„Ich bin der HERR, dein Arzt“

Predigt über 2. Mose 15,26 zum 12. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Gott meint es gut mit uns. Gott hat uns sehr lieb. Gott möchte, dass wir glücklich und zufrieden leben. Und wo es uns an Lebensglück und Zufrieden­heit mangelt, möchte er uns helfen. Wo wir schwach und krank sind, will er uns heil machen – ganz heil, an Leib und Seele. Darum heißt der Allmächtige bereits im Alten Testament „Heiland“. Unser Herr Jesus Christus hat in besonderer Weise Gottes Heilands­liebe in die Welt gebracht. Er rief die Mühseligen und Beladenen zu sich, um sie zu erquicken. Er sagte: „Die Starken brauchen keinen Arzt, sondern die Kranken“, und handelte als Arzt der Schwachen (Matth. 9,12). Ja, Gott will uns heilen, und darum sagte er schon seinem alten Bundesvolk Israel am Beginn der Wüsten­wanderung: „Ich bin der Herr, dein Arzt.“

Lasst uns einmal genau betrachten, was das bedeutet. Wir alle haben Erfahrungen mit Gott. Wir alle haben auch Erfahrungen mit Ärzten. Lasst uns einmal versuchen, beide Erfahrungen miteinander zu ver­gleichen. Lasst uns Gott beim Wort nehmen, wenn er sagt: „Ich bin der Herr, dein Arzt.“

Wann geht man zum Arzt? Wenn es uns schlecht geht, wenn wir krank ist. Dabei wissen wir: Es kann auch seinen Sinn haben, zum Arzt zu gehen, wenn wir noch nicht krank sind – zur Vorsorge nämlich. Sei es, dass man sich gegen eine schlimme Krankheit impfen lässt, oder sei es, dass der Zahnarzt mal wieder das Gebiss durch­checkt: Der kluge Patient beugt vor.

So sollten wir auch als kluge Christen handeln: Wir sollten uns nicht erst dann auf Gott besinnen, wenn es uns schlecht geht. Not lehrt zwar beten, so heißt es, und mancher, der vorher nicht besonders fromm war, hat sich in schlechter Zeit mit einem Hilferuf an Gott, den Arzt, gewandt. Besser ist es, stets alles im Gebet Gott an­zubefehlen, auch in guten Zeiten. Mag sein, dass uns dann manche Not erspart bleibt, mit der Gott uns sonst erst zur Buße rufen müsste. Und so mancher, der sich erst im Alter mit Gott befassen wollte, hat sein Alter nicht erreicht.

Zu welchem Arzt geht man? Entweder zum Allgemein­mediziner oder zu einem Facharzt, der für bestimmte Körperteile und bestimmte Krankheiten zuständig ist.

Wenn wir uns an Gott als unsern Arzt wenden, sollten wir wissen: Der Herr ist der aller-allge­meinste Allgemein­mediziner! Er ist nicht nur für die Seele zuständig, sondern auch für den ganzen Leib, von Kopf bis Fuß. Er hat uns ja geschaffen, so bekennen wir, und darum kennt er uns in- und auswendig, besser als jeder andere. Deshalb kann er uns auch in jeder Hinsicht gesund machen. Selbst unsere kranken Beziehungen zu den Mitmenschen kann er in Ordnung bringen. Und er will es auch tun. Wir können ihn un­einge­schränkt bitten und alles Heil von ihm erwarten. Er hat ver­sprochen, uns ganz zu heilen, darum dürfen wir diese gewisse Hoffnung haben.

Wie kommt man zum Arzt? Man muss sich zunächst einen Termin holen. Der liegt oft weit in der Zukunft. Ist der Termin dann heran­gerückt, so wird man zunächst ins Wartezimmer geschickt. Manchmal sitzt man dort Stunden, ehe man den Arzt sprechen darf. Die Gesichter der Mit­patienten sowie zerlesene Zeit­schriften zeugen davon, dass das Wartezimmer ein Angstzimmer ist. Angst wovor? Vor der Wahrheit über unseren Zustand oder vor einer schmerz­haften Behandlung.

Glücklicher­weise brauchen wir bei Gott nicht so große Hürden zu nehmen, um in sein Sprech­zimmer zu kommen. Er hat immer Zeit für uns; wir dürfen jederzeit zu ihm kommen mit allem, was uns beschwert. Dennoch gibt es auch bei Gott das Wartezimmer-Gefühl. Das liegt nicht an ihm, dem Arzt, sondern an uns. Wir zögern noch, wir wollen uns ihm noch nicht ganz ausliefern. Wir haben Angst, und zwar vor der Wahrheit über unsern Zustand, den Gottes Wort schonungs­los offenbart. Oder wir haben Angst vor einer schmerz­haften Behandlung. Buße kann schmerzhaft sein, denn wer von uns verlässt schon gern altgewohnte Bahnen und beginnt ein neues Leben? Aber nur Mut: Gott ist ja unser Arzt! Er will uns helfen, dass wir gesund werden – gesund für Zeit und Ewigkeit!

Wie kommt ein Arzt zu seiner Diagnose? Er muss den Patienten gründlich unter­suchen. Er stellt Fragen, die man ehrlich beantworten sollte. Manchmal muss man sich auch ausziehen; das ist peinlich, lässt sich aber für die Diagnose nicht vermeiden. Wenn der Arzt ein guter Arzt ist, wird er schließlich offen und klar sagen, was für eine Krankheit wir haben.

Bei Gottes Diagnose ist das ähnlich. Zwar kennt uns Gott von vornherein viel besser als wir selbst. Aber er fragt nach unserm Leben und nach allem, was da nicht in Ordnung ist. Wir müssen uns auch vor ihm gewisser­maßen ausziehen, müssen unsere Seele bloß legen, auch wenn das peinlich ist. Gottes Diagnose ist dann offen und klar: Die Sünde ist unsere Krankheit. Die Sünde ist schuld an allem Leid, das wir tragen müssen, sei es an Körper oder Seele. Zwar können wir nicht sagen: Diese bestimmte Sünde hat jene bestimmte Krankheit verursacht. Aber weil die Sünde in der Menschheit verbreitet ist, darum sind auch Krankheiten und Leiden unter den Menschen verbreitet, und jeder trägt seinen Teil Mitschuld daran. Wir tun gut daran, diese göttliche Diagnose anzunehmen, auch wenn wir sie – sozusagen als Laien – nicht bis ins Letzte verstehen können.

Wie behandelt der Arzt die Krankheit? Er verschreibt bestimmte Medikamente und veranlasst andere Formen der Therapie, Massagen zum Beispiel oder Be­strahlun­gen. Und er gibt bestimmte Verhaltens­regeln mit auf den Weg: dreimal täglich zwei Tabletten nehmen, Zugluft vermeiden, mit Kamillentee gurgeln und was es noch so alles gibt. Man hält sich daran – und hofft, auf diese Weise gesund zu werden.

Auch Gott hat seine Therapie für unsere Krankheit Sünde. Die Medizin ist wahnsinnig teuer – so teuer, dass niemand sie bezahlen kann. Aber weil Gott uns so lieb hat, schenkt er uns diese Medizin. Es ist das Blut seines Sohnes Jesus Christus, geflossen zur Vergebung unserer Sünden. Mit dieser Medizin gibt Gott uns Verhaltens­regeln auf den Weg: Wir sollen sie nehmen, die Medizin, wir sollen an Jesus Christus und seine Ver­söhnungs­tat am Kreuz glauben! Wir sollen Buße tun, wir sollen uns also von unserer Krankheit Sünde lossagen. Und wir sollen dranbleiben an dieser Therapie, sollen unser ganzes Leben in dieser Welt mit ständiger Buße und ständigem Glauben führen. Dazu hat uns Gott, unser Arzt, die Gnaden­mittel eingesetzt: sein heiliges Wort in der Bibel, den Zuspruch der Sünden­vergebung bei der Beichte und das Heilige Abendmahl. Hier gibt es die Medizin gegen unseren Sünden­schaden, Christi Leib und Blut! Und der Arzt sagt uns: „Nehmt, esst, trinkt, tut solches!“ Weil Gott aber kein mensch­licher Arzt ist, sondern allmächtig und vollkommen, dürfen wir sicher sein: Diese Therapie hat hundert­prozentige Heilungs­aussichten. Wenn wir an dieser Therapie dran­bleiben, haben wir die Gewissheit: Wir werden gesund werden, ganz und gar, an Leib und Seele!

Wie lange dauert eine Therapie und wie belastend ist sie? Wer auch nur ein wenig Erfahrung hat, weiß: Eine ärztliche Behandlung ist in den seltensten Fällen von heute auf morgen ab­geschlos­sen. Es gibt sogar aus­gesprochen langwierige Therapien, die viel Geduld erfordern. Auch ist die Behandlung nicht immer angenehm, sondern manchmal richtig­gehend schmerz­haft. All das nimmt man als Patient gern auf sich, wenn man weiß: Es hilft, es wird immer besser mit mir, und einmal werde ich wieder ganz gesund sein.

So ist es auch mit Gottes Therapie. Wir müssen Geduld haben. Die Sünde lässt sich nicht von einem Tag zum andern aus unserem Leben verbannen. Auch unsere Wunden an Leib und Seele müssen wir bisweilen noch lange mit uns herum­schleppen. Die Therapie, das Leben in der Nachfolge Jesu, ist auch nicht immer von absoluter Hoch­stimmung geprägt. Unsere Medizin, die frohe Botschaft von der Erlösung in Christus, hat etwas mit dem Kreuz zu tun, und vom Kreuz müssen wir auch etwas merken, wenn wir in der Nachfolge leben. All das ist aber leicht zu ertragen, weil wir wissen: Es dient letztlich alles zu unserm Besten, und unsere Heilung ist gewiss, weil Gott keinen Fehler macht. Seine Behandlung wird zu einem guten Ende führen.

Und das, liebe Gemeinde, ist das Aller­köstlichste an unserem himmlischen Arzt: Seine Heilung reicht in die Ewigkeit! Der menschliche Arzt wird früher oder später bei jedem Menschen den Kampf um Gesundheit und Leben verlieren; zuletzt bleibt es doch immer seine traurige Pflicht, die Augen zuzudrücken und den Tod fest­zustellen. Nicht so bei Gott: Er wird einmal, am Jüngsten Tag, das ewige Leben feststellen bei allen, die sich ihm anvertraut haben. Dann werden auch die letzten Leiden und Gebrechen ausgemerzt sein, und die Sünde wird nicht mehr herrschen. Dann brauchen wir keinen Arzt mehr, aber wir haben dann für immer einen Gott, in dessen Herrlich­keit wir uns sonnen dürfen. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1988.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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