Christenverfolgung

Predigt über Apostelgeschichte 8,1b-4 zum Sonntag Lätare

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Die evangelisch-lutherische Dreieinigkeits­gemeinde in Berlin-Steglitz ist in den letzen Jahren von wenigen hundert auf über 1600 Gemeinde­glieder angewachsen. Die meisten von ihnen stammen aus Afghanistan und aus dem Iran. Weil sie in ihren Heimat­ländern keine Christen werden dürfen, sind sie nach Deutschland gekommen. Nach iranischem Recht – oder vielmehr Unrecht – werden Muslime, die zum Christentum übertreten, mit dem Tod bestraft. Die Brüder und Schwestern in der Steglitzer Gemeinde sind sehr froh, dass sie nun unbehelligt als Christen leben können. Bei der Bezirks­synode vor zwei Wochen, die in Steglitz stattfand, haben die Synodalen etwas von dieser Freude miterleben können – nicht zuletzt beim Abendmahls­gottesdienst in der übervollen Kirche.

Allerdings fällt in letzter Zeit ein großer Schatten auf diese Freude: Die Ausländer­behörde hat unseren aus­ländischen Brüdern und Schwestern massenweise Ablehnungen und Abschiebe­bescheide zugestellt; der christliche Glaube wird kaum noch als Bleibegrund anerkannt. Die Entscheider maßen sich dabei das Urteil an, dass das Christsein dieser Menschen nur geheuchelt sei; und wenn nicht, dann könnten sie in ihrer Heimat doch ihren neuen Glauben einfach als Privatsache verstecken und so tun, als seien sie Muslime.

Unser Bischof Hans-Jörg Voigt hat sich zu dieser bedenklichen Verfahrens­weise öffentlich geäußert. Er schreibt unter anderem: „Sie sind durch die Taufe Glieder am Leib Christi, Glieder der Kirche geworden. Beim Austeilen des Heiligen Abendmahles habe ich Tränen der Freude und Rührung in ihren Augen gesehen. Ich habe die Stille und Kon­zentration beim fundierten Tauf­unterricht selbst erlebt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge arbeitet sei einiger Zeit auf Hochtouren daran, Tausende Ablehungs‑ und Abschiebe­bescheide für konvertierte christliche Flüchtlinge aus­zustellen, die nun um Leib und Leben fürchten müssen und verzweifelt feststellen, dass ihnen in diesem Land der Schutz versagt wird. An der Tatsache, dass Christen in mehrheitlich islamisch bestimmten Ländern wie Iran und Afghanistan jeden Tag um ihr Leben fürchten müssen, können wir nichts ändern. Die Tatsache, dass die Bundes­republik Deutschland durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zum Christentum kon­vertierten ehemaligen Moslems in letzter Zeit die Zuerkennung der Flüchtlings­eigenschaft immer häufiger verweigert, ist ein Skandal, der sich in aller Stille mitten unter uns abspielt. Während wir unserem Alltag nachgehen, in den Kirchen und Gemeinden Gottes­dienste feiern, Gemeinde­kreise und Kirchenmusik­feste halten, fürchten zahlreiche unserer Glaubens­schwestern und ‑brüder um ihr Leben.“

Liebe Brüder und Schwestern, wir können uns glücklich preisen und Gott nicht genug dafür danken, dass wir unseren Glauben in Freiheit und Sicherheit ausüben dürfen. Dabei sollten wir allerdings nicht die Augen davor ver­schließen, dass heutzutage mehrere hundert Millionen Menschen in etwa sechzig Ländern wegen ihres Glaubens verfolgt werden – die meisten von ihnen Christen, und die meisten in muslimischen Ländern. Nicht mitgerechnet sind dabei diejenigen, die um ihres Glaubens willen einfach nur be­nachteiligt oder verachtet werden; nein, es geht hier um aktive Verfolgung. Sie reicht von Verhaftungen über Ver­sammlungs­verbote, Enteignungen und Ver­treibungen bis hin zu Massakern und Mord. Schätzungen zufolgen werden jährlich etwa hundert­tausend Menschen umgebracht, nur weil sie Christen sein.

Wenn auch heutzutage besonders viele Christen verfolgt werden, so sind Christen­verfolgungen nichts Neues. Im Zwanzigsten Jahrhundert wurden bekennende Christen in kommu­nistischen Ländern und unter den National­sozialisten bedrängt. In Frankreich wurde 1793 im Zuge der Revolution das Christentum verboten; diese Verbot bestand zwei Jahre lang. In Japan richtete man im 17. Jahrhundert alle Christen hin, die nicht ihrem Glauben abschworen. Im Mittelalter verfolgte der erstarkende Islam Christen und andere, die nicht Muslime werden wollten. Besonders bekannt sind die grausamen Christen­verfolgungen der Römer in den ersten drei Jahr­hunderten nach Christi Geburt. Und schließlich finden wir bereits im Neuen Testament Verfolgungs­berichte; unser Predigttext ist ein Beispiel dafür.

Die Urgemeinde in Jerusalem war vielen Leuten ein Dorn im Auge. Vor allem der Hohepriester und die führenden Juden waren sehr wütend, dass sich die Jesus-Bewegung nicht mit dessen Kreuzigung erledigt hatte. Im Gegenteil: Immer mehr Menschen bekannten sich zu Jesus als Messias und bezeugten, dass er von den Toten auferstanden war. Der Diakon Stephanus gab vor dem Hohen Rat ein leiden­schaftliches Bekenntnis zu Jesus ab und deutete die gesamte Geschichte Israels ent­sprechend. Daraufhin steinigte man ihn. Er war der erste Märtyrer, also der erste christliche Blutzeuge seit der Entstehung der Kirche zu Pfingsten. Traurig bestatteten Gemeinde­glieder seinen Leichnam und beklagten ihn. Aber man war nicht verzweifelt, denn man wusste ja: Nun geht er ein in die himmlische Herrlich­keit, die Christus ihm erworben hat. Nach dem Tod des Stephanus kam die Christen­verfolgung in Jerusalem erst richtig in Fahrt. Besonders ein Mann namens Saulus engagierte sich und ging dabei systematisch vor: Haus für Haus erkundigte er sich nach Christen, nahm sie gefangen und ließ sie ins Gefängnis werfen. Zu der Zeit ahnte noch keiner, dass Gott aus diesem Mann einmal den größten christlichen Missionar aller Zeiten machen würde, den Apostel Paulus. Wir merken: Das Leid der verfolgten Christen und das Blut der Märtyrer ist ein Nährboden für das Wachstum von Gottes Reich. Wir erleben das ja oft bei Gottes Handeln: dass er unter dem Anschein der Schwäche stark ist und dass er unter dem Anschein der Niederlage siegt. Das erkennen wir auch bei dieser ersten Christen­verfolgung: Die verfolgten Gemeinde­glieder flohen aus Jerusalem und ließen sich im Umland nieder, in Judäa und Samarien. Auf diese Weise entstanden an vielen Orten neue Gemeinden. Wie hatte doch Jesus zu den Jüngern gesagt? „Ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde“ (Apostel­gesch. 1,8). Freilich blieben die Apostel selbst zunächst noch in Jerusalem; sie harrten standhaft aus in der Verfolgungs­zeit, denn sie wollten die zurück­gebliebenen Gemeinde­glieder nicht im Stich lassen. Später aber konnten sie mit ihrem Missions­dienst überall da anknüpfen, wo geflohene Gemeinde­glieder bereits einen Grund gelegt hatten.

Die christliche Kirche ist der Leib Christi, und Christen­verfolgungen sind die Wunden, die diesem Leib zugefügt werden. Der Kirche als Leib Christi ergeht es damit nicht anders als dem Leib Jesu am Kreuz. Dass Christen verfolgt werden, gehört ja auch zum Nachfolge-Kreuz, das der Herr vorausgesagt hat. So sind Christen­verfolgungen mitnichten ein Zeichen dafür, dass Gott die Seinen verworfen hat oder im Stich lässt, sondern im Gegenteil: Sie sind ein Zeichen dafür, dass diese Leidenden zu Christus gehören und in seiner Nachfolge stehen – so bitter die Verfolgung für sie auch sein mag.

Jesus hat von seinem eigenen Leiden und Sterben voraus­gesagt: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht“ (Joh. 12,24). Das ist auch der Wochenspruch für die vor uns liegende Woche. Mit dem Bild vom Weizenkorn hat Jesus zum Ausdruck gebracht: Sein Leiden und Sterben ist nicht sinnlos, auch kein tragischer Unfall oder eine Niederlage, sondern es ist die nötige Voraus­setzung dafür, dass Gottes Reich aufkeimt, aufblüht und reiche Frucht bringt. Dasselbe gilt für die christliche Kirche: Ihr Leid und der Tod ihrer Märtyrer sind nicht sinnlos, sondern es sind Samenkörner für die weitere Ausbreitung von Gottes Reich. Die Frage, warum Christen so leiden müssen, können wir nicht bis ins Letzte beantworten; die Frage, wozu sie so leiden müssen, schon: damit Gottes Reich bestehen bleibt und weiter wächst bis hin zum Jüngsten Tag. Es ist eines der geheimnis­vollen Wunder Gottes, dass all die vielen Christen­verfolgungen von der Zeit der Apostel an bis zum heutigen Tag die Kirche nicht kaputt gemacht haben, nicht einmal dauerhaft geschwächt haben, sondern sie letztlich stärkten. Geschwächt hat die Kirche eigentlich immer nur die satte Selbst­zufrieden­heit halbherziger Christen.

Das bedeutet natürlich nicht, dass wir jetzt das Martyrium suchen oder uns über Christen­verfolgungen freuen sollten. Nein, es ist schlimm, was da in vielen Ländern der Welt geschieht, es ist erschütternd und himmel­schreiendes Unrecht. Und es ist auch schlimm, wenn in unserer reichen und auf ihre Grundrechte so stolzen Gesellschaft Christen, die in ihrer Heimat mit dem Tode bedroht werden, kein Asyl finden. Da sind wir gefordert: zuallererst mit fleißiger Fürbitte, dann aber auch mit tatkräftiger Hilfe, wo wir dazu Gelegenheit haben. Nicht zuletzt ist es wichtig, dass wir unsern Mund aufmachen und unsern Glauben bekennen, denn das Evangelium von Christus ist keine Privatsache, wie Unwissende meinen, sondern eine frohe Botschaft, die öffentlich bekannt werden soll. Je mehr Menschen in unserem Land diese Botschaft hören und annehmen, desto mehr werden sich dann auch dafür einsetzen, dass verfolgte Christen aus anderen Ländern hier eine rettende Insel finden. Gott gebe dazu seine Gnade. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2018.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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