Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Was meint ihr: Ist es leicht oder schwer, selig zu werden? Die Frage lässt sich so allgemein nicht beantworten. Schauen wir in die Bibel, dann finden wir scheinbar widersprechende Antworten. „Der Mensch wird gerecht ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben“, heißt es da (Römer 3,28) – es ist also leicht, selig zu werden, es kommt nur auf den Glauben an. „Ringet darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht“, heißt es anderer Stelle (Lukas 13,24) – es ist also schwer, selig zu werden, denn man muss darum „ringen“, und darum gehen viele durch die bequeme breite Pforte ins Verderben.
Dieser Widerspruch ist aber nur ein scheinbarer. Denn wenn wir die Bibel richtig verstehen wollen, müssen wir immer berücksichtigen, wem etwas gesagt ist. An die Selbstsicheren und Starken ergeht die Warnung: Seht nur ja zu, dass ihr die Seligkeit nicht leichtfertig verspielt; nehmt es nicht zu leicht! Die Verzagten und Schwachen aber werden getröstet: Ihr müsst euch nicht selbst erlösen; Christus ist es, der euch durchträgt bis zur Seligkeit; auf den könnt ihr euch verlassen. Beides, die Warnung und den Trost, finden wir auch in den beiden Schlussversen des Abschnitts aus dem 1. Korintherbrief, den wir eben gehört haben. Paulus warnt am Beispiel des abtrünnigen Volks Israel die Selbstsicheren und Starken: „Wer meint, er stehe, mag zusehen, dass er nicht falle.“ Aber um die verzagten und angefochtenen Seelen nicht in noch größere Unsicherheit zu werfen, fügt er sogleich den Trost an: „Gott ist treu, der euch nicht versuchen lässt über eure Kraft, sondern macht, dass die Versuchung so ein Ende nimmt, dass ihr's ertragen könnt.“ Eng nebeneinander stehen hier Warnung und Trost, Gesetz und Evangelium.
Die Schwierigkeit für jeden Prediger liegt nun darin, beides in rechter Weise zu verkündigen. Es besteht ja die Gefahr, dass die falschen Leute das Falsche auf sich beziehen. Ganz oft ist es doch so: Da liegt eine verzagte Seele beständig im Kampf zwischen Glaube und Unglaube; sie wird wie mit einem Keulenschalg getroffen von dem Wort: „Wer meint, er stehe, mag zusehen, dass er nicht falle.“ Und da lebt ein anderer selbstsicher und zufrieden sein gutbürgerlich-frommes Leben, merkt nicht, wie die Sünden der Lieblosigkeit und des Pharisäertums ihm zum Fallstrick werden und tröstet sich ganz zu Unrecht mit der Zusage, Gott werde schon dafür sorgen, dass die Versuchung nicht überhand nimmt. Wie also kann ich Warnung und Trost an die jeweils richtigen Ohren bringen?
Ich möchte, dass jeder von euch im Stillen eine Testfrage beantwortet; die soll uns weiterhelfen. Die Frage lautet: Hast du Angst vor der ewigen Verdammnis? Ihr, die ihr die Frage bejaht, sollt zunächst weghören; euch geht der nächste Teil der Predigt, nämlich die Warnung, nichts an. Ihr aber, die ihr die Frage verneint, die ihr also sicher seid, dass Gott euch in den Himmel holen wird, sollt jetzt gleich gut zuhören; nachher aber sollt ihr mit dem Trost euer Gewissen nicht zu schnell beruhigen.
Ich lege jetzt also zunächst Gottes Wort für die Selbstsicheren und Starken aus, für die also, die sicher sind, einmal in den Himmel zu kommen. „Wer meint, er stehe, mag zusehen, dass er nicht falle“, schreibt Paulus an eure Adresse. Ihr verlasst euch darauf, dass ihr getauft seid, dass ihr Gottes Wort hört, dass euch die Sündenvergebung zugesprochen wird und dass ihr zum Abendmahl geht. Das ist auch recht so. Aber das ist keine Garantie dafür, dass ihr automatisch selig werdet. Wenn ihr dabei kein bußbereites Herz habt und die Sünde auf die leichte Schulter nehmt, dann wird euch das alles nichts nützen. Auch die Israeliten zu Moses Zeit besaßen Gottes Gnadenzeichen, und doch wandte sich das Herz der meisten vom Herrn ab. „An den meisten von ihnen hatte der Herr kein Wohlgefallen“, schreibt Paulus und zieht daraus die Lehre für die Gemeinde Jesu Christi: „Wer meint, er stehe, mag zusehen, dass er nicht falle.“
Wie kommt es denn, dass einer fällt? Drei Stolpersteine nennt dieser Abschnitt anhand von Israels warnendem Beispiel. Erstens: Sie hatten ihre Lust am Bösen. Zweitens: Sie wurden Götzendiener. Drittens: Sie trieben Hurerei. Es handelt sich in allen drei Fällen um Sünden, an denen die Israeliten mit verstocktem Herzen festhielten und die darum auch nicht vergeben wurden.
Lassen wir uns vor dem ersten Stolperstein warnen, liebe Gemeinde: Haben wir nicht Lust am Bösen! Das Böse ist dabei meistens nicht das Aufsehen erregend Böse wie Mord und Totschlag, sondern das Böse kommt oft auf leisen Sohlen, unter einem Schein des Rechts, ja zuweilen sogar unter einem Schein der Frömmigkeit. „Lust am Bösen haben“ heißt: An der Sünde festhalten, auch wenn Gottes Wort und das Gewissen dagegen sprechen. Da ist einer, der wurde von seinem Mitmenschen beleidigt, und will ihm nicht vergeben. Er kennt Gottes Wort, dass wir vergeben sollen, aber er will es nicht tun und bleibt mit großer Befriedigung im Schmollwinkel. Wie entsetzlich, liebe Gemeinde: Wer so handelt, lebt in unbereuter und unvergebener Sünde; er ist auf dem Weg in die Verdammnis! Aber auch jede andere Sünde kann zu so einem tödlichen Verhängnis werden, wenn einer sich nicht davon lossagt und mit Gottes Hilfe dagegen ankämpft.
Lassen wir uns auch vom zweiten Stolperstein warnen, liebe Gemeinde: Werden wir nicht Götzendiener! Ein Mensch kann schneller zum Götzendiener werden, als es ihm bewusst wird. Götzendienst ist ja in den seltensten Fällen eine fremde Religion. Vielmehr ist all das ein Götze, woran du dein Herz mehr hängst als an Gott. Du kannst hier regelmäßig im Gottesdienst sitzen und zum Abendmahl gehen und dabei doch ein Götzendiener sein. Gibt es einen Menschen, der dir lieber ist als Jesus Christus? Gibt es einen Schatz, der dir wertvoller ist als dein Herr? Gibt es einen Arzt, dem du mehr vertraust als dem Allmächtigen? Schon bist du ein Götzendiener! Hier hilft nur Umkehr. Mache Jesus Christus wieder zur Nummer Eins in deinem Leben!
Lassen wir uns auch vor dem dritten Stolperstein warnen, der Hurerei. Wieviele ernste und fromme Christen sind durch ungute sexuelle Bindungen schon zu Fall gekommen. Wenn ein frommer Mann und eine fromme Frau sich von Herzen lieb haben und einander auch den Weg zum Himmel weisen, dann ist das eine feine Sache. Jede andere geschlechtliche Bindung aber kann ins Verderben führen, sei es vorehelicher Geschlechtsverkehr, sei es ein Seitensprung oder sei es die Situation, dass ein gottloser Ehepartner den frommen nach und nach vom Glauben abbringt. Für all dies gibt es in der Geschichte des Volkes Israel eine Fülle warnender Beispiele.
Soweit die drei Stolpersteine, vor denen Gott an Israels Beispiel durch den Apostel Paulus warnt. Nun aber sollen all diejenigen besonders gut zuhören, die vorhin mit Ja geantwortet haben, als ich fragte: Hast du Angst vor der ewigen Verdammnis? Ihr habt gewiss deshalb so geantwortet, weil ihr fürchtet, ihr könntet einmal den Glauben verlieren. Vielleicht fürchtet ihr, die Freuden oder auch die Leiden dieser Welt könnten euch an Gottes Liebe und am Evangelium irre machen. Euch möchte ich den reichen Trost dieses Bibelabschnitts zusprechen: „Gott ist treu, der euch nicht versuchen lässt über eure Kraft, sondern macht, dass die Versuchung so ein Ende nimmt, dass ihr's ertragen könnt.“
Wie macht Gott das? Er stellt euch drei Troststeine auf euren Lebensweg – drei Troststeine, durch die euch der lebendige Herr Jesus Christus begegnet. Diese drei Troststeine haben ihr Urbild in der Geschichte des Volkes Israel zur Zeit des Mose. Der erste Troststein ist die Wolke, die dem wandernden Volk tagsüber den rechten Weg wies und sich nachts in eine Feuersäule verwandelte. Der zweite Troststein ist das Wasser des Schilfmeers, das sich teilte, um den Israeliten einen Fluchtweg vor den Feinden zu eröffnen. Der dritte Troststein ist der Fels in der Wüste, aus dem Gott Wasser quellen ließ, um das halb verdurstete Volk zu tränken.
Lassen wir uns von dem ersten Troststein trösten! Wie damals die Wolke vor den Israeliten herzog, so weist uns heute die Heilige Schrift den Weg. Mag mancher sie auch als schwer und dunkel empfinden, die entscheidenden Heilsaussagen sind doch hell und klar: Vertrau nur auf Gottes Barmherzigkeit, die in Christus ihre Erfüllung gefunden hat! Frag nur nach Jesus, dann wirst du selig – so einfach ist das.
Lassen wir uns auch von dem zweiten Troststein trösten! Wie die Israeliten damals durch die Fluten des Schilfmeeres hindurchgerettet wurden, so sind wir durch das Wasser der Taufe gerettet worden. Es liegt nicht an uns, dass wir selig werden, sondern Gott hat uns zur Seligkeit berufen und erwählt, und das hat er uns mit der Taufe bezeugt und besiegelt. Wir brauchen uns nicht selbst zu erlösen, sondern wir sind erlöst worden durch Christus.
Lassen wir uns auch von dem dritten Troststein trösten! Der Felsen gab den Israeliten damals das lebensspendende Wasser, und dazu schenkte Gott das Manna als Wegzehrung in all den Jahren der Wüstenwanderung. Auch wir dürfen immer wieder Himmelsspeise essen und einen wunderbaren Trank trinken, nämlich den Leib und das Blut unsers Herrn Jesus Christus. Wieder sind es nicht wir, die durch eigene Glaubensleistung etwas vollbringen müssen, sondern wir sind Gäste, die der Hausherr für die ewige Seligkeit stärkt und erquickt. Wir können es einfach ganz fröhlich und dankbar an uns geschehen lassen, diese große Gabe.
Soweit die drei Troststeine. Lassen wir uns immer wieder trösten und warnen, liebe Gemeinde, und nehmen wir beides aus Gottes Wort mit ganzem Ernst an. Lasst uns mit allem Ernst die Sünde und die Versuchung meiden. Lasst uns aber auch mit allem Ernst die Vergebung annehmen für unsere Schuld, in die wir durch menschliche Schwachheit immer wieder geraten. Ja, lasst uns festhalten an Gottes treuer Zusage des Evangeliums, die er uns reilich und in vielfältiger Weise zukommen lässt. Amen.
PREDIGTKASTEN |