Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Die Post war da! Was hat sie uns gebracht? Einen Brief von unserm Herrn Jesus Christus, aufgeschrieben durch seinen Apostel Johannes. An wen ist der Brief adressiert? Eigentlich ist die Gemeinde in Philadelphia der Empfänger, eine christliche Gemeinde Kleinasiens im 1. Jahrhundert. Ob dieser Brief trotzdem auch für uns bestimmt ist? Immerhin bedeutet Philadelphia „Bruderliebe“. Ob unsere Gemeinde auch den Namen „Bruderliebe“ tragen könnte? Jesus lobte die Gemeinde in Philadelphia mehr als alle anderen Gemeinden, denen die Sendschreiben der Offenbarung ursprünglich galten. Ob dieses Lob auch uns gilt? Wie dem auch sei: Ich denke, dass dieser Brief auch für unsere Gemeinde gedacht ist, ebenso wie für alle anderen christlichen Gemeinden. Selbst wenn wir den Namen „Bruderliebe“ nicht völlig verdienen oder unserm Herrn Jesus Christus in der einen oder anderen Hinsicht nicht gefallen, dann möge uns dieser Brief zur Umkehr leiten.
So fängt dieser Brief an: „Das sagt der Heilige, der Wahrhaftige, der da hat den Schlüssel Davids, der auftut, und niemand schließt zu, der zuschließt, und niemand tut auf.“ Dieser Heilige und Wahrhaftige ist niemand anders als unser Herr Jesus Christus selbst. Darum sollten wir diese Worte in unserm Herzen mit Gold einrahmen: Es sind köstliche himmlische Worte, gesprochen vom Gottessohn selbst, vom erhöhten Christus! Überhaupt alle Worte der Heiligen Schrift sollten wir so hoch in Ehren halten. Wir sollten niemals müde werden sie zu lesen, zu hören und zu bedenken. Wir sollten auch nicht an ihnen herumdeuteln, sondern ihnen einfach glauben. Wir sollten allem vertrauen, was sie sagen, und das tun, was sie gebieten. Denn alles, was in der Bibel steht, spricht dieser heilige und wahrhaftige Herr.
Was ist das nun aber für ein Schlüssel, der „Schlüssel Davids“? Nun, Jesus ist ja selbst der Davidssohn. Bereits im Alten Testament stehen wunderbare Verheißungen von ihm geschrieben. Er ist der Nachfahre des Königs David, der gekommen ist, sein Volk in Ewigkeit zu weiden und zu regieren, und das mit Sanftmut und Barmherzigkeit. Mit dieser Sanftmut und Barmherzigkeit hat er sich selbst geopfert für unsere Sünden und hat uns so den Himmel aufgeschlossen. Jawohl, aufgeschlossen – für alle, die glauben und getauft sind. Das ist die Bedeutung vom „Schlüssel Davids“.
Aber dieser Schlüssel kann auch zuschließen. Jesus sagte: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich“ (Joh. 14,6). Wer nicht an Jesus glaubt, dem bleibt das Himmelreich verschlossen. Nur der Davidssohn hat den Schlüssel, niemand anders. Und er allein ist es, der diesen Schlüssel erst dem Petrus und dann allen Jüngern und damit der christlichen Gemeinde anvertraut hat. Die Pastoren üben diese Schlüsselgewalt für die Gemeinde aus – in direktem Auftrag, in der Vollmacht und Verantwortung Christi. Sie tun es immer dann, wenn sie den glaubenden und bußbereiten Sündern Gottes Gnade zusagen, den Ungläubigen und Verstockten aber das Reich Gottes zuschließen, solange sie nicht zur Umkehr bereit sind.
Nun spricht der Heilige und Wahrhaftige: „Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, und niemand kann sie zuschließen; denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet.“ Ja, er kennt unsere Werke. Er weiß, was sie wert sind. Er kennt das Gestammel von uns Pastoren, wenn wir predigen. Er kennt unsere musikalischen Bemühungen beim Blasen, im Singchor oder auch als Gemeinde im Gottesdienst. Unsere armen Versuche, die Frohe Botschaft in der Öffentlichkeit zu bezeugen. Unsere Anstrengungen, den Kindern die Grundlagen des Glaubens zu vermitteln. Unsere Ansätze, den Mitmenschen in Not mit guten Taten zu helfen, nicht nur mit Worten. Unser Bemühen, verantwortlich mit all den Gaben umzugehen, die Gott uns gegeben hat. Und vieles andere mehr. Ja, Christus kennt unsere Werke und weiß, was sie wert sind. Wir sollen gar nicht so sehr an der Qualität unserer Bemühungen zweifeln oder gar verzweifeln. Jesus weiß, was für eine kleine Kraft wir haben, und er berücksichtigt das. Wir sollen auch bedenken, dass unsere Mitchristen in der Gemeinde ebenfalls nur eine kleine Kraft haben, dürfen sie darum nicht lieblos kritisieren. Wir sollten unsere Werke nicht unbedingt am äußeren Erfolg messen, an Statistiken etwa. Jesus kennt unsere Werke am besten, darum soll auch er sie beurteilen. Er weiß, wie schwach wir sind. Das ist ja Gottes Strategie für diese Welt: Er will in den Schwachen mächtig sein, damit alle merken: Hier ist nicht Menschenkraft am Werk, sondern Gottes Kraft.
Darum ist es auch Gott, der unseren schwachen Bemühungen Türen auftut. Christus schließt nicht nur das Himmelreich auf oder zu mit dem Schlüssel Davids, sondern er öffnet seiner Gemeinde auch immer wieder Missionstüren – eröffnet Möglichkeiten, die Gute Nachricht weiterzusagen. Gott schenke uns offene Augen für seine offenen Türen! Wir brauchen nicht verschlossene Türen einzurennen. Wir sollten nicht versuchen, alles zu machen; das können wir mit unserer schwachen Kraft gar nicht. Aber wir können die offenen Türen nutzen, die Gott für uns aufgemacht hat.
Der nächste Vers in diesem Brief von Jesus ist schwierig: „Siehe, ich werde schicken einige aus der Synagoge des Satans, die sagen, sie seien Juden, und sind's nicht, sondern lügen; siehe, ich will sie dazu bringen, dass sie kommen sollen und zu deinen Füßen niederfallen und erkennen, dass ich dich geliebt habe.“ Es gab in Philadelphia offensichtlich eine Synagoge. Natürlich meinten die Mitglieder dieser Synagogengemeinde, das rechte Israel zu vertreten. Aber sie nahmen ja nicht den Messias an, den Gott seinem Volk geschickt hatte: Jesus. Deshalb waren sie in Gottes Augen nicht mehr das rechte Israel; sie irrten sich vielmehr und standen auf der Seite Satans, weil sie den Gottessohn verwarfen. Christus prophezeite seiner Gemeinde in Philadelphia hier offensichtlich, dass einige Juden ihn als Messias erkennen und der christlichen Gemeinde beitreten werden: „Sie werden niederfallen und erkennen, dass ich dich geliebt habe.“
Wir haben hier weder eine jüdische Gemeinde noch die Prophezeiung Jesu, dass bei uns etwas Ähnliches geschehen wird. Aber wir können im übertragenen Sinne sagen: Nicht alle in unserer Umgebung, die sich für Gottes Gemeinde halten und auf Gott berufen, sind in Wahrheit Diener Gottes. Entscheidend ist, ob sie Jesus kennen, ob sie etwas von seiner Liebe wissen, ob sie ihn als Herrn anbeten, ob er Dreh- und Angelpunkt ihres Lebens ist – der Gottessohn, der Gekreuzigte, der Auferstandene, der zukünftige Weltenrichter. An ihm scheiden sich die Geister. Jeder Mensch, der vorgibt, Gott zu dienen, aber Christus nicht zum Mittelpunkt hat, ist ein Handlanger des Satans. Denn wer nicht den Schlüssel Davids verkündigt und mit Christus das Himmelreich für die Menschen aufschließt, der schließt es für sie zu und tut damit letztlich Satan einen Gefallen. Darum sollten wir uns auch stets ein nüchternes Urteil bewahren bei allem, was mit Ökumene zu tun. „Prüfet die Geister!“, das gilt auch heute noch (1. Joh. 4,1). Wir wollen aber hoffen und zu Gott beten, dass viele Irregeleitete doch noch rechtzeitig zur Erkenntnis der Wahrheit kommen und vor Christus gläubig ihre Knie beugen, denn sonst werden sie einst am Jüngsten Tag in die Knie gezwungen werden vor dem Weltenrichter, und dann bleibt nichts als Heulen und Zähneklappern.
Nun schreibt Jesus aber noch etwas sehr Tröstliches in diesen Brief: „Weil du mein Wort von der Geduld bewahrt hast, will auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die kommen wird über den ganzen Weltkreis, zu versuchen, die auf Erden wohnen.“ Uns wird ja heute schon bange, wenn wir an das viele Schreckliche denken, was auf Erden geschieht. Wir stehen ja heute schon in der Gefahr, an Gottes Liebe irre zu werden, wenn wir von Katastrophen hören oder lesen oder wenn wir sie gar selbst erfahren. Was wird dann erst in der großen Trübsal der letzten Tage sein, von denen das Buch der Offenbarung so schaurig berichtet? Wenn Kriege, Hungersnöte, Erdbeben, Mord und Gewalt die Erde überziehen werden? Wie soll unsere schwache Kraft, unser schwacher Glaube da bestehen? Aber wir dürfen ganz getrost sein! In dem Maß, wie Jesus Versuchungen zulässt, will er auch unseren Glauben stärken, sodass wir darin bestehen können. Er vespricht: „Ich will dich bewahren in der Stunde der Versuchung.“ Wir brauchen uns nicht ängstlich zu fragen, wo dann die Kraft herkommt, wir können einfach zuversichtlich an seinem Wort festhalten und es bewahren – am „Wort der Geduld“, wie Jesus es nannte, also an seinem Wort, das uns zur Geduld aufruft.
Wie bewahren wir dieses Wort? Wir bewahren es nicht, wenn wir es wie einen Schatz vergraben, wenn die Bibel also im Bücherschrank verstaubt. Wir bewahren es aber so, wie ein Sportler seine Kondition bewahrt: nämlich durch Training. Lasst uns also mit dem Wort Christi und mit seinem Sakrament häufig umgehen! Lasst es uns reichlich in Anspruch nehmen und gebrauchen! Wir sollen uns nicht sorgen um unseren Glauben in Krisenzeiten, aber wir sollen in Geduld am Wort festhalten! Wir sollen es bewahren, nicht indem wir es konservieren, sondern indem wir damit trainieren. Christus ruft uns zu: „Siehe, ich komme bald; halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme!“ Die Krone ist der Siegeskranz, den die Gewinner von sportlichen Wettkämpfen in damaliger Zeit erhielten. Die Krone ist ein Bild für den Himmel, weil dort dann der Sieg errungen ist nach dem guten Kampf des Glaubens, wenn er zuende gekämpft wurde. Aus diesem Grund schmücken wir Friedhofskapellen und Gräber mit Kränzen.
Dieses Ziel malt Christus am Schluss seines kurzen Briefes mit einem schönen Bild aus: „Wer überwindet, den will ich machen zum Pfeiler in dem Tempel meines Gottes, und er soll nicht mehr hinausgehen, und ich will auf ihn schreiben den Namen meines Gottes und den Namen des neuen Jerusalem, der Stadt meines Gottes, die vom Himmel herniederkommt von meinem Gott, und meinen Namen, den neuen.“ Ja, im Himmel werden die triumphierenden Heiligen vollkommen zusammengefügt sein wie die Steine eines wunderbaren Tempels. Die Christen aus Philadelphia dürfen dann Säulen sein in diesem Himmelsbau und drei Namen als Inschriften tragen: „Gott der Herr“ wird darauf stehen, weil sie nun ganz zu ihm gehören. „Jerusalem“ wird darauf stehen, der Name der heiligen Stadt – der Ort, den Gott für seine Gegenwart gewählt hat. Und „Jesus Christus“ wird darauf stehen, aber als neuer Name: Nicht, wie Jesus in seiner Niedrigkeit war, werden wir dann sein; nicht unterm Kreuz, so wie wir jetzt sind. Nein, sondern verherrlicht und erhöht werden wir dann sein wie Jesus nach seiner Auferstehung.
Und weil dieser Brief Jesu in erster Linie ein Brief zum Vorlesen ist und weil wir seinen Inhalt äußerst wichtig nehmen sollten, darum wollen wir uns auch die abschließende Mahnung gesagt sein lassen: „Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!“ Ja, lasst uns sorgfältig hören, was die Stimme Christi durch den Heiligen Geist sagt – nicht nur der Gemeinde in Philadelphia, sondern allen Gemeinden, auch unserer Gemeinde. Amen.
PREDIGTKASTEN |