Ein Augenzeuge in eigener Sache

Predigt über 2. Petrus 1,16‑21 zum letzten Sonntag nach Epiphanias

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Der christliche Glaube ist in unserer Gesell­schaft schon lange umstritten. Wir Christen müssen es uns immer wieder gefallen lassen, dass unser Glaube hinterfragt wird. Viele Menschen um uns herum mögen zwar grund­sätzlich nichts gegen die Kirche haben, aber sie fragen uns doch direkt oder auch unausge­sprochen: Warum bist du dir so sicher, dass dieser Jesus Christus dein Leben bestimmen soll? Warum bist du dir so sicher, dass er dich auch in schwerer Krankheit und in kritisch­sten Situationen nicht im Stich lässt? Warum bist du dir so sicher, dass er dich von den Toten auferwecken und am Ende in das Himmelreich nehmen wird? Warum bist du dir so sicher, dass dieser Jesus der einzige Weg zum Heil und zum Frieden mit Gott für alle Menschen ist? Wenn wir nicht blind durchs Leben gehen wollen, müssen wir uns auch selbst diese Fragen stellen. Unser Glaube muss sehr sicher sein, wenn er die tragfähige Grundlage unseres Lebens sein soll. Er muss noch sicherer sein, wenn wir darauf sterben wollen. Er muss äußerst sicher sein, wenn wir andere Menschen zur Änderung ihres Lebens und zur Annahme dieses Glaubens aufrufen wollen. Woher kann solche Sicherheit kommen?

Solche Sicherheit kommt nicht durch einen Gefühls-Glauben, nicht durch so ein Lustig-lustig-tralala-Gefühl, das in manchen christ­lichen Kreisen gepflegt wird; das ist kaum krisenfest. Solche Sicherheit kommt auch nicht durch einen Aktions-Glauben: Weit verbreitet ist der Irrtum, dass Glaube im wesent­lichen aus liebevoller Fürsorge für Alte, Behinderte und Sozialfälle besteht. Sicherheit kann nur durch einen Tatsachen-Glauben kommen – einen Glauben, der auf Tatsachen beruht, für die uns der Heilige Geist die Augen öffnet. Wenn das wahr ist, was in der Bibel steht, dann steht unser Glaube damit; wenn es unwahr wäre, dann fiele er.

So dürfen wir den Abschnitt aus dem 2. Petrus­brief als einen Text der Ver­gewisserung im Glauben ansehen. Zur Zeit seiner Abfassung wurden die Christen noch mehr hinterfragt als heute. Sie waren darauf angewiesen, dass ihr Glaube durch mächtige Bezeugung der Tatsachen über Jesus Christus gefestigt wurde. Solche Bezeugung geschieht hier durch Petrus, einen Augenzeugen der ersten Stunde. Petrus schreibt als Augenzeuge in eigener Sache: „Wir sind nicht klugen Fabeln gefolgt.“ Er schreibt griechisch und benutzt für „Fabel“ das Wort „Mythos“. Mit diesem Satz gibt er jener heute weit ver­breiteten theo­logischen Ansicht eine schallende Ohrfeige, die Bibel sei ein mehr oder weniger mytho­logisches Buch. Ein Mythos ist so etwas wie ein Märchen mit einem wahren Kern. Einige Theologen behaupten zum Beispiel, die Speisung der 5000 hätte gar nicht wie beschrieben statt­gefunden. Jesus hätte lediglich die paar Brote und Fische brüderlich mit seinen Jüngern geteilt und dadurch die Menschen­menge angereizt, ihren mit­gebrachten Proviant ebenfalls brüderlich zu teilen. Das sei der wahre Kern, das Wunder sei ein Mythos. Andere gehen sogar so weit, dass sie die Auf­erstehung Jesu von den Toten als Mythos erklären. Wir aber tun gut daran, dem Augenzeugen Petrus mehr Vertrauen zu schenken, wenn er schreibt: „Wir sind nicht klugen Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus, sondern wir haben seine Herrlich­keit selber gesehen.“ Petrus ist dabei gewesen und kann es bezeugen; wir haben hier Infor­mationen aus erster Hand vorliegen: Die Kraft und Herrlich­keit Christi hat sich tatsächlich so in den Wundern gezeigt, wie es uns überliefert ist. Ganz besonders verbürgt sich Petrus dabei für das größte Wunder Jesu, seine leibhafte Auf­erstehung von den Toten. Er wird nicht müde zu beteuern: „Wir sind des alles Zeugen“, wie aus seinen Predigten in der Apostel­geschichte hervorgeht. Und so wahr die Wunder geschehen sind, so wahr Christus leibhaft auf­erstanden ist, so wahr wird er einmal wieder­kommen. Das sind Tatsachen, das ist das mächtige Zeugnis der Männer der ersten Stunde, auf dem die Sicherheit unseres Glaubens ruht. Jede Kritik, jedes Mytholo­gisieren der in der Bibel über­lieferten Tatsachen dagegen würde dem Glauben das Wasser abgraben.

Petrus bringt nun als Beispiel für eine grund­legende Glaubens­tatsache ein bestimmtes Ereignis aus dem Leben Jesu, bei dem er ebenfalls als Augenzeuge dabei war. Es ist die Geschichte von der Verklärung Jesu auf einem Berg. Wir haben sie schon in der Evangeliums­lesung gehört. Petrus schreibt darüber: „Er – Jesus – empfing von Gott dem Vater Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlich­keit: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohl­gefallen habe. Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge.“ Dabei sahen Petrus, Jakobus und Johannes Jesus in über­irdischem Licht glänzen und sich mit Mose und Elia unter­halten. So unwirklich es auch klingt, was sie da gesehen und gehört haben, es ist doch Tatsache; Petrus verbürgt sich hier als Augen- und Ohrenzeuge. Und dieses tat­sächliche Ereignis zeigt den Jüngern damals, ihren späteren Gemeinden wie z. B. den Empfängern des 2. Petrus­briefes und auch uns heute etwas ganz Wichtiges für die Sicherheit des Glaubens: Dieser Mensch Jesus, der da vor 2000 Jahren auf Erden gelebt hat, ist Gottes Sohn. Er hat göttliches Wesen wie der Vater, er ist ewig, er ist allmächtig, er ist un­ausprech­lich herrlich. Er steht in voll­kommener Überein­stimmung mit dem Vater, ist sein „lieber Sohn“, an dem der Vater „Wohl­gefallen“ hat. Er vertritt den Vater auf Erden. Alles, was er sagt und tut, ist Wille des Vaters; Jesus Christus ist der eine autori­sierte Mittler. Und das Wichtigste: Tod und Auf­erstehung Jesu Christi sind aufgrund dieser Tatsachen ganz ver­lässliche Ereignisse für unsere Erlösung. So wahr Petrus hier Gottes Stimme bezeugt, so wahr sind die Sünden, die Jesus am Kreuz auf Golgatha tilgte, vor dem Vater in Ewigkeit getilgt.

Und diese Stimme geschah nicht nur einmal. Schon bei Jesu Taufe hat die himmlische Stimme das Gleiche gesagt; schon zu Beginn der Wirksamkeit Jesu hat sich der Vater zu ihm als seinem Sohn bekannt. Und bei der Auf­erweckung des Lazarus sagte dieselbe Stimme: „Ich habe ihn ver­herrlicht und will ihn abermals verherr­lichen.“ Das alles ist durch direkte, verläss­liche Augen- und Ohrenzeugen überliefert worden.

Nun wird dieses Zeugnis aber noch eindrucks­voller und schafft noch größere Gewissheit in den Tatsachen unseres Glaubens, wenn wir Folgendes bedenken: Der Satz: „Du bist mein Sohn“ ist viel älter als Jesu Taufe! Er findet sich schon im Alten Testament, im Psalm 2. Dort spricht Gott diesen Satz über den zukünftigen König, den er einsetzen will. Alle Juden zur Zeit Jesu wussten, dass damit der lang verheißene und erwartete Messias, der von Gott gesandte Erlöser, gemeint ist. Dieser Satz ist also ein pro­phetisches Wort, das sich in Jesus erfüllt hat – die vollmächtig bezeugte himmlische Stimme lässt keinen Zweifel daran. Auch Petrus greift in seinem Bericht darauf zurück: „Wir haben desto fester das pro­phetische Wort, und ihr tut wohl, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunkeln Ort, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen.“ Der dunkle Ort war die Zeit vor Christus, in der als Licht nur das pro­phetische Wort schien und den Glauben in Erwartung des kommenden Erlösers stärkte. Der Morgenstern aber ist Christus, der durch die Erfüllung dieser und aller anderen alt­testament­lichen Ver­heißungen das Tageslicht bringt. So wird nicht nur Jesus durch die Propheten­worte des Alten Testamentes bestätigt, sondern er seinerseits bestätigt diese Worte, indem er sie erfüllt. Dass er es getan hat, bestätigen aber wieder die Apostel als Augenzeugen uns, die wir in späterer Zeit leben. Altes Testament und Neues Testament, pro­phetisches und aposto­lisches Wort ergänzen sich so zu einer wunder­vollen Einheit, zu einem machtvollen Zeugnis über Jesus Christus und die Tatsachen, auf denen die Sicherheit unseres Glaubens beruht.

Die Propheten sagten den Gottessohn voraus, die Apostel geben mit ihrem Zeugnis über den gekommenen Gottessohn die rechte Auslegung der Propheten. So zeigt sich in beidem, in Verheißung und aposto­lischer Auslegung, der Heilige Geist am Werk, der durch beides unseren Glauben fest und gewiss machen will. Darauf weist Petrus ab­schließend hin, wenn er schreibt: „Und das sollt ihr vor allem wissen, (“vor allem“ heißt hier „zu­allererst“, „als Grundlage“) dass keine Weissagung in der Schrift eine Sache eigener Auslegung ist. Denn es ist noch nie eine Weissagung aus mensch­lichem Willen hervor­gebracht; sondern von dem heiligen Geist getrieben haben Menschen im Namen Gottes geredet.“ Das Reden vom Mythos, das Zweifeln an den Augen­zeugen­berichten der Bibel, das sind solche völlig un­zutreffen­den eigenen Aus­legungen. Gott selber, Gott der Heilige Geist, verbürgt sich für das Zeugnis von Propheten und Aposteln, hinter denen er steht und deren Zeugnisse letztlich sein Werk sind.

Willst du also die Sicherheit des Glaubens haben, selbst in einer Zeit, wo alle Sicher­heiten zerredet und hinterfragt werden? Eine Sicherheit, mit der du leben kannst? Eine Sicherheit, die du eindrucks­voll vorleben und bekennen kannst? Eine Sicherheit, auf die hin du sogar sterben kannst? Willst du, dass der Heilige Geist dir solche Sicherheit schenkt und erhält? Dann halte dich an das Zeugnis der Männer, durch die der Geist geredet hat. Halte dich an die Apostel und Propheten und ihr Zeugnis in der Heiligen Schrift. Halte dich an voll­mächtige Augen- und Ohrenzeugen wie Petrus, ein Mann, der Tatsachen bezeugt hat, der sich hier für die Zuverlässig­keit seines Zeugnisses verbürgt und der für dieses Zeugnis sogar den Tod nicht gescheut hat. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1984.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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