Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Wenn man Erdnüsse essen will, die noch in der Schale stecken, muss man die erstmal zwischen den Fingern aufknacken und dann die dünne dunkelbraune Haut von den Kernen abstreifen. Schließlich sucht man sich das heraus, was man eigentlich haben will: die wohlschmeckenden Kerne. Als ich mich vor ein paar Wochen auf diese Weise mit Erdnüssen beschäftigte, fiel mir auf: Das ist ja so ähnlich wie früher beim Worfeln oder Sichten von Weizen. Wenn die Ähren gedroschen sind, trennt man das Korn, das man eigentlich haben will, von der Umhüllung. Man trennt die Spreu vom Weizen, die Schale vom Kern.
Es geschah bei jener denkwürdigen Passafeier, auf der unser Herr Jesus Christus das Heilige Abendmahl stiftete, dass er anschließend zu Simon Petrus sagte: „Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen.“ Und dann folgte das Gespräch, das wir eben als Predigttext gehört haben. Um drei Personen geht es da und um drei Sichten: erstens um Satan und seine Absicht, zweitens um Petrus und die falsche Zuversicht, drittens um Jesus und die rechte Zuversicht. Lasst uns das jetzt nacheinander bedenken.
Betrachten wir also erstens Satan und seine Absicht. Viele heutige Menschen halten Satan für eine Märchengestalt, oder eine Witzfigur. Auch etliche Theologen behaupten, dass es ihn gar nicht gibt, sondern dass er nur eine bildliche Vorstellung für das unpersönliche Böse in der Welt ist. Das sind gefährliche Verharmlosungen des Teufels! Von Jesus lernen wir, dass Satan eine wirkliche Person ist, ein Geistwesen, das Gottes gute Schöpfung so weit wie möglich durcheinanderbringen und das gute Einvernehmen zwischen Schöpfer und Geschöpf stören will. „Versuchung“ nennen wir dieses satanische Tun. Hinter allen Versuchungs-Versuchen des Satans steckt eine bestimmte Absicht, die Jesus gegenüber Simon Petrus mit diesem Bild zum Ausdruck bringt: „Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen.“ Der Weizen, das Korn, die nahrhaften Kerne, das sind die Menschenseelen, die Satan für sich begehrt. Er möchte sie auf seine Seite bringen und mit sich ins Vederben reißen.
Das ist noch heute Satans Absicht, und zwar im Blick auf alle Menschenseelen, auch meine, auch deine. So wie Jesus liebevoll und besorgt Petrus zweimal bei seinem Geburtsnamen nannte, so kann jeder von uns zweimal seinen eigenen Vornamen einsetzen und die Worte des Herrn auf sich beziehen: „Siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sichten.“ Seht, das ist die Hauptgefahr bei der Versuchung: Nicht, dass wir einfach nur irgendetwas falsch machen; nicht, dass wir uns unbeliebt machen bei unseren Mitmenschen; sondern dass Satan nach unseren Seelen trachtet, um sie für immer zu verderben. Auch darin unterliegt die heute vorherrschende Meinung einer gefährlichen Täuschung: Man achtet zwar mit größter Sorgfalt auf die Unversehrtheit des Leibes, aber für den Schutz der Seele wird wenig getan. Wir leisten uns ein enorm teures Gesunheitssystem, aber unsere geistliche Gesundheit ist uns nicht besonders viel wert. Wir jammern über allerhand körperliche Leiden und Einschränkungen, mit denen uns der Satan etwas piekt, und vergessen darüber seine Absicht, dass er uns eigentlich an die Seele will. Wir achten peinlich genau auf gesunde Ernährung, sind deswegen auch über den läppischsten Lebensmittelskandal empört, aber mit dem Rein-Erhalten der christlichen Verkündigung, also unserer geistlichen Nahrung, nehmen wir es nicht so genau. Wir trainieren unsern Leib, wir joggen und gehen ins Fitness-Center, aber die alltäglichen geistlichen Übungen mit Gottes Wort und Gebet lassen wir oft genug ausfallen. Versteht mich nicht falsch: Ich habe nichts gegen eine verantwortungsvolle Leibsorge; aber dabei sollten wir nicht vergessen, dass unser Leib eines Tages wieder zu Erde werden muss, sich also als Spreu erweist, als Schale, als bloße Hülle. Bleiben soll nach Gottes Willen die Seele, der Kern, der Weizen. Darum ist es viel schlimmer, wenn die Seele dem Satan in die Hände fällt als der Leib.
Betrachten wir nun zweitens Petrus und die falsche Zuversicht. Wir tun das natürlich nicht, um den Simon Petrus in die Pfanne zu hauen und uns selbst dabei gut zu fühlen, sondern wir tun es, um uns am Beispiel des Petrus möglicherweise besser selbst zu erkennen. Petrus sagte: „Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen.“ Das klingt sehr löblich; ich wünschte, dass alle Christen so entschieden zur Nachfolge bereit wären. Aber in diesem Satz schwingt auch ein überdimensionierte Selbstvertrauen mit: „Herr, ich bin bereit!“ War es nicht eben dieser Simon Petrus, der sich so aufregte, als Jesus sein Leiden und Sterben ankündigte? „Das widerfahre dir nur nicht!“ (Matth. 16,22). War es nicht eben dieser Simon Petrus, der nicht nur große Worte schwang, sondern sogar sein Schwert, als Jesus gefangen genommen wurde – so, als sei Jesus auf seinen Schutz angewiesen, nicht er auf des Herrn Schutz? War es nicht eben dieser Simon Petrus, der auf dem Berg der Verklärung die Ärmel hochkrempelte und Hütten für Jesus, Mose und Elia bauen wollte, um den himmlischen Glanz noch eine Weile auf Erden festzuhalten? „Herr, ich bin bereit!“ Ich kämpfe für dich! Ich verteidige dich! Und wenn es sein muss, dann gehe ich auch ins Gefängnis für dich und sterbe mit dir! Siehe, Herr, das alles tue ich für dich; du wirst sehen, ich werd's schon schaffen!
Auch heute noch stehen manche Christen in der Gefahr eines überdimensionierten Selbstbewusstseins. In dem Maße, wie sie die Versuchung des Satans unterschätzen, überschätzen sie ihre eigene Kraft. Sie nehmen die Christus-Nachfolge sportlich; sie wollen in dieser Disziplin Sieger sein: „Herr, ich bin bereit!“ Ich schaff das! Wenn Leistungssportler interviewt werden, dann sagen sie oft: Man muss an sich glauben, dann schafft man es. Genau da liegt der Hase im Pfeffer: Wer an sich selbst glaubt, der hat schon verloren in der Disziplin der Christusnachfolge. Denn wenn uns Satan mit seiner Versuchung ein Bein stellt, dann nützt aller Glaube an uns selbst nichts. Wenn wir uns dann auf uns selbst verlassen, werden wir unweigerlich auf die Nase fallen. Versteht mich nicht falsch: Grundsätzlich ist es gut zu sagen: „Ich bin bereit!“ – „Ich folge Jesus nach!“; immerhin beten wir ja seit unserer Taufe: „Ich entsage dem Teufel und all seinem Werk und Wesen und ergebe mich dir, du dreieiniger Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist, im Glauben und Gehorsam dir treu zu sein.“ Und wir kennen die Mahnung unsers Herrn: „Sei getreu bis an den Tod!“ (Offfenbarung 2,10) Aber wenn wir meinen, dass wir das aus eigenem Willen, aus eigener Vernunft und Kraft schaffen, dann sind wir auf dem Holzweg. Ebenso müssen wir es uns wie Petrus aus dem Kopf schlagen, Christus und sein Reich zu verteidigen. Wir brauchen nicht Gottes Anwalt zu spielen, wenn wir Ungläubigen unseren Glauben bezeugen. Wir brauchen nicht zu denken, dass die Seligkeit bestimmter Menschen von uns abhängt. Wir brauchen nicht zu meinen, dass der Fall oder das Fortbestehen des christlichen Abendlandes an unseren Anstrengungen liegen. Und es hängt auch nicht von unserem Tun ab, ob unsere kleine, schwache und angefochtene Kirche ihren guten Weg weitergehen kann oder nicht. Christus sorgt und siegt für sich selbst und für sein Reich. Er hat es damals seinem Oberjünger deutlich gemacht, indem er ihm sein Scheitern prophezeite: „Petrus, ich sage, dir: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, dass du mich kennst.“ Wer in der Christusnachfolge an sich selbst glaubt, dem muss der Herr dieses Selbstvertrauen erst einmal gründlich zerschlagen, ehe er dem Herrn richtig dienen kann.
Betrachten wir schließlich drittens Jesus und die rechte Zuversicht. Bei fast allen Christen geschieht es mindestens einmal im Laufe ihres Lebens, dass ihnen ihre falsche Zuversicht gründlich zerschlagen wird. Wie gut, dass niemand in dieser Situation zu verzweifeln braucht! Wie gut, dass andere für einen sorgen, wenn man nicht mehr für sich selbst sorgen kann! Wie gut, dass in solchen Krisenzeiten Mitchristen die Hände für einen falten! Und vor allem: Wie gut, dass wir einen Heiland haben, der seinen Vater für uns bittet! „Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.“ Wörtlich steht da: „…dass dein Glaube nicht verlösche“, so wie es der Prophet Jesaja verheißen hat: „Den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen“ (Jes. 42,3). Jesus kämpft darum, dass das Glaubenslicht nicht ausgeht, so schwach es auch zuzeiten glimmen mag unter den Angriffen des Teufels. „Simon, Simon…“, sagte Jesus – da kann jeder noch einmal seinen eigenen Vornamen einsetzen. „Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.“ Das gehört zum hohenpriesterlichen Amt Christi: dass er für seine Jünger betet. Und mehr noch: Er hat sich als Hoherpriester selbst geopfert und uns damit aus Satans Versuchungsfalle befreit. Das ist die rechte, die rettende Zuversicht, dass wir uns auf diese Erlösungstat verlassen – eine Zuversicht, die Jesus selbst für uns beim Vater erbittet und die er uns dann auch schenkt. Erst wenn wir die falsche Zuversicht fahren lassen und an uns selbst verzweifeln, wissen wir diese Glaubenszuversicht wirklich zu schätzen. Wir merken dann nämlich: Ich selbst kann mich nicht gegen Satan behaupten – aber das brauche ich auch gar nicht, denn Jesus hat ihn am Kreuz für mich besiegt. Erst wenn wir diese Glaubenszuversicht gewonnen haben, werden wir fähig, Jesus richtig nachzufolgen und ihm wirklich zu dienen. Erst wenn wir diese Glaubenszuversicht gewonnen haben, dürfen wir sagen: „Herr, ich bin bereit.“
Auch Petrus wurde erst dann zum Hirten der Gemeinde Gottes berufen, nachdem er an sich selbst verzweifelt war und die Hilfe seines Heilands erfahren hatte. Danach fragte ihn der Auferstandene: „Simon, hast du mich lieb?“ Dreimal hintereinander fragte er das und erinnerte ihn damit an sein dreimaliges Verleugnen, an sein völliges Versagen. Und dreimal bejahte Petrus diese Frage – aber nun nicht mehr in der falschen Zuversicht, nicht mehr in forschem Selbstvertrauen, sondern demütig in der rechten Zuversicht, im Vertrauen auf den Heiland, der für ihn gestorben war und nun lebte und zum Vater ging, um für ihn zu bitten. Auf dieser Grundlage erhielt Petrus dann den Auftrag: „Weide meine Lämmer!“ (Joh. 21,15-17). Er sollte in diesem Amt Zeuge und Werkzeug seines Herrn sein, nicht mehr. Er sollte nicht die Kirche aufbauen, sondern der Herr selbst wollte auf dem Christuszeugnis der Apostel seine Kirche bauen, auf dem Grund der apostolischen Lehre. Christus hat dem Erzapostel versprochen dafür zu sorgen, dass die Pforten der Hölle die Gemeinde der Heiligen nicht überwinden werden.
Dieses Werk des Herrn geht immer weiter, auch jetzt und hier, in diesem Gottesdienst. Es ist derselbe Herr und Hohepriester, der hier seine Kirche baut. Es ist dasselbe Gotteslamm, das gleich wieder im Heiligen Mahl mit seinem Leib und Blut in uns eingeht, so wie Jesus es damals tat, kurz bevor er dieses Gespräch mit Petrus hatte. So macht er des Teufels Absicht zunichte, so zerstört er alle falsche Zuversicht in uns, und so zündet er die rechte Glaubenszuversicht in uns an. Amen.
PREDIGTKASTEN |