Gottes Geschenk

Predigt über Römer 6,23b zum Altjahrsabend

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

In vielen Häusern sind noch die weihnacht­lichen Gabentische aufgebaut. Eine Weile freuen wir uns noch an ihnen, und an den einzelnen Geschenken können wir danach noch mehr oder weniger lange Freude haben. Aber schnell sind die Blumen verwelkt und die Lebkuchen auf­gegessen; in einem Jahr werden die Kalender veraltet sein; und irgendwann zerbrechen die Geschenke aus Glas oder Porzellan. Die Dinge, die wir uns schenken, sind alle ver­gänglich.

Anders ist es mit Gottes Geschenk. „Die Gabe Gottes ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserem Herrn“, heißt es in unserm Schrift­wort. An Gottes Gabe können wir für immer Freude haben, auch über den Tod hinaus und selbst dann noch, wenn Sonne und Mond nicht mehr scheinen: „Die Gabe Gottes ist das ewige Leben.“

Verdient haben wir das nicht, verdient haben wir etwas anders: den Tod. So heißt es in demselben Bibelvers: „Der Sünde Sold ist der Tod.“ Sterben müssen wir also nicht deshalb, weil das ganz natürlich zum Leben in dieser Welt dazugehört, sondern weil das Gottes ver­nichten­des Urteil über die Sünde ist. Wer nicht Gottes Willen tut, der verwirkt sein Recht auf Leben. Kein Mensch kann sich dem entziehen; alle sind mitschuldig am Sündenelend dieser Welt; alle sind sünden­verseucht von Mutterleib an. Unser „Sold“, also unsere angemessene „Bezahlung“ dafür, ist der Tod. Damit ist nicht nur das Sterben gemeint, sondern der ewige Tod, die ewige Trennung von Gott, die ewige Verdammnis.

Dass wir trotzdem und über den leiblichen Tod hinaus ewig leben dürfen, haben wir nicht verdient, sondern wir bekommen es von Gott geschenkt – aus lauter Liebe und Gnade. Gott macht uns dieses un­vergäng­liche Geschenk durch seinen Sohn Jesus Christus, der für uns Mensch wurde, litt und starb. Damit nahm er selbst den „Sold“ in Empfang, den wir mit unserer Sünde verdient haben: den Tod. „Die Gabe Gottes ist ewiges Leben durch Christus Jesus, unsern Herrn.“

Liebe Gemeinde, man kann mit einem Geschenk unter­schiedlich umgehen. Man kann ein Geschenk zum Beispiel ablehnen. Damit beleidigt man den Schen­kenden. So handeln alle, die nicht an Jesus Christus glauben wollen. Sie weisen Gottes Gnaden­geschenk, das ewige Leben, zurück und beleidigen damit den ewigen Gott. So handelt jeder, der getauft ist und vom Evangelium gehört hat, der aber sagt: „Das ewige Leben interes­siert mich nicht; mich interes­siert nur das Leben jetzt und heute, und das nehme ich selbst in die Hand.“

Man kann ein Geschenk auch annehmen und es im hintersten Winkel eines Schranks ver­schwinden lassen; dann hat man aber nichts von ihm. So handeln alle, die sagen, dass sie an Jesus glauben, aber gleich­zeitig so leben, als gäbe es die Gabe des ewigen Lebens überhaupt nicht. In dieser Gefahr steht mehr oder weniger jeder Christ. Vielleicht denkst du ja auch zu meinen bisherigen Worten im Stillen: Ach ja, das ist wieder die alte Platte; dass ich das ewige Leben geschenkt bekomme und dieses Geschenk im Glauben annehmen soll; das weiß ich ja längst. Was mich viel mehr be­schäftigt, das sind die Dinge, mit denen ich im Alltag zu tun habe.

Darum möchte ich euch zeigen, was Gottes ewiges Geschenk mit unserem all­täglichen Leben an der Schwelle zu einem neuen Jahr zu tun hat. Lasst uns dazu dieses Geschenk aus den Schubladen und Schrank­fächern hervorholen und in Gebrauch nehmen! Lasst mich davon reden, wie uns dieses Geschenk weiterhilft – erstens in unserem Verhältnis zu Gott, zweitens in unserem Verhältnis zu uns selbst, drittens in unserem Verhältnis zu den Mit­menschen.

Dass Gott uns die Gabe des ewigen Lebens zum Geschenk macht, kann erstens nicht ohne Einfluss auf unsere Vorstellung von Gott bleiben. Er kann nicht mehr der Polizist sein, der über die Moral der Menschen wacht, um dann strafend ein­zugreifen. Er kann auch nicht mehr die ferne Macht sein, von der man kaum etwas merkt. Er ist vielmehr der Vater, der uns ohne Gegen­leistung liebt und der uns für immer bei sich haben möchte. Er ist der Sohn, der als Mensch anschaulich gezeigt hat, wie sehr er uns liebt. Er ist der Heilige Geist, der uns nicht verzagte, traurige und egoistische Welt­menschen bleiben lässt, sondern der unsere Herzen frei und heilig macht, damit wir Gott dienen können. Darum dürfen und sollen wir diese Verbindung zu Gott täglich pflegen. Wir dürfen jeden Tag Loblieder singen und uns über das großartige Geschenk freuen. Wir dürfen im Gebet alles in Gottes Hand legen; der Vater hat zu hören ver­sprochen. Wir brauchen uns um nichts mehr Sorgen zu machen. Gott schenkt ewiges Leben – was sollte uns da auf Dauer schaden können? Wir brauchen nicht mehr daran zu zweifeln, dass wir selig werde, denn Gott schenkt uns die Seligkeit, das hat er ver­sprochen. Nicht von uns selbst, sondern von ihm hängt die Seligkeit ab. Kurz: Wir können uns in allen Lebenslagen fröhlich in Gottes Hand fallen lassen.

Zweitens: Dass Gott uns die Gabe des ewigen Lebens zum Geschenk macht, kann nicht ohne Einfluss auf unsere Einstellung zu uns selbst bleiben. Das ewige Leben ist wertvoller als alles andere. Der reichste Mann der Welt kann es sich nicht kaufen, der klügste Mann der Welt kann es sich nicht durch Studium aneignen, der mächtigste Mann der Welt kann es nicht erzwingen. Wir sind reich, weil wir das ewige Leben haben – sehr reich. Diesen Reichtum kann uns niemand wegnehmen. Deshalb können wir fröhliche Menschen sein. Deshalb können wir auf die Frage: Wie geht es dir? immer mit „Gut!“ antworten, selbst wenn Krankheit, Kummer, Not und Trauer uns belasten. Weil wir diesen Reichtum besitzen, gibt es nichts, was uns zum Verzweifeln bringen müsste. Auch brauchen wir mit dem größten Reichtum der Welt in der Tasche nicht gierig nach den ver­gänglichen Dingen dieser Welt zu schielen. Da reicht uns das, was wir zum normalen Leben brauchen; und das will Gott uns obendrein dazu­schenken, das hat er ver­sprochen. Kurz: Als Besitzer des ewigen Lebens können wir in jeder Lebenslage fröhliche und zu­versicht­liche Menschen sein.

Drittens: Dass Gott uns die Gabe des ewigen Lebens zum Geschenk macht, wirkt sich auch darauf aus, wie wir mit anderen Menschen umgehen. Als so reich Beschenkte können wir bedenkenlos Liebe weiter­verschen­ken. Weil uns dieses Geschenk für immer fröhlich macht, brauchen wir uns nicht mehr über andere zu ärgern. Weil Gott mit uns nicht so handelt, wie wir es verdienen, kann uns auch nichts mehr daran liegen, anderen Menschen ihre Fehler auf­zurechnen und sie das spüren zu lassen. Leider mache ich immer wieder die Erfahrung, dass Christen ihr göttliches Geschenk gerade in dieser Hinsicht im Schrank lassen und ganz weltlich denken. Viele wärmen immer wieder uralte Geschichten auf, wie sich andere falsch verhalten haben. Immer wieder stoße ich darauf, dass Zwietracht herrscht. Es ist nicht direkt offene Feind­schaft, aber es bestehen doch gewisse Vorbehalte, und man geht sich lieber aus dem Weg.

Darum meine herzliche und dringende Bitte für das neue Jahr: Denkt an euer Geschenk des ewigen Lebens! Denkt daran, dass Gott uns geliebt und reichlich beschenkt hat, obwohl wir das Gegenteil verdient haben! Gebt den Menschen, mit denen ihr eure Not habt, nicht das, was sie in euren Augen verdienen, sondern das, was sie nötig haben: Liebe! Zieht einen dicken Schluss­strich unter alle un­rühmlichen Ge­schichten, die vor dem 1. Ja­nuar gewesen sind! Geht auf den anderen freundlich zu, auch wenn das Herz dabei klopft! Sprecht ihn an, ladet ihn ein, tut ihm etwas Gutes! Wartet nicht, bis er kommt! Macht ihm auch keine Vor­haltungen wegen alter Schuld! Auch bitte ich euch, dass ihr mir als eurem Pastor die Schuld vergebt, die ich im vergangenen Jahr euch gegenüber auf mich geladen habe: Jedes falsche Wort, jede zu heftige Predigt, jede Un­aufmerksam­keit, jede versäumte Seelsorge. Lasst uns das neue Jahr in der Freude über Gottes un­ermess­liches Gnaden­geschenk so beginnen, dass wir die 5. Vater­unser­bitte ehrlich mitsprechen können: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schul­digern.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1986.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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