Ein Brief von Jesus Christus

Predigt über Offenbarung 3,7‑13 zum 2. Advent

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Die Post war da! Was hat sie uns gebracht? Einen Brief von unserm Herrn Jesus Christus, auf­geschrieben durch seinen Apostel Johannes. An wen ist der Brief adressiert? Eigentlich ist die Gemeinde in Phil­adelphia der Empfänger, eine christliche Gemeinde Kleinasiens im 1. Jahr­hundert. Ob dieser Brief trotzdem auch für uns bestimmt ist? Immerhin bedeutet Phil­adelphia „Bruder­liebe“. Ob unsere Gemeinde auch den Namen „Bruder­liebe“ tragen könnte? Jesus lobte die Gemeinde in Phil­adelphia mehr als alle anderen Gemeinden, denen die Send­schreiben der Offenbarung ur­sprünglich galten. Ob dieses Lob auch uns gilt? Wie dem auch sei: Ich denke, dass dieser Brief auch für unsere Gemeinde gedacht ist, ebenso wie für alle anderen christ­lichen Gemeinden. Selbst wenn wir den Namen „Bruder­liebe“ nicht völlig verdienen oder unserm Herrn Jesus Christus in der einen oder anderen Hinsicht nicht gefallen, dann möge uns dieser Brief zur Umkehr leiten.

So fängt dieser Brief an: „Das sagt der Heilige, der Wahr­haftige, der da hat den Schlüssel Davids, der auftut, und niemand schließt zu, der zuschließt, und niemand tut auf.“ Dieser Heilige und Wahrhaftige ist niemand anders als unser Herr Jesus Christus selbst. Darum sollten wir diese Worte in unserm Herzen mit Gold einrahmen: Es sind köstliche himmlische Worte, gesprochen vom Gottessohn selbst, vom erhöhten Christus! Überhaupt alle Worte der Heiligen Schrift sollten wir so hoch in Ehren halten. Wir sollten niemals müde werden sie zu lesen, zu hören und zu bedenken. Wir sollten auch nicht an ihnen herum­deuteln, sondern ihnen einfach glauben. Wir sollten allem vertrauen, was sie sagen, und das tun, was sie gebieten. Denn alles, was in der Bibel steht, spricht dieser heilige und wahrhaftige Herr.

Was ist das nun aber für ein Schlüssel, der „Schlüssel Davids“? Nun, Jesus ist ja selbst der Davidssohn. Bereits im Alten Testament stehen wunderbare Ver­heißungen von ihm ge­schrieben. Er ist der Nachfahre des Königs David, der gekommen ist, sein Volk in Ewigkeit zu weiden und zu regieren, und das mit Sanftmut und Barm­herzigkeit. Mit dieser Sanftmut und Barm­herzigkeit hat er sich selbst geopfert für unsere Sünden und hat uns so den Himmel auf­geschlos­sen. Jawohl, auf­geschlossen – für alle, die glauben und getauft sind. Das ist die Bedeutung vom „Schlüssel Davids“.

Aber dieser Schlüssel kann auch zu­schließen. Jesus sagte: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich“ (Joh. 14,6). Wer nicht an Jesus glaubt, dem bleibt das Himmelreich ver­schlossen. Nur der Davidssohn hat den Schlüssel, niemand anders. Und er allein ist es, der diesen Schlüssel erst dem Petrus und dann allen Jüngern und damit der christ­lichen Gemeinde anvertraut hat. Die Pastoren üben diese Schlüssel­gewalt für die Gemeinde aus – in direktem Auftrag, in der Vollmacht und Ver­antwortung Christi. Sie tun es immer dann, wenn sie den glaubenden und bußbereiten Sündern Gottes Gnade zusagen, den Ungläubigen und Verstockten aber das Reich Gottes zu­schließen, solange sie nicht zur Umkehr bereit sind.

Nun spricht der Heilige und Wahr­haftige: „Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, und niemand kann sie zu­schließen; denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht ver­leugnet.“ Ja, er kennt unsere Werke. Er weiß, was sie wert sind. Er kennt das Gestammel von uns Pastoren, wenn wir predigen. Er kennt unsere musi­kalischen Bemühungen beim Blasen, im Singchor oder auch als Gemeinde im Gottes­dienst. Unsere armen Versuche, die Frohe Botschaft in der Öffentlich­keit zu bezeugen. Unsere An­strengun­gen, den Kindern die Grundlagen des Glaubens zu vermitteln. Unsere Ansätze, den Mitmenschen in Not mit guten Taten zu helfen, nicht nur mit Worten. Unser Bemühen, ver­antwortlich mit all den Gaben umzugehen, die Gott uns gegeben hat. Und vieles andere mehr. Ja, Christus kennt unsere Werke und weiß, was sie wert sind. Wir sollen gar nicht so sehr an der Qualität unserer Bemühungen zweifeln oder gar ver­zweifeln. Jesus weiß, was für eine kleine Kraft wir haben, und er be­rücksich­tigt das. Wir sollen auch bedenken, dass unsere Mitchristen in der Gemeinde ebenfalls nur eine kleine Kraft haben, dürfen sie darum nicht lieblos kriti­sieren. Wir sollten unsere Werke nicht unbedingt am äußeren Erfolg messen, an Statistiken etwa. Jesus kennt unsere Werke am besten, darum soll auch er sie beurteilen. Er weiß, wie schwach wir sind. Das ist ja Gottes Strategie für diese Welt: Er will in den Schwachen mächtig sein, damit alle merken: Hier ist nicht Menschen­kraft am Werk, sondern Gottes Kraft.

Darum ist es auch Gott, der unseren schwachen Bemühungen Türen auftut. Christus schließt nicht nur das Himmelreich auf oder zu mit dem Schlüssel Davids, sondern er öffnet seiner Gemeinde auch immer wieder Missions­türen – eröffnet Möglich­keiten, die Gute Nachricht weiter­zusagen. Gott schenke uns offene Augen für seine offenen Türen! Wir brauchen nicht ver­schlossene Türen ein­zurennen. Wir sollten nicht versuchen, alles zu machen; das können wir mit unserer schwachen Kraft gar nicht. Aber wir können die offenen Türen nutzen, die Gott für uns aufgemacht hat.

Der nächste Vers in diesem Brief von Jesus ist schwierig: „Siehe, ich werde schicken einige aus der Synagoge des Satans, die sagen, sie seien Juden, und sind's nicht, sondern lügen; siehe, ich will sie dazu bringen, dass sie kommen sollen und zu deinen Füßen nieder­fallen und erkennen, dass ich dich geliebt habe.“ Es gab in Phil­adelphia offen­sichtlich eine Synagoge. Natürlich meinten die Mitglieder dieser Synagogen­gemeinde, das rechte Israel zu vertreten. Aber sie nahmen ja nicht den Messias an, den Gott seinem Volk geschickt hatte: Jesus. Deshalb waren sie in Gottes Augen nicht mehr das rechte Israel; sie irrten sich vielmehr und standen auf der Seite Satans, weil sie den Gottessohn verwarfen. Christus prophezeite seiner Gemeinde in Phil­adelphia hier offen­sichtlich, dass einige Juden ihn als Messias erkennen und der christ­lichen Gemeinde beitreten werden: „Sie werden nieder­fallen und erkennen, dass ich dich geliebt habe.“

Wir haben hier weder eine jüdische Gemeinde noch die Prophe­zeiung Jesu, dass bei uns etwas Ähnliches geschehen wird. Aber wir können im über­tragenen Sinne sagen: Nicht alle in unserer Umgebung, die sich für Gottes Gemeinde halten und auf Gott berufen, sind in Wahrheit Diener Gottes. Ent­scheidend ist, ob sie Jesus kennen, ob sie etwas von seiner Liebe wissen, ob sie ihn als Herrn anbeten, ob er Dreh- und Angelpunkt ihres Lebens ist – der Gottessohn, der Ge­kreuzigte, der Auf­erstandene, der zukünftige Welten­richter. An ihm scheiden sich die Geister. Jeder Mensch, der vorgibt, Gott zu dienen, aber Christus nicht zum Mittelpunkt hat, ist ein Handlanger des Satans. Denn wer nicht den Schlüssel Davids verkündigt und mit Christus das Himmelreich für die Menschen auf­schließt, der schließt es für sie zu und tut damit letztlich Satan einen Gefallen. Darum sollten wir uns auch stets ein nüchternes Urteil bewahren bei allem, was mit Ökumene zu tun. „Prüfet die Geister!“, das gilt auch heute noch (1. Joh. 4,1). Wir wollen aber hoffen und zu Gott beten, dass viele Irre­geleitete doch noch rechtzeitig zur Erkenntnis der Wahrheit kommen und vor Christus gläubig ihre Knie beugen, denn sonst werden sie einst am Jüngsten Tag in die Knie gezwungen werden vor dem Welten­richter, und dann bleibt nichts als Heulen und Zähne­klappern.

Nun schreibt Jesus aber noch etwas sehr Tröstliches in diesen Brief: „Weil du mein Wort von der Geduld bewahrt hast, will auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die kommen wird über den ganzen Weltkreis, zu versuchen, die auf Erden wohnen.“ Uns wird ja heute schon bange, wenn wir an das viele Schreck­liche denken, was auf Erden geschieht. Wir stehen ja heute schon in der Gefahr, an Gottes Liebe irre zu werden, wenn wir von Kata­strophen hören oder lesen oder wenn wir sie gar selbst erfahren. Was wird dann erst in der großen Trübsal der letzten Tage sein, von denen das Buch der Offenbarung so schaurig berichtet? Wenn Kriege, Hungers­nöte, Erdbeben, Mord und Gewalt die Erde überziehen werden? Wie soll unsere schwache Kraft, unser schwacher Glaube da bestehen? Aber wir dürfen ganz getrost sein! In dem Maß, wie Jesus Ver­suchungen zulässt, will er auch unseren Glauben stärken, sodass wir darin bestehen können. Er vespricht: „Ich will dich bewahren in der Stunde der Ver­suchung.“ Wir brauchen uns nicht ängstlich zu fragen, wo dann die Kraft herkommt, wir können einfach zu­versicht­lich an seinem Wort festhalten und es bewahren – am „Wort der Geduld“, wie Jesus es nannte, also an seinem Wort, das uns zur Geduld aufruft.

Wie bewahren wir dieses Wort? Wir bewahren es nicht, wenn wir es wie einen Schatz vergraben, wenn die Bibel also im Bücher­schrank verstaubt. Wir bewahren es aber so, wie ein Sportler seine Kondition bewahrt: nämlich durch Training. Lasst uns also mit dem Wort Christi und mit seinem Sakrament häufig umgehen! Lasst es uns reichlich in Anspruch nehmen und gebrauchen! Wir sollen uns nicht sorgen um unseren Glauben in Krisen­zeiten, aber wir sollen in Geduld am Wort festhalten! Wir sollen es bewahren, nicht indem wir es kon­servieren, sondern indem wir damit trainieren. Christus ruft uns zu: „Siehe, ich komme bald; halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme!“ Die Krone ist der Sieges­kranz, den die Gewinner von sportlichen Wettkämpfen in damaliger Zeit erhielten. Die Krone ist ein Bild für den Himmel, weil dort dann der Sieg errungen ist nach dem guten Kampf des Glaubens, wenn er zuende gekämpft wurde. Aus diesem Grund schmücken wir Friedhofs­kapellen und Gräber mit Kränzen.

Dieses Ziel malt Christus am Schluss seines kurzen Briefes mit einem schönen Bild aus: „Wer überwindet, den will ich machen zum Pfeiler in dem Tempel meines Gottes, und er soll nicht mehr hinaus­gehen, und ich will auf ihn schreiben den Namen meines Gottes und den Namen des neuen Jerusalem, der Stadt meines Gottes, die vom Himmel hernieder­kommt von meinem Gott, und meinen Namen, den neuen.“ Ja, im Himmel werden die triumphie­renden Heiligen vollkommen zusammen­gefügt sein wie die Steine eines wunderbaren Tempels. Die Christen aus Phil­adelphia dürfen dann Säulen sein in diesem Himmelsbau und drei Namen als Inschriften tragen: „Gott der Herr“ wird darauf stehen, weil sie nun ganz zu ihm gehören. „Jerusalem“ wird darauf stehen, der Name der heiligen Stadt – der Ort, den Gott für seine Gegenwart gewählt hat. Und „Jesus Christus“ wird darauf stehen, aber als neuer Name: Nicht, wie Jesus in seiner Niedrigkeit war, werden wir dann sein; nicht unterm Kreuz, so wie wir jetzt sind. Nein, sondern ver­herrlicht und erhöht werden wir dann sein wie Jesus nach seiner Auf­erstehung.

Und weil dieser Brief Jesu in erster Linie ein Brief zum Vorlesen ist und weil wir seinen Inhalt äußerst wichtig nehmen sollten, darum wollen wir uns auch die ab­schließende Mahnung gesagt sein lassen: „Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!“ Ja, lasst uns sorgfältig hören, was die Stimme Christi durch den Heiligen Geist sagt – nicht nur der Gemeinde in Phil­adelphia, sondern allen Gemeinden, auch unserer Gemeinde. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1989.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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