Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Wisst ihr, was eine Laterna Magica ist? Sie ist die Großmutter des Beamers. Die Generation dazwischen ist vielen noch als Diaprojektor in Erinnerung. Das Prinzip ist immer dasselbe: In einem Kasten wird ein starker Lichtpunkt erzeugt, und seine Strahlen werden über ein optisches System auf eine helle Fläche projiziert, ein Bettlaken zum Beispiel oder auch eine viele Quadratmeter große Kinoleinwand.
Gleich ob Laterna Magica, Diaprojektor oder Beamer: Diese Wunderwerke der Technik können uns ein noch viel größeres Wunder verstehen helfen, nämlich das Wunder von Gottes Offenbarung. Von diesem Wunder spricht auch unser Psalmwort: „Aus Zion bricht an der schöne Glanz Gottes.“
Zion heißt der Projektor, aus dem Gottes Licht hervorbricht. Dieses Licht malt uns seine Herrlichkeit auf die Leinwand dieser Welt. Was ist Zion? Zion hieß der Berg, auf dem einst Gottes Tempel in Jerusalem stand. In seinem Zentralgebäude, dem Heiligtum, gab es einen abgeteilten Raum, das sogenannte Allerheiligste. In diesem Raum stand die Bundeslade. Auf dem Deckel der Bundeslade, dem sogenannten Gnadenstuhl, waren zwei goldene Engelfiguren angebracht. Die Stelle zwischen den beiden Figuren galt als Thron Gottes. Gott selbst hatte zugesagt, dass er hier bei seinem Volk gegenwärtig ist mit all seiner Liebe und Barmherzigkeit. Hier saß also sozusagen der unsichtbare und unbegreifbare Gott mitten in seinem Volk. Von hier aus ließ er sein göttliches Licht ausgehen, von hier aus schickte er den Seinen Strahlen göttlichen Segens. Zion heißt der Projektor, Heiligtum heißt die Projektionslampe und Gnadenstuhl heißt der helle Lichtpunkt, von dem alle Strahlen ausgehen.
Wie es nun verschiedene Generationen von Projektoren gibt – Laterna Magica, Diaprojektor und Beamer – , so gibt es auch verschiedene Generationen von Zions. Da war der alte Tempel, den König Salomo erbaut hatte. Er war nicht größer als eine Dorfkirche und wurde von den Babyloniern zerstört. Da gab es dann später die riesige und prächtige Tempelanlage, von der uns das Neue Testament berichtet. Die Römer schlugen diesen Tempel kurz und klein; seitdem gibt es keinen Tempel mehr auf dem Berg Zion. Aber es gibt einen neuen, unsichtbaren Tempel. Er ist auf der ganzen Welt zu finden – überall da, wo Menschen im Namen des Herrn Jesus Christus zusammenkommen. Denn das Neue Testament nennt Christus den „Gnadenstuhl“ beziehungsweise Gottesthron des neuen Bundes. Vor ihm geht Gottes herrlicher Glanz aus. Christus ist die Lampe, der helle Lichtpunkt, das Licht der Welt; seine Gemeinde aber ist das Gehäuse, der Kasten, der Projektor, das Zion der neuen Generation von Gottes Bund mit den Menschen.
„Aus Zion bricht an der schöne Glanz Gottes“, heißt es in unserm Psalmwort, und es geht so weiter: „Unser Gott kommt und schweigt nicht.“ Dieser zweite Satz schneidet kein neues Thema an, sondern er vertieft das Thema des ersten Satzes. Denn Gottes schönes Licht ist nicht einfach nur hell, sondern es transportiert zugleich eine Botschaft. Jesus, das Licht der Welt, schweigt nicht, sondern verkündet uns mit seinem schönen Glanz Gottes Frieden und große Freude. In diesem Sinne hat der Evangelist Johannes Gottes Wort und Gottes sichtbare Herrlichkeit in eins gesehen und mit Jesus in Verbindung gebracht: „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit“ (Joh. 1,14).
Das Projektor-Gleichnis kann uns auch veranschaulichen, was das für uns bedeutet. Der Lichtpunkt in einer Projektorlampe ist so hell, dass niemand ihn direkt ansehen kann. Aber die Strahlen, die aus dem Projektor herauskommen, die können wir sehen, und vor allem das leuchtende Bild, das sie auf die Leinwand malen. So ist das auch mit dem dreieinigen Gott und mit Jesus Christus: Seinen vollen göttlichen Glanz können wir nicht sehen, aber wir können sehen, wie seine Strahlen in unsere Welt hineinleuchten und ein Bild von Gottes Güte und Herrlichkeit malen. Diese Strahlen sind das Evangelium, die frohe Botschaft von Gottes Liebe und Barmherzigkeit. Da sehen wir dann auf der Leinwand den gütigen Vater, der seinen heimkehrenden Verlorenen Sohn willkommen heißt und ihm alles vergibt. Oder da sehen wir den Guten Hirten, der das wiedergefundene Lämmlein auf seinen Schultern nach Hause trägt. Oder da sehen wir den Heiland, wie er sich über die Kranken, die Traurigen und die Hungrigen erbarmt. Dabei merken wir: So ist Gott auch zu uns; so lieb hat er uns; so kümmert er sich um uns; so hilft er uns.
Das Projektor-Gleichnis macht uns auch die Kernbotschaft des Evangeliums anschaulich, die Rechtfertigung des Sünders. Wenn der Projektor aus ist, sieht die Leinwand düster aus. Wir meinen vielleicht, dass sie weiß ist; aber das, was wir da ohne Projektor als weiß bezeichnen, sind nachher, wenn der Projektor an ist, die schwarzen Stellen im projizierten Bild. Ebenso ist das mit unserer Seele: Auch wenn wir uns einbilden, dass wir eine ziemlich weiße Weste haben, so stehen wir doch ziemlich trübe da. Wenn aber der „schöne Glanz Gottes“ darauf fällt, nämlich das Licht unsers Herrn Jesus Christus, dann wird das Dunkle plötzlich hell. Wir verändern uns dabei nicht selbst – es ist ja nicht unsere eigene Gerechtigkeit, sondern Christi Gerechtigkeit, die uns im göttlichen Glanz erstrahlen lässt. Darum sollen wir uns nichts darauf einbilden, dass wir Christen sind, sondern allein Gott die Ehre geben, ihn loben und ihm dafür danken.
Schließlich zeigt uns das Projektor-Gleichnis noch, was es mit dem Glauben auf sich hat. Stellen wir uns mal vor, bei einer Familienfeier werden Lichtbilder gezeigt – seien es altmodische Dias oder seien es Digitalfotos mit einem Beamer. Da zeigt plötzlich Tante Klara auf ein Gruppenbild und ruft: Da ist ja Onkel Hans! Der neunmalkluge Sven wirft ein: Nein, das ist nicht Onkel Hans, das ist nur ein Lichtfleck auf einem Bettlaken. Alle lachen. Trotzdem müssen sie Tante Klara recht geben: Natürlich ist das Onkel Hans! Sie sehen Onkel Hans auf einem Bild, das der Projektor auf das Bettlaken projiziert. So ist das mit dem schönen Glanz Gottes in unserer Welt, mit seinen Wundern, mit seinem Wort, mit seinen Sakramenten: Wir sehen etwas von seiner Herrlichkeit und von Jesus Christus, aber wir sehen es immer nur als Abglanz seines Lichtes auf dem Bettlaken unserer Welt. Der Ungläubige sagt: Ich sehe nichts anderes als Lichtflecken auf einem Bettlaken. Wir aber, erleuchtet vom Heiligen Geist, sehen mehr, sehen das Eigentliche, nämlich wie Gott zu uns ist und was er uns zu sagen hat. Denn er schweigt nicht, sondern er lässt uns in unserer armen Welt den schönen Glanz seiner Liebe sehen. Amen.
PREDIGTKASTEN |