Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Nein, ihr braucht nicht eure Verwandten, Freunde und reichen Nachbarn wieder auszuladen, wenn ihr sie zu einer Feier eingeladen habt. Jesus will hier keineswegs einen alternativen Knigge des Einladens und Feierns entwerfen; Jesus möchte lediglich, dass wir bei allem Feiern mit Freunden, Verwandten und reichen Nachbarn diejenigen nicht vergessen, die unsere Zuwendung nötiger haben. Er wählte das Feiern nur als Beispiel, weil er selbst gerade bei einem Gastmahl eingeladen war – und zwar im Haus eines angesehenen Oberpharisäers. Was Jesus mit diesem Beispiel sagte, das kann ohne weiteres in die heutige Zeit und auf andere Situationen übertragen werden. Wenn wir das tun, so kommt es natürlich auf die wirtschaftliche Lage und die Lebensumstände jedes einzelnen an sowie auch auf die Gelegenheiten, die sich zur Nächstenliebe bieten. Jedem, der ernsthaft darüber nachdenkt, werden genug Dinge einfallen, die im Bereich seiner Möglichkeiten liegen.
Jesus hat hier, wie gesagt, nur ein Beispiel genannt. Er wollte damit seinem Gastgeber und uns nicht vorschreiben, was wir tun sollen, sondern er wollte vielmehr sagen, wie wir sein sollen. Wie unsere Lebenseinstellung sein soll. Wie es in unserm Herzen aussehen soll. So sollen wir sein: Wir sollen nicht darauf schielen, dass sich unser Verhalten für uns lohnt und auszahlt. Wir sollen nicht darauf schielen, dass wir eine Gegen-Einladung bekommen, wenn wir einladen, oder dass wir von demjenigen zurück-beschenkt werden, den wir beschenkten, oder dass wir Vorteile von dem gewinnen, zu dem wir freundlich sind. Nein, wir sollen ganz uneigennützig einladen und schenken und freundlich sein bei denen, die es nötig haben. Denen wir damit helfen können. Denen wir damit eine große Freude machen können. Die sonst Mangel leiden müssen. Wir sollen denjenigen Gutes tun und bei denjenigen Liebe üben, die uns das nicht vergelten können. Es soll uns nicht wichtig sein, dass uns etwas hier auf Erden vergolten wird. Es soll uns aber etwas daran liegen, dass wir bei der Auferstehung vor Gottes Richterstuhl mit unserem Leben bestehen können. Wenn du so bist, wenn du solch eine Lebenseinstellung hast, „dann wirst du selig sein, denn sie haben nichts, um es dir zu vergelten; es wird dir aber vergolten werden bei der Auferstehung der Gerechten“, sagte Jesus.
Ich gehe einmal davon aus, dass euch an dieser Seligkeit liegt und dass ihr auch so sein möchtet, wie Jesus es erwartet. Wenn nämlich jemand sagt: „Mich interessiert nur mein Vorteil in dieser Welt, Gottes Urteil ist mir egal“, dann kann ich ihm mit meiner Predigt nicht helfen, dann kann ich ihm im Namen Gottes nur bezeugen, dass ewige Verdammnis auf ihn wartet – sofern er sich nicht ändert. Aber ich gehe jetzt davon aus, dass euch an dieser Seligkeit liegt. Ich gehe davon aus, dass ihr im Jüngsten Gericht vor Gottes Thron bestehen und den Lohn empfangen möchtet, der verheißen ist: das ewige Leben im Himmel.
Wie empfangen wir diese Seligkeit? Nun, Jesus sagte es ja, er zeigte es ganz klar und einfach mit diesem Beispiel: Wir sollen nicht darauf bedacht sein, dass uns irgendetwas in diesem Leben hier vergolten wird oder dass sich unser Verhalten auszahlt, sondern wir sollen nach Kräften unseren Mitmenschen Gutes tun und ihnen dienen. Wir sollen es ohne Ansehen der Person tun. Und ganz besonders sollen wir es an den Geringen und Bedürftigen tun, die sich selbst nicht helfen können und auf unseren Dienst angewiesen sind. Wenn wir es bisher nicht so gehalten haben, dann machen wir es eben ab heute anders – so einfach ist das!
Und doch ist es so schwer. Ich selbst, der ich diesen Text auslege und darüber predige, erkenne, dass mein Leben nicht so ist, wie es nach diesem einfachen Beispiel Jesu sein soll. Ich bin doch immer ganz schön darauf aus, dass ich etwas von meinem Tun habe – und sei es auch nur ein bisschen Bewunderung und Anerkennung. Mit den Armen und Hilfsbedürftigen unserer Zeit habe ich wenig Kontakt – und bin im Stillen ganz froh darüber, weil ich meine mangelnde Liebe zu ihnen damit ganz gut entschuldigen kann. Dort, wo ich vor Menschen bestehen muss mit meinem Dienst, gebe ich mir Mühe, dass es gut gelingt und ich Anerkennung finde. Die verborgenen Dienste aber, das Abgeben oder die Fürbitte, die vernachlässige ich. Ich stelle fest: Ich bin nicht so, wie Jesus sagt, dass ich sein soll. Ich bin nicht so, dass ich mich vor Gottes Richterstuhl trauen kann. Ich darf nicht damit rechnen, dass mir dann mit der ewigen Seligkeit vergolten wird. Gott könnte mit Recht sagen: „Du hast deinen Lohn schon gehabt.“ Mir wird angst und bange bei diesem Gedanken. Ich armer, elender, sündiger Mensch – was soll aus mir werden? Ich will ja das Gute tun, ich will ja vor Gott bestehen können, weiß auch, wie ich sein müsste – und bin doch nicht so. Mein Herz ist nicht so, wie Jesus es haben möchte. Und so sage ich mit dem Apostel Paulus: „Wollen habe ich wohl, aber das Gute vollbringen kann ich nicht… Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von diesem todverfallenen Leib?“ (Römer 7,24)
Aber da begegnet mir derselbe Jesus, der sagt, wie ich sein soll, noch in anderer Weise. Er begegnet mir als der Gekreuzigte und Auferstandene. Er begegnet mir als mein Heiland, der meine Verfehlungen vor Gott getilgt hat. „Da jammert' Gott in Ewigkeit mein Elend übermaßen“, heißt es in Luthers großem Reformationslied „Nun freut euch, lieben Christen gemein“, und: „Der Sohn dem Vater gehorsam ward, er kam zu mir auf Erden.“ Da hat er gelebt, wie ich selbst nicht leben konnte: ganz uneigennützig, nur im Gehorsam gegenüber seinem Vater. Er hat nicht nur mit seinen Jüngern und mit reichen Nachbarn gegessen, sondern er hat mit Armen, Kranken, Behinderten, Zöllnern und Sündern Gemeinschaft gehabt und ihnen geholfen. Auch dann, wenn er mit den Jüngern Mahl hielt, ging es ihm nie um den eigenen Vorteil, sondern nur um deren Heil. Er feierte das Heilige Abendmahl zusammen mit einem Petrus, der ihn wenig später verleugnete, und zusammen mit weiteren Jüngern, die oft genug ihren Kleinglauben bewiesen hatten und die bei seiner Gefangennahme dann flohen. Diesen armseligen sündhaften Menschen gab er das Kostbarste, was er zu geben hatte: seinen heiligen Leib, sein teures Blut – unter der Gestalt von Brot und Wein. Und so ist unser lieber Heiland Jesus Christus bis zum heutigen Tag: Uns arme, elende sündige Menschen lädt er ein zu sich in seinen Gottesdienst und an seinen Tisch, um uns das Wertvollste zu geben, was er hat – seinen Leib und sein Blut, die Frucht seines unschuldigen Leidens und Sterbens, und damit Vergebung der Sünden und Leben in ewiger Seligkeit! Mit diesem Wort und mit dieser Speise können wir vor Gottes Richterstuhl bestehen, trotz unserer Verfehlungen. Ja, Christus hat so gelebt und handelt noch heute so, wie er es in diesem Bibelabschnitt fordert und wie es doch noch nie ein anderer Mensch vollbracht hat.
Wenn wir uns so von unserm Herrn und Heiland dienen lassen, wenn wir vertrauensvoll zu seinem Wort und Sakrament kommen, wenn wir um seinetwillen auf den Himmel hoffen, kurz: wenn wir an ihn glauben, dann ändert sich etwas an unserem bösen Herzen. Dann zieht Jesus da ein und macht es gut. Dann werden wir erfüllt mit seiner Liebe, mit göttlicher Liebe. Dann lernen wir selbst lieben – ohne Ansehen der Person, wie Christus geliebt hat. Und dann können wir fröhlich dieses Worte unsers Herrn hören, ohne Angst und ohne schlechtes Gewissen. Wir lernen dann von ihm, wie wir sein sollen: Wir sollen nicht darauf bedacht sein, dass uns irgendetwas vergolten wird oder dass sich unser Verhalten auszahlt, sondern wir sollen nach Kräften unsern Mitmenschen Gutes tun und ihnen dienen ohne Ansehen der Person – ganz besonders aber den Geringen und Bedürftigen, die sich selbst nicht helfen können und auf unseren Dienst angewiesen sind. Wenn wir es bisher nicht so getan haben oder nicht genug, dann machen wir es eben ab heute anders. So einfach ist das. Amen.
PREDIGTKASTEN |