Gratis lebendiges Wasser trinken

Predigt über Offenbarung 21,6 zum Neujahrstag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Viele Menschen haben das neue Jahr mit einem Glas Sekt in der Hand begonnen, oder mit einem guten Wein oder mit einem anderen edlen Getränk. Sie stießen damit an und wünschten sich allerhand Gutes zum neuen Jahr. Ein edles Getränk gehört für viele zum Feiern und zu einem besonderen Ereignis dazu.

Von einem guten Wein und einem besonderen Ereignis handelt auch eine Geschichte, die Heinrich Spoerl im Jahre 1937 ver­öffentlicht hat. Die geht so: Ein Angestellter erhielt von seiner Firma eine Sonder­zahlung in Höhe von 150 Mark. Das war damals viel Geld; man müsste heute noch eine Null dranhängen und sich den Betrag in Euro vorstellen. Der Mann beschloss, das Ereignis allein in einem vornehmen Restaurant zu feiern, und bestellte sich dort den teuersten Wein, der auf der Getränke­karte stand – zu zwölf Mark fünfzig die Flasche. Der Wein war hervor­ragend, und die Kellner bemühten sich sehr um diesen Gast. Sie fragten, ob ihm der Wein mundete. O ja, antwortete der Feiernde, er munde ganz vor­trefflich. Im Stillen dachte er: Weine über zehn Mark schmecken nicht nur einfach gut, sondern sie „munden“. Aber dann kam das dicke Ende. Der Mann musste feststellen, dass er sich beim Lesen der Speisekarte geirrt hatte: Der Spitzenwein kostete nicht zwölf Mark fünfzig die Flasche, sondern hundert­fünfund­zwanzig Mark! Da bezahlte er sogleich und ging. Den angefangenen Wein ließ er stehen; der Appetit war ihm vergangen.

Diese Geschichte kann uns verstehen helfen, was für eine wunderbare Einladung die Jahreslosung für 2018 ist. „Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.“ Lasst uns auf dem Hintergrund der Spoerl-Geschichte besonders über drei Dinge reden, die in dieser Jahreslosung angesprochen werden: erstens der Durst, zweitens die Qualität des Getränks, drittens der Preis des Getränks.

Bemerkens­wert an der Spoerl-Geschichte ist erstens, dass der Mann offen­sichtlich keinen Durst hatte. Wenn er wirklich Durst gehabt hätte, dann hätte er den Wein aus­getrunken, egal wie teuer er ist. Es gibt andere Geschichten, da haben halb verdurstete Wanderer Wucherpreise für trübes, ab­gestandenes Wasser bezahlt und es dann gierig aus­getrunken. Auch in der Bibel stehen solche Durst-Geschichten. Abrahams Nebenfrau Hagar und ihr Sohn Ismael zum Beispiel wären beinahe in der Wüste verdurstet, aber Gott ließ sie schließlich einen Brunnen finden und rettete so ihr Leben (1. Mose 21,15‑19). Auch das Volk Israel litt auf seiner Wüsten­wanderung mehrmals großen Durst, und jedesmal schenkte Gott ihnen Trinkwasser. Einmal ließ er ihnen unversehens frisches Quellwasser aus einem Felsen sprudeln (2. Mose 17,1‑7). In dem heißen und trockenen Klima des heiligen Landes kann man durchaus lernen, was echter Durst ist. So heißt es zum Beispiel im 22. Psalm: „Meine Kräfte sind vertrocknet wie eine Scherbe, und meine Zunge klebt mir am Gaumen“ (Ps. 22,16).

Was für den Leib gilt, das gilt desto mehr für die Seele. Ja, auch unsere Seele kann Durst haben: Durst nach glücklichem Leben, Durst nach Liebe und Zuwendung, Durst nach Frieden mit Gott und den Menschen. Um solchen Seelendurst geht es in unserer Jahres­losung. Gott verspricht allen, die solchen Durst haben, ihnen lebendiges Wasser zu geben. Damit ist Gottes Geist gemeint, der aus der Quelle seines Wortes strömt. Dieses Wasser ist nicht nur herrlich erfrischend, sondern es ist sogar lebens­wichtig. Ohne dieses Wasser muss der Mensch geistlich verdursten. Wer nun allerdings keinen solchen Seelendurst verspürt, der wird Gottes Lebenswasser verschmähen. Er meint, dass er auch ohne Gott ganz gut zurechtkommt im Leben. Solchem Menschen kann man nicht einreden, dass er doch eigentlich durstig sein müsste, man kann nur abwarten und hoffen, dass er diesen Durst irgendwann selbst verspürt. Wer keinen Seelendurst hat, der lässt Gottes Lebenswasser achtlos stehen wie der Mann in der Geschichte den kostbaren Wein; erst der Durstige wird es richtig zu schätzen wissen. Der Durstige lässt es sich nicht zweimal sagen, was wir gestern in einem ganz ähnlichen Bibeltext aus der Offenbarung des Johannes gehört haben: „Wen dürstet, der komme; und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst“ (Offenbarung 22,17). Oder wie schon im Alten Testament der Prophet Jesaja gepredigt hat: „Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser!“ (Jes. 55,1) Jesus hat darum bewusst die Durstigen selig gepriesen und gesagt: „Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtig­keit, denn sie sollen satt werden“ (Matth. 5,6). Und der Apostel Paulus hat den Felsen, aus dem Gott den Israeliten in der Wüste frisches Wasser fließen ließ, mit Christus verglichen (1. Kor. 10,4).

Damit sind wir beim zweiten Punkt, nämlich bei der Qualität des angebotenen Getränks. Auch wer nicht viel vom Wein versteht, weiß immerhin, dass es riesige Qualitäts­unterschiede gibt. Der Wein, der dem Mann in der Spoerl-Geschichte so gut „mundete“, hatte Spitzen­qualität und unterschied sich von normalem Tafelwein wie der Tag von der Nacht. Auch beim Wasser gibt es riesige Unterschiede – und ich denke dabei noch nicht einmal an die ver­schiedenen Mineral­wasser­sorten, die man kaufen kann, sondern nur an Wasser, wie es in der freien Natur vorkommt. Wenn unser Bibelwort von „lebendigem Wasser“ spricht, dann ist damit Wasser von höchster Qualität gemeint, nämlich frisch sprudelndes Quellwasser. Fließendes Wasser scheint ja tatsächlich etwas Lebendiges zu sein, wie es so über die Steine eines Baches tanzt und springt. Die Frau am Jakobs­brunnen bei Sychar war ganz verwundert, als Jesus ihr dort lebendiges Wasser geben wollte, denn das Wasser in einem Brunnenloch fließt ja nicht kristallklar dahin, sondern ist trübe und abgestanden. Nehmen wir es also ganz bewusst und freudig wahr: Gott will uns kein ab­gestandenes Zisternen­wasser geben, sondern hochwertiges „lebendiges“ Quellwasser.

Mit diesem Wasser von aller­höchster Qualität ist der Heilige Geist gemeint. Durch ihn finden wir, wonach unsere Seele so sehr dürstet: glückliches Leben, Liebe und Frieden mit Gott und den Menschen. Die Quelle, aus der das Wasser des Heiligen Geistes rinnt, ist Gottes Wort – in welcher Form auch immer es uns begegnet. Wenn wir uns an unsere Taufe erinnern, wenn wir in der Bibel lesen, wenn wir eine Predigt hören, wenn wir die Vergebung der Sünden zugesprochen bekommen oder wenn wir das Heilige Abendmahl empfangen – stets können wir unseren Seelendurst stillen mit göttlichem Lebenswasser von höchster Qualität. Es ist unendlich viel wertvoller als der teuerste Wein der Welt. Und wie Jesus bei der Hochzeit zu Kana Wasser in Wein verwandelte, so begegnet uns das Lebenswasser im Heiligen Abendmahl tatsächlich als Wein, ja mehr noch: als Wein, der zum Träger der wertvollsten Flüssigkeit wird, die es überhaupt gibt: zum Blut Christi, das zur Erlösung aller Menschen geflossen ist. Wein war in Israel der Inbegriff festlicher Freude, und so steht er im Neuen Testament auch für die Vorfreude auf Gottes himmlisches Festmahl. In den Versen vor unserer Jahreslosung ist davon die Rede, wie wir dann ganz bei Gott sein werden, wo weder Tod noch Leid noch Schmerz uns traurig machen.

Es gehört zum Wesen des hochwertigen lebendigen Wassers, dass es sich nicht abfüllen oder konservieren lässt. Lebendiges Wasser ist ein Frische­produkt, und das gilt ebenso für den Heiligen Geist. Es reicht daher nicht, einmal getauft zu sein oder einmal Konfirmanden­unterricht gehabt zu haben, sondern wir müssen immer wieder zu Gottes Quelle kommen und trinken. Darum ist der regelmäßige Gottesdienst­besuch so wichtig. Wenn da unser Glaube am Leben erhalten wird, dann können wir auch selbst für andere zur lebendigen Quelle werden, dann können wir anderen Menschen von Gottes Liebe Zeugnis geben in Wort und Tat. Jesus hat gesagt: „Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen“ (Joh. 7,38).

Nun müssen wir schließlich noch vom Preis des angebotenen Getränks reden. In der Spoerl-Geschichte hat der hohe Preis des Qualitäts­weins dem Feiernden die Laune und den Appetit verdorben. Dabei war mit 125 Mark pro Flasche keineswegs das Ende der Fahnenstange erreicht. Wenn man heute einen der besten Weine der Welt kaufen will, dann kann man durchaus einen fünf­stelligen Eurobetrag pro Flasche loswerden. Nun hat der Mann in der Geschichte den Wein ja bezahlen können, aber ein echter Spitzenwein ist für Normal­verdiener damals wie heute un­erschwing­lich.

Ebenso un­erschwing­lich wäre das lebendige Wasser aus Gottes Quelle, wenn wir es denn selbst bezahlen müssten. Aber das müssen wir nicht, denn Jesus hat es an unserer Statt bezahlt. Er hat überaus teuer dafür bezahlt: „nicht mit Gold oder Silber, sondern mit seinem heiligen, teuren Blut und mit seinem unschuldigen Leiden und Sterben“, wie es im Kleinen Katechismus heißt. Darum sagt Gott in der Jahres­losung: „Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.“ Umsonst, kostenlos, gratis – alle sind eingeladen, Gottes lebendiges Wasser zu trinken, ohne bezahlen zu müssen, und aus der Kraft dieses Wassers in ewiger Freude zu leben. Ja, dieses Wasser ist einerseits so kostbar, dass niemand es sich verdienen kann, und es ist andererseits so kostenlos, dass niemand es sich zu verdienen braucht.

„Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.“ Der diesen Satz auf­geschrieben hat, hieß Johannes. Er musste diese Worte so schreiben, denn Gott selbst hat sie ihm aufgetragen. Unmittelbar davor steht nämlich, dass Gott zu ihm sagte: „Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss!“ Für diesen Satz gilt also zweifellos, was kritische Theologen gar nicht gern wahrhaben wollen: Dieser Satz ist dem biblischen Autor tatsächlich direkt von Gott diktiert worden. Durch den Namen Jesu erfüllt Gott diese Zusage ganz gewiss, denn der Name Jesus bedeutet „Heiland“ und „Retter“. Kommt also, stillt euren Seelendurst und beginnt das neue Jahr mit etwas viel Besserem als mit Sekt oder Wein – beginnt es mit lebendigem Wasser aus Gottes ewiger Quelle! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2018.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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