eher so: Niemand wird wandeln in der Finsternis. Man bekommt dabei den Eindruck: Alle Menschen sind im Licht Gottes, alle Menschen sind im Heil, alle Menschen werden gerettet, alle Menschen werden selig. Aber das sagt Jesus Christus nicht, sondern: „Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finster­nis.“ Wer Jesus nicht nachfolgt, der wandelt weiter in der Finsternis dieser Welt, der hat keine wahre Orien­tierung und der wird auch keinen Anteil haben am Licht der ewigen Seligkeit nach dem Tod. Wer Jesus nicht nachfolgt, der ist verloren, auf den wartet die schreck­liche Finsternis des Todes und der Hölle. Auch das muss klar gesagt werden, sonst würden wir die Botschaft unseres Herrn eigen­mächtig verkürzen.

Wenn wir das ernst nehmen, dann wird uns dieses Wort unsers Herrn zu desto eifrigeren Nachfolgern machen. Wir werden dann sagen: Ja, lieber Herr Jesus, ich will dir nachfolgen, denn ich sehne mich nach deinem Licht und nach dem ewigem Leben. Und wir werden dann auch eine ganz starke Sehnsucht bekommen, dass andere Menschen zu Nachfolgern Christi werden und das Licht finden. Wer ihm nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis.

Was heißt das nun aber: Jesus nachfolgen? Verstehen wir es zunächst einmal ganz wörtlich: Der Nach­folgende geht hinter Jesus her, geht mit ihm mit, begleitet ihn. Der Nach­folgende ist stets da, wo Jesus ist. Der Nach­folgende ist ein Jünger Jesu, denn das wissen wir ja von seinen ersten Jüngern: Sie ließen alles stehen und liegen, liefen ihm nach, gingen mit ihm mit, begleiteten ihn. Natürlich geht das heute nicht mehr so wie damals. Jesus läuft ja nicht mehr in Menschen­gestalt auf der Erde herum, und seine Nachfolger sammeln sich deshalb auch nicht mehr an einem bestimmten Ort, wo er sich gerade aufhält. Wenn wir ihm heute nachfolgen wollen, dann müssen wir schon fragen: Wo ist denn Jesus heute zu finden in unserer Welt? Die Antwort lautet: dort, wo sein Evangelium ist; dort, wo sein Vorbild ist; dort, wo sein Kreuz ist. Lasst mich das ein wenig genauer ausführen, damit wir in der rechten Nachfolge bestärkt werden oder wieder neu zur Nachfolge finden: Jesus finden wir heute erstens dort, wo sein Evangelium ist; zweitens dort, wo sein Vorbild ist; drittens dort, wo sein Kreuz ist.

Erstens ist Jesus dort, wo sein Evangelium ist, also seine frohe Botschaft: „Ich bin das Licht der Welt!“ Da wird in seinem Namen gepredigt, dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Da wird dieses Evangelium sichtbar und schmeckbar in den heiligen Sakra­menten, in Taufe und Abendmahl. Da legen die be­vollmächtig­ten Diener des Herrn die Hände auf und sagen in seinem Namen: Dir sind deine Sünden vergeben. Wo zwei oder drei versammelt sind in seinem Namen, also unter seinem Wort, da ist er persönlich dabei, so hat er es ver­sprochen. Ja, in der christ­lichen Gemeinde wird das Evangelium gepredigt und werden die Sakramente verwaltet. Da ist Jesus Christus gegenwärtig auf Erden. Und da gehörst du hin als Jünger und Nachfolger Jesu: In die Gottes­dienste, in die Bibel­stunden, in die Gemeinde­kreise und was da sonst noch läuft. Nachfolgen heißt nämlich in erster Linie: Jesus hinterher­laufen, weil es bei ihm große und wunderbare Gaben umsonst gibt – Vergebung der Sünden, Friede mit Gott, Heil und Leben in Ewigkeit. Das alles teilt Jesus überall dort aus, wo sein Evanglium gepredigt wird und wo seine Sakramente verwaltet werden. Er lädt dazu ein und ruft: Kommt her zu mir! Folgt mir nach! Ja, eigentlich ist es viel mehr als eine Einladung, die man auch einfach ablehnen könnte, es ist eine Auf­forderung, ja, mehr noch: ein Gottesruf, der schafft was er will – so wie das Schöpfungs­wort am Anfang der Welt: „Es werde Licht!“ In der Taufe ist dieser Gottesruf an dich ergangen, denn da hat dich der Herr in die Nachfolge gerufen: Folge du mir nach; jawohl, du bist gemeint! Komm, ich will nicht, dass du in der Finsternis dieser Welt und deiner Sünde herumirrst, ich will, dass du bei mir bist, beim Licht! Wenn einer sich zum Evangelium und zur Gemeinde hält, wenn einer fleißig von der Beichte und vom Heiligen Abendmahl Gebrauch macht, dann tut er nichts anderes als seiner Taufe gerecht zu werden, in der er zu einem Jünger gemacht wurde, zu einem Nachfolger. Christsein und an Christus glauben heißt nichts anderes, als Jünger sein und dorthin kommen, wo die Stimme Christi erschallt und das Evangelium gepredigt wird. Ja, genau dort ist das Licht der Welt, und sonst nirgends.

Zweitens ist Jesus dort, wo sein Vorbild ist. Auch dieses Vorbild finden wir in seinem Wort und in der christ­lichen Gemeinde. Jesus selbst hat gesagt: „Lernet von mir“, und: „Daran wird jeder erkennen, dass ihr meine Jünger (und Nachfolger) seid, wenn ihr Liebe unter­einander habt.“ Es ist die selbstlose, opfer­bereite Liebe, die Jesus selbst gezeigt hat und noch heute an uns erweist durch sein Evangelium. Jünger sein und nachfolgen heißt also nicht nur, sich von Christus beschenken zu lassen mit Heil und ewigem Leben. Es heißt auch, so sein wollen wie er. Denn wenn wir ihn als das reine edle Licht erkannt haben durch das Evangelium als Inbegriff der Liebe, dann werden wir selbst so lieben wollen. Die ersten Jünger Jesu liefen ja auch nicht nur deshalb mit ihm mit, um ihn predigen zu hören und Wunder zu erleben, sondern sie wollten selbst so werden wie ihr Meister. Ja, ein rechter Jünger Jesu strebt das noch heute an. Er will von Jesus lernen, will in der Bibel immer besser sein Vorbild erkennen und sich von ihm umgestalten lassen. Wer Jesus nachfolgt, will so werden wie er. Und wenn wir das ernsthaft wollen, dann werden wir daran unser Leben lang zu lernen haben.

Drittens ist Jesus dort, wo sein Kreuz ist – nicht nur dort wo es verkündigt wird, sondern auch dort, wo es für seine Nachfolger spürbar wird. „Wer nicht das Kreuz aufnimmt, kann nicht mein Jünger sein“, hat Jesus gesagt. Christus musste es sich auf Erden gefallen lassen, dass man ihn anfeindete. Er wurde verspottet, gehasst, verfolgt, gefoltert und schließlich getötet. Das war sein Kreuz, das er willig und demütig erlitten hat. Und auch darin ist er ein Vorbild geworden, und zwar ein Vorbild in wörtlich-biblischem Sinn: ein Vorbild, das mit Gewalt in eine bestimmte Form gepresst wurde. Nun ist für uns heutige Jünger Jesu das Nachfolge-Kreuz bei weitem nicht so schwer, wie es Christi eigenes Kreuz war. Aber auch wir müssen damit rechnen, dass uns die Nachfolge in unangenehme Situationen bringt und wir deswegen Nachteile haben. Wenn ein Christ im Sportverein sagt: Sonntags früh läuft bei mir nichts, da bin ich in der Kirche, und wenn ihn dann die Vereins­kameraden komisch ansehen oder gewisse Bemerkungen machen, dann ist das bereits ein Nachfolge-Kreuz, das unser Herr Jesus Christus ihm zumutet. Und wenn der Teufel gerade die frömmsten Christen mit An­fechtungen, Traurig­keit, Angst und mancher Trübsal quält, dann kann das ein recht schweres Kreuz sein. Aber das Schöne ist ja dabei, dass Christus mitgeht und tragen hilft und dass wir wissen dürfen: Es geschieht mir nichts Un­gewöhn­liches oder Bedroh­liches, sondern es ist das liebe Kreuz, das schon mein Herr Jesus Christus tragen musste und das ich als sein Jünger ihm nun auch hinterher­tragen darf. Dieses Kreuz ist mir ein gutes Zeichen, dass ich in seiner Nachfolge stehe.

Das Schönste dabei ist aber: Wir kennen nicht nur das Kreuz, sondern auch das leere Grab. Und wie Christus auferstanden ist von den Toten, so dürfen auch wir nach dem Tod in einem neuen Leben wandeln, in der ewigen Seligkeit. Ja, wenn wir ihm in dieser Welt nachgefolgt sind, dann wird er dafür sorgen, dass wir ihm auch durch den Tod hindurch in Gottes herrliches Licht folgen. Und wenn wir hier in dieser Welt das Licht Jesus Christus mit einer Taschen­lampe ver­gleichen, die uns bei Strom­ausfall Orientie­rung schenkt, dann ist das ewige Leben so, wie wenn jemand wieder die Sicherung ein­geschaltet hat. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1989.

Autor: Pastor Matthias Krieser

SOLI DEO GLORIA!

PREDIGTKASTEN

►  Startseite

►  Impressum