Jesus Christus lädt zu Tisch

Predigt über Markus 14,22‑25 zum Gründonnerstag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Jesus hat nicht nur für uns gelitten und durch seinen Tod am Kreuz unsere Strafe getragen, Jesus hat auch dafür gesorgt, dass sein Opfer uns auf mancherlei Weise zugeeignet wird. Es ist ein großer Reichtum an Formen und Weisen, durch die uns der Gottessohn die Liebe seines Vaters offenbart und die Vergebung der Sünden zuspricht.

Da ist die Taufe am Anfang unseres Christen­lebens: Das Wasser zeigt an, dass Jesus uns von Sünden reinwäscht, und Gottes Wort wirkt dieses Wunder im „Bad der Wieder­geburt“. Da ist die Botschaft des Evangeliums im Alten und Neuen Testament und ihre Auslegung im Gottes­dienst. Da ist der direkte Zuspruch der Sünden­vergebung in der Beichte; die Hand­auflegung macht dabei ganz deutlich: Du bist gemeint! Da ist der Segen, der am Ende eines Gottes­dienstes auf die ganze Gemeinde gelegt wird. Und da ist auch das Heilige Abendmahl, an dessen Einsetzung wir heute besonders denken. Gott sei Lob und Dank für diese Fülle von Formen und Weisen, durch die sein Evangelium zu uns kommt!

Lasst uns nun dieses eine Gnaden­mittel näher betrachten, das Sakrament des Altars. Was bedeutet das eigentlich – ein „Sakra­ment“? Martin Luther und die Reforma­toren haben dankbar die Definition des Kirchen­vaters Augustin auf­gegriffen, der festlegte: „Tritt das Wort zum Element, nennt man das ein Sakrament.“ Gottes Wort und die äußerlich sichtbaren Elemente Brot und Wein machen das Altar­sakrament aus, das Heilige Abendmahl.

Eben jenes göttliche Wort, das aus Brot und Wein das Sakrament des Heiligen Abendmahls macht, haben wir gerade als Predigttext gehört. Es handelt sich dabei um die Einsetzungs­worte, die unser Herr bei der ersten Feier des Heiligen Abendmahls im Kreis seiner Jünger gesprochen hat. Wenn wir diese Worte genauer betrachten, können wir in ihnen zweierlei erkennen: Es ist erstens ein Gebot, zweitens eine Verheißung.

Kommen wir erstens zum Gebot. Es zeigt sich an den Stellen der Einsetzungs­worte, wo Jesus den Imperativ gebraucht, die Befehls­form: „Nehmt!“ sagte er, und „Trinkt!“ Zu den Imperativen gehört auch der Satz, den das knappe Markus­evangelium ver­schweigt, den Jesus in diesem Zusammen­hang aber ebenfalls gesagt hat: „Tut dies zu meinem Gedächt­nis!“ Ja, das ist das Gebot zum Sakrament des Altars: Christus hat uns das Abendmahl nicht deshalb gestiftet, damit wir darüber lange diskutieren oder uns theologisch bilden, sondern damit wirs tun. Das sollen wir ganz ernst nehmen: Das Heilige Abendmahl ist nicht ein un­verbind­liches Angebot für diejenigen, denen gerade danach zumute ist. Vielmehr ist es Gottes Wille und Gebot, dass wir es empfangen. Wie er uns gebietet, dem Evangelium zu glauben und zu beten, so gebietet er uns auch, das Altar­sakrament zu feiern. Wenn Gott ruft und gebietet, wer wollte da fern­bleiben? Wohl kaum einer hat ein­dringlicher zur Einhaltung dieses Gebotes gemahnt als Dr. Martin Luther im Großen Katechis­mus. Da schrieb er unter anderem: „Das nenne ich eine Verachtung des Sakra­mentes, wenn man so lange Zeit vergehen lässt und es nicht begehrt, ohne dass irgendein Hinderungs­grund besteht. Ist dir nach solch einer Freiheit zumute, dann nimm dir doch lieber gleich die Freiheit, überhaupt kein Christ zu sein; dann brauchst du auch nicht zu glauben und zu beten. Denn dies ist ebenso Christi Gebot wie jenes. Willst du aber ein Christ sein, so musst du jedenfalls hin und wieder diesem Gebot Folge leisten und gehorchen. Solch ein Gebot aber sollte dich vielmehr bewegen, in dich zu gehen und dich zu fragen: ‚Was bin ich eigentlich für ein Christ? Wäre ich einer, so müsste ich mich doch ein wenig nach dem sehnen, das zu tun, was mein Herr befohlen hat.‘“

Nun hat Christus dieses Gebot keineswegs als Schikane erlassen, auch nicht, damit wir ihm damit einen Gefallen tun. Nein, vielmehr tut er uns einen Gefallen im Heiligen Abendmahl! Ich sage es noch einmal: Das Sakrament des Altars gehört zu dem großen Reichtum der Formen und Weisen Gottes, um uns das Evangelium nahe­zubringen. Darum kommen wir jetzt zweitens zu der Verheißung, die in dem Wort steckt, das aus den Elementen Brot und Wein ein Heiliges Abendmahl macht.

Die Verheißung steckt in Jesu Worten: „Das ist mein Leib“, und: „Das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird“. Jesus versprach, dass dieses Wunder geschieht, das wir mit unserem Verstand nicht fassen können: Das Brot bleibt Brot und ist doch zugleich Leib Christi; der Wein bleibt Wein und wird zugleich Blut Christi. So geht Christus mit allen, die dieses Mahl halten, eine ganz unmittel­bare, enge, geheimnis­volle Verbindung ein: Wir nehmen mit dem Munde seinen Leib auf, der uns zugut am Kreuz zerbrochen ist, und das Blut, das uns zugut aus Jesu Wunden geflossen ist; mit dem Herzen aber glauben wir dabei, dass durch die Hingabe dieses Leibes und durch die Kraft dieses Blutes alle unsere Sünden bei Gott getilgt sind. Das ist Gottes neuer Bund: Nicht ein Vertrag, nicht eine Abmachung zwischen gleich­berechtigten Partnern, sondern ein Testament, eine einseitige Verfügung zugunsten des anderen! Gott verheißt: Wer diese Speise und diesen Trank im Glauben empfängt, der hat Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit.

Wenn du also nachher hinzu­trittst, um den Leib und das Blut Christi zusammen mit Brot und Wein zu empfangen, dann darfst du wissen: Hier wird mein kaputtes Leben heil! Das ist die große Verheißung, die diese Speise zum Sakrament macht. In der Verheißung liegt die ganze Kraft des Sakraments. Das Gebot hat Gott nur deshalb auf­gerichtet, weil er weiß, wie dringend nötig wir dieses Mahl haben.

Eigentlich bräuchte ich jetzt nicht mehr viel zu sagen, es ist alles klar: Kommt zum Abendmahl! Doch ich möchte noch zwei Probleme ansprechen, die manche mit dem Abendmahl haben.

Die einen fürchten, wenn sie zu oft gehen, dann wirds zur Gewohnheit und ist nichts mehr Besonderes. Nun, wenn es zur Gewohnheit wird, dann ist das sicher nicht die schlech­teste Gewohnheit! Aber es geht ja hier eigentlich gar nicht um Gewohnheit oder um etwas Besonderes, sondern es geht darum, dass Jesus selbst dich hier zu Tisch lädt, damit dein Glaube lebens­wichtige Nahrung bekommt. Würdest du sagen: Ich esse nur noch eine Mahlzeit pro Woche statt dreier pro Tag, sonst wird es zu sehr zur Gewohnheit und ich kann nicht mehr richtig dankbar dafür sein? Würdest du sagen: Ich spreche das Vaterunser und das Glaubens­bekenntnis nur noch einmal im Monat, sonst wirds zu sehr zur Gewohnheit und ich plappere es nur noch herunter? Warum solltest du dann sagen: Ich gehe nur alle drei Monate zum Abendmahl, sonst ist es nichts Besonderes mehr? Martin Luther hat recht hart geurteilt und gesagt: Wer länger als drei Monate ohne Not dem Abendmahl fernbleibt, kann nicht als Christ angesehen werden, denn ihm ist die Einladung Christi offenbar nicht besonders wichtig. Dass das Abendmahl nicht zur Routine wird, kannst du vermeiden, wenn du dich mit andachts­vollem Herzen darauf vor­bereitest und Gott darum bittest, dass er dich den Leib und das Blut seines Sohnes im rechten Glauben empfangen lässt.

Andere Gemeinde­glieder verstehen nicht, warum in unserer Kirche nicht alle zum Altar kommen können; sie verstehen nicht, dass wir bestimmte Voraus­setzungen zum Abendmahls­empfang machen. Diese Voraus­setzungen sind aber nun einmal von Gottes Wort vorgegeben. Denn wer das Abendmahl unwürdig empfängt, so schreibt der Apostel Paulus, dem hilft es nicht, sondern im Gegenteil, dem schadet es. Wer es unwürdig empfängt, missbraucht das Altar­sakrament und lädt damit Schuld auf sich. Was heißt denn nun aber „würdig“? Es heißt nicht, dass wir besonders gut angezogen sein müssen, auch nicht unbedingt, dass wir uns intensiv vorbereiten sollen, auch nicht, dass wir keine groben Sünden getan haben, auch nicht, dass wir uns in unserem Glauben stark und un­angefochten fühlen. Im Gegenteil, gerade die an­gefochtenen verzagten Herzen brauchen das Abendmahl! Würdig sein bedeutet ganz einfach, der Verheißung Jesu zu vertrauen. Die rechte Würdigkeit ist das Vertrauen: Hier schenkt mir Jesus Christus selbst seinen Leib und sein Blut unter Brot und Wein, hier wird mein kaputtes Leben heil, hier kann ich meine lästige Sündenlast loswerden.

Und wenn dieses Wunder dann geschieht bei der Abendmahls­feier, dann kniest du nicht für dich allein dort vorn. Dann bist du in die Gemein­schaft der begnadeten Sünder hinein­genommen. Alle, die mit Jesus Christus diese enge Verbindung eingehen, stehen durch dieses Sakrament in engster Verbindung unter­einander, sind Brüder und Schwestern im Herrn – auch das zeigt das Abendmahl. Und diese Gemein­schaft ist von Dauer; nicht einmal der Tod kann sie auflösen. Im Gegenteil, unser Abendmahl hier auf Erden ist nur ein kleiner Vor­geschmack für das himmlische Festmahl, das unser Herr Jesus Christus im Paradies mit uns halten will. Wie sagte er doch nach den Einsetzungs­worten: „Wahrlich, ich sage euch, dass ich nicht mehr trinken werde vom Gewächs des Weinstocks bis an den Tag, an dem ich aufs neue davon trinke im Reich Gottes.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1987.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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