Das Wächteramt

Predigt über Hesekiel 33,1‑9 bei einem Missionsfest

Liebe Missionsfestbesucher!

In der letzten Woche gab es wieder einmal eine Massen­karambolage auf der Autobahn. Die Bilanz: zwei Tote, viele Verletzte, Sachschaden in Millionen­höhe. Ein Fahrzeug nach dem anderen war bei regennasser Fahrbahn auf das Stauende gerast; in einem fort hatte es gekracht. Bis schließlich die Polizei kam und das Stauende absicherte.

Was die Polizei da getan hat, ist eine moderne Ver­anschau­lichung für das Wächteramt des Propheten Hesekiel. In dem Bibelwort, das wir eben gehört haben, wird dieses Wächteramt mit einem Stadt­wächter ver­anschau­licht, der in Kriegs­zeiten rechtzeitig vor einem feindlichen Angriff zu warnen hatte. Wie damals von seinem Dienst Leben und Gesundheit vieler Menschen abhing, so hängen heute Leben und Gesundheit vieler Menschen vom Dienst der Polizei ab. Würden die Beamten faul in ihrer Wachstube sitzen bleiben, wenn die Unfall­meldung sie erreicht, dann hätten sie weitere Folge­unfälle zu ver­antworten – und möglicher­weise den Tod vieler Menschen. Wenn sie aber schnell zum Stauende fahren und mit Blaulicht den heran­brausenden Verkehr warnen, dann tun sie ihre Pflicht – dann tun sie alles, was sie können, um Schlimmeres zu verhindern. Falls die Autofahrer trotzdem weiterrasen und ver­unglücken, so ist das dann ihre eigene Schuld.

Nicht nur das Wächteramt eines Stadt­wächters, sondern auch das Wächteramt des Propheten hat seine Parallele in der heutigen Zeit. Hesekiel sollte die Juden damals zur Umkehr rufen, damit sie nicht unter Gottes Zorn zugrunde gehen. Heute hat die Kirche die Aufgabe, Menschen vor dem Verderben ihrer Seelen zu warnen. Die Kirche soll allen Menschen das Evangelium von Jesus Christus sagen und dabei zur Umkehr sowie zum Glauben an ihn auffordern. Nur durch Jesus kann ja ein Mensch die ewige Seligkeit erwerben; ohne Jesus verliert er auf ewig die Gemein­schaft mit Gott. Das ist schlimmer, als in einem tragischen Verkehrs­unfall sein Leben zu verlieren. Das Wächteramt der Kirche ist also eine äußerst wichtige Sache. Eine Kirchen­gemeinde ist keine fromme Alternative zum Schützenverein. Sie hat einen verbind­lichen Auftrag von ihrem Herrn bekommen: nämlich das Evangelium in die Welt zu tragen. Dieser Auftrag heißt Mission. Wo die Kirche diesen Auftrag versäumt, gleicht sie den ver­antwortungs­losen Polizisten, die in der Wachstube sitzen bleiben und ein Auto nach dem andern auf den Stau auffahren lassen. Die Kirche muss hinaus mit ihrer lebens­rettenden Botschaft, auch auf die Gefahr hin, dass ihr Dienst nicht angenommen oder ernst genommen wird.

Ich sagte: Die Kirche muss… Sie bekam den Auftrag, sie hat heute das göttliche Wächteramt. Wer aber ist die Kirche? Es ist die Gemein­schaft aller, die an Christus glauben. Nicht jeder Christ muss missio­narische Predigten halten. Anderer­seits gilt der Missions­befehl nicht nur Pastoren und Missio­naren. Nein, die ganze christliche Gemein­schaft hat diese Ver­antwortung. Jeder sehe also an seinem Platz und mit seinen Möglich­keiten zu, wie er bei diesem Auftrag mithelfen kann.

Ich meine, dass letztlich auch ein Missions­fest nichts anderes ist, als dass eine christliche Gemeinde ihr Wächteramt ausübt beziehungs­weise sich dafür zurüsten lässt. Darum möchte ich anhand dieses Bibelwortes zwei Impulse mit auf den Weg geben.

Der erste Impuls richtet sich an diejenigen unter uns, die mit Jesus bisher eher wenig anfangen konnten. Es handelt sich um eine Art Stau­warnung. Im Namen Jesu Christi bezeuge ich klar und offen: Nur wenn du Jesus Christus an dir arbeiten lässt, gewinnst du Gemein­schaft mit Gott, sonst verlierst du sie für immer. Nur wenn du ihm vertraust, kannst du der letzten Katastrophe deines Lebens entgehen – der Kata­strophe, dass du nach dem Tod erkennen musst: Meine Güte, es gibt Gott und den Himmel ja wirklich, aber ich bin für immer aus­geschlos­sen. Suche Christus hier in einer Gemeinde, wo sein Wort verkündigt wird und wo es viele Angebote gibt, den Glauben zu finden und zu stärken.

Der zweite Impuls richtet sich an diejenigen, die sich bereits durch Christus gerettet wissen und einer christichen Gemeinde angehören. Es handelt sich um eine Mahnung und Er­munterung, das Wächteramt der Kirche gewissenhaft mitzutragen und bei seiner Erfüllung helfen. Das beginnt bei treuer Fürbitte für die Mission im In- und Ausland. Also: Nicht nachlassen im Beten! Beten ist Arbeit – deine Arbeit! Das geht weiter mit dem per­sönlichen Einsatz in der Gemeinde. Viele Köpfe, Hände und Füße werden da gebraucht, um nach innen und außen das Evangelium von Jesus Christus zu bezeugen. Köpfe mit guten Ideen und Phantasie, wie man die Botschaft möglichst klar und deutlich unter die Leute bringt; Hände, die zupacken; Füße, die Besuche machen; Ohren, die zuhören können; Münder, die zur rechten Zeit das rechte Wort reden; auch Geldbeutel, die fröhlich für Kirche und Mission geöffnet werden. Alle Aktivitäten in Kirche und Gemeinde haben auch eine missio­narische Dimension; wo die ver­nachlässigt wird, werden wir dem Wächteramt untreu.

Liebe Gemeinde, der Wächter auf der Stadtmauer musste vor dem Angriff warnen. Der Polizist muss nach einem Untall das Stauende absichern. Hesekiel musste zur Umkehr rufen. Wir als Gemeinde müssen Mission treiben. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1987.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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