Hundert Prozent zur Ehre Gottes

Predigt über Markus 12,41‑44 zum Sonntag Okuli

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Manche Leute meinen, das emp­findlichste Organ des Menschen ist sein Portmonee. Deshalb ist es eine gefährliche Sache, über das Geld zu predigen. Normaler­weise rede ich nicht viel über Geld in der Gemeinde. Es wäre nämlich denkbar schlecht, wenn die Kirche in den Ruf geriete, habgierig zu sein. Und es wäre geradezu kata­strophal, wenn der Eindruck entstünde, die Kirche hätte etwas zu verkaufen. Nein, sie hat nur etwas zu ver­schenken: Das Evangelium, die gute Nachricht von Jesus Christus, und durch sie Vergebung der Sünden, Heil und Seligkeit. In der Kirche zählt nicht die kapital­kräftige Geberhand etwas, sondern die leere Nehmerhand: Bettler sind wir vor Gott; nie im Leben könnten wir den reichen Schatz bezahlen, den er uns hier schenken will. Dennoch will ich es wagen, jetzt eine Geldpredigt zu halten. Das Christsein betrifft nämlich den ganzen Menschen mit Leib und Seele ein­schließlich seines „empfind­lichsten Organs“, seines Portmonees.

Jesus sitzt im Tempel­vorhof und tut etwas, das man normaler­weise nicht tun sollte: Er sieht zu, wie die Tempel­besucher Opfergaben in den Kollekten­kasten werfen. Das Geld, das in diesem Kasten zusammen­kommt, ist für die Unkosten der Tempel­gottes­dienste bestimmt, entspricht also etwa unseren Gaben und Kollekten für die Gemeinde. Jesus macht dabei eine Be­obachtung: Viele Reiche geben ein bisschen von ihrem Überfluss ab; aber manche arme Leute haben erstaun­liche Beträge für die Kirche übrig. Jesus gibt diese Beobachtung an seine Jünger weiter und zeigt ihnen daran, dass bei Gott eine andere Mathematik gilt als bei den Menschen: Die Größe der Gabe hängt keineswegs von der Höhe des Geld­betrages ab! Die arme Witwe opferte keine Gold- oder Silber­münzen, sondern Kleingeld, zwei der kleinsten Kupfer­münzen, die es damals in Israel gab. Jesu Kommentar: „Diese arme Witwe hat mehr eingelegt als alle, die etwas eingelegt haben.“ Man beachte: Der Klecker­betrag ist nach Gottes Mathematik mehr als das Gold und Silber der Reichen. Warum?

Das liegt zum einen am Empfänger des Opfers, zum anderen am Geber. Richten wir unseren Blick erstens auf den Empfänger. In der heutigen Situation ist es die Kirche, die Gemeinde Jesu Christi. Sie ist kein Wirtschafts­betrieb, der mit seinem Kapital, Umsatz oder Gewinn steht und fällt. Grund­sätzlich braucht die Kirche überhaupt kein Geld, denn der Herr der Kirche ist unendlich reich: Ihm gehört sowieso schon alles, die ganze Welt. Die Kirche ist eine Ein­richtung, in der dieser Herr frei und umsonst seine kostbarsten Gaben austeilt: Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit. Wie gesagt, grund­sätzlich braucht die Kirche kein Geld. Daher ist es falsch zu meinen: Wenn die Finanz­situation immer schlechter wird, dann geht die Kirche daran kaputt. Nein, sie geht nicht kaputt, nicht bei dem Herrn. Allerdings: Vielleicht müssen wir uns in Zukunft umstellen. Vielleicht müssen wir Pastoren uns einmal in anderen Berufen etwas dazu­verdienen. Vielleicht können wir auch unser Kirch­gebäude einmal nicht mehr halten und müssen uns reihum in den Wohnzimmern der Gemeinde­glieder versammeln. Aber auch dann will Gott uns weiter mit Wort und Sakrament beschenken, und davon lebt die Kirche. Das ist der eine Grund, warum bei einer Opfergabe nicht die Höhe des Geldbetrags ent­scheidend ist: Der Empfänger, die Kirche, lebt nicht vom Geld.

Der zweite Grund liegt auf Seiten des Gebers. Warum ist Jesus der Meinung, dass die Witwe mehr eingelegt hat als die vielen Reichen? Weil sie alles eingelegt hat, was sie besaß. Und weil darin ihr grenzen­loses Gott­vertrauen zum Ausdruck kam. Sie wusste: Ob ich morgen noch etwas zu essen haben werde, hängt nicht von meinem Wirt­schaften ab, sondern von Gottes Barm­herzigkeit! Sie handelte ganz einfältig nach Jesu Weisung: „Ihr sollt nicht sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit sollen wir uns kleiden?“ (Matth. 6,31) Sie bewies Vertrauen, sie bewies Glauben. Und zwar mehr Glauben als die, die aus ihrem Überfluss ein paar ent­behrliche Gold- und Silber­münzen springen ließen. Um dieses Glaubens willen hat die Witwe in Gottes Augen mehr gegeben als alle Reichen. In der Gemeinde Jesu Christi zählt nicht das Haben, sondern das Glauben! Liebe Gemeinde, das sollten wir uns zu Herzen nehmen: Gott ist es egal, wieviel Geld wir haben; er möchte aber, dass wir viel Vetrauen zu ihm haben. Er möchte, dass wir nicht sorgen und meinen, in dieser Welt große Reichtümer ansammeln zu müssen. Er möchte, dass wir getrost im einfältigen Vetrauen auf seine Liebe leben. Und so sollen wir auch unsere Mit­gemeinde­glieder ansehen: Nicht diejenigen sind besonderer Ehre wert, die viel haben und hohe Kirchen­beiträge zahlen, sondern diejenigen, die viel Gott­vertrauen haben und damit uns allen zu Vorbildern werden. Die geben der Gemeinde mehr als alle anderen – nach Gottes Mathematik!

Wenn nun solches Vertrauen, solcher Glaube vorbildlich ist, was bedeutet es dann, im finan­ziellen Bereich diesem Vorbild nach­zueifern? Sollen wir wie die arme Witwe wirklich alles geben, unser gesamtes Bar­vermögen? Ja, in der Tat, alles, l00 Prozent! Alles Geld, das wir verdienen – oder das wir bekommen, ohne es zu verdienen – ‚ alles Geld sollen wir Gott geben. Hundert Prozent zur Ehre Gottes!

Wie aber soll das praktisch aussehen? Es bedeutet natürlich nicht, dass du all dein Geld der Kirche geben sollst. Man kann auch auf anderen Wegen Geld zur Ehre Gottes ausgeben. Wenn du Kindern eine Freude machst und ihnen ein Eis kaufst, gibst du das Geld dabei auch zur Ehre Gottes aus. Ebenso, wenn du das Dach deines Hauses reparieren lässt, damit es nicht hinein­regnet. Oder wenn du dir ein neues Auto kaufst, ehe das alte zusammen­bricht. Oder wenn du dich und deine Angehörigen mit Kleidung und Nahrung versorgst. Oder wenn du dich sinnvoll ver­sicherst. Oder wenn du Rücklagen bildest für besondere An­schaffungen und Un­vorher­gesehenes. Gott hat vielen von uns Ver­antwortung für andere gegeben, zum Beispiel als Vater oder Mutter oder Arbeit­geber. Alles, was du mit gutem Gewissen vor Gott und den Menschen ausgibst, alles, was Nutzen und Freude bringt, geschieht zu Gottes Ehre. „Alles, was ihr tut, das tut alles im Namen Jesu und danket Gott, dem Vater, durch ihn“ (Kol. 3,17).

Aber hundert Prozent zur Ehre Gottes geben schließt ein, dass du einen Teil deines Geldes auch für Arme und Bedürftige gibst, einen Teil auch für die Ausbreitung des Evangeliums durch Kirche und Mission. Denn wenn auch die Kirche grund­sätzlich kein Geld braucht, so hilft doch Geld bei den äußeren Voraus­setzungen für gute Ver­kündigungs­arbeit. Und dass das Geben in diesen Bereichen ein wichtiger Ausdruck christ­lichen Glaubens ist, dafür gibt es viele gute Beispiele und liebevolle Ermahnungen in der Bibel. Die Epheser mahnte der Apostel Paulus zum Beispiel, mit der eigenen Hände Arbeit Geld zu verdienen. Warum? Damit sie niemandem zur Last fallen? Paulus schreibt: „Damit ihr den Bedürftigen abgeben könnt“ (Eph. 4,28)! Die Korinther forderte er auf, jeden Sonntag etwas Geld für die Jerusalem-Kollekte beiseite zu legen, damit nicht erst in letzter Minute, wenn Paulus die Kollekte abholt, jeder schnell ein paar Pfennige zusammen­kratzt. Für die alt­testament­liche Gemeinde bestand die Ordnung, den Zehnten zu geben: Zehn Prozent von allen land­wirtschaft­lichen Erträgen wurden den Priestern und Tempel­dienern zum Lebens­unterhalt übergeben. Dabei wurden sogenannte „Erstlinge“ geopfert; die ersten Früchte, die ersten Garben und die ersten Jungtiere, die ein Muttertier zur Welt brachte.

Fasst man alle praktischen Opfer-Anleitungen der Heiligen Schrift zusammen, so kann man viel daraus für das eigene Geben lernen. Dabei sollten wir aber hüten, allgemein gültige Gesetze und Regeln aufstellen zu wollen. Ich könnte natürlich sagen: Für jedes kon­firmierte Gemeinde­glied muss unsere Gemeinde einen bestimmten Betrag im Jahr an die Gesamt­kirche abführen, wenigstens das sollte jeder geben. Ich könnte sagen: Nach dem Haushalts­plan braucht die Gemeinde im kommenden Jahr durch­schnittlich eine bestimmte Summe pro Gemeinde­glied, wenigstens das sollte jeder geben. Ich könnte sagen: Viele kon­firmierte Gemeinde­glieder haben kein eigenes Einkommen; da sollten dann andere für sie ein­springen… Aber ich betone noch einmal: Gottes Mathematik läuft anders; nicht die Höhe der Summen zählt, sondern das Maß des Glaubens. Wer freilich großes Vertrauen auf Gott setzt, er wird einen ent­sprechend großen Prozentsatz opfern können, denn er ist gewiss: Gott lässt mich nicht hängen! Ja, Geben ist Glaubens- und Herzens­sache.

Wenn ich jetzt also eine praktische Anleitung für das finanzielle Dankopfer gebe, dann seht es bitte nicht als Gesetz an, sondern lediglich als gut gemeinte Hilfe zum fröhlichen Geben. Es ist gut, wenn du dir für deine regel­mäßigen Gaben einen bestimmten Prozentsatz vornimmst, zum Beispiel zehn Prozent vom Netto-Einkommen, vom Taschen­geld, von der Rente oder was auch immer du kriegst. Diesen Prozentsatz teilst du dir dann auf, etwa so: fünf Prozent Kirchen­beitrag, drei Prozent für die Mission und zwei Prozent für hilfs­bedürftige Menschen über eine vertrauens­würdige Hilfs­organi­sation. Die ent­sprechenden Beträge überweist du dann monatlich per Dauer­auftrag, oder du legst sie gleich nach Erhalt deines Geldes beiseite, um sie dann in die ent­sprechenden Kollekten zu tun. Das entspricht dem Erstlings-Geben im Alten Testament; du kommst dann gar nicht erst in die Versuchung, für die Armen oder für das Reich Gottes nur irgendeinen Restbetrag zu opfern, wie es die Reichen in unserem Predigttext taten. Zu diesen regel­mäßigen Gaben solltest du dann immer noch eine offene Hand haben für den Fall, dass eine besondere Not an dich heran­getragen wird. Da sollte dann die Linke nicht wissen, was die Rechte tut. Die zehn Prozent habe ich übrigens nur als Beispiel heraus­gegriffen. Wir leben in einer Zeit, in der es vielen gut geht, sodass sie auch einen höheren Prozentsatz verkraften können. Anderer­seits wird mancher vielleicht beim besten Willen nicht einmal die zehn Prozent aufbringen können.

Zum Schluss möchte ich unser Augenmerk auf den letzten Vers des Predigt­textes lenken. Jesus erkannte etwas, das den anderen Tempel­besuchern verborgen bleiben musste: Die Frau hatte ihren ganzen Lebens­unterhalt in den Kasten geworfen, „alles, was sie zum Leben hatte“. Wörtlich übersetzt steht da: „ihr ganzes Leben“. Und damit deutete Jesus an, dass christ­liches Geben und Opfern nicht auf den finan­ziellen Bereich beschränkt bleibt, sondern dass in allen Lebens­bereichen Gott zu hundert Prozent geehrt werden soll. Ich könnte jetzt also eine ent­sprechende Predigt halten über die Zeit­einteilung eines Christen, ich könnte über Talente und Fähigkeiten sprechen, die wir von Gott bekommen haben. Aber, liebe Brüder und Schwestern, ihr werdet euch diese Predigten auch selbst halten können, wenn ihr eben aufgepasst habt. Ich wünsche euch jedenfalls solches Vertrauen zu Gott, dass ihr euer ganzes Leben, hundert Prozent, zu einem Dankopfer für Gottes wunderbares Evangelium macht. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1987.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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