Gottes Sohn kommt zur Welt

Predigt über Psalm 2,7 zum Heiligen Abend

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Hört die gute Nachricht: Euch ist der Heiland geboren! Diese Nachricht schallt heute und morgen in der ganzen Welt von unzähligen Kanzeln herab. Ja, diese Nachricht schallt schon seit zweitausend Jahren von den Kanzeln herab und erweist sich damit als weitaus langlebiger als andere Nachrichten. Was uns an Nachrichten im Fernsehen oder in der Zeitung begegnet, erfreut oder erregt uns meistens nur für ein paar Tage oder Wochen, dann ist es schnell wieder vergessen. Aber die Nachricht „Euch ist der Heiland geboren!“ ertönte schon in der ersten Heiligen Nacht vom Himmel herab, als Gottes Engel den Hirten von Bethlehem erschien. In Martin Luthers Weihnachts­lied hört sich das so an: „Vom Himmel hoch, da komm ich her, / ich bring euch gute neue Mär.“ Mit „Mär“ meint Luther keineswegs ein Märchen, keine rührselige Weihnachts­legende, sondern eben diese gute Nachricht von dem, was wirklich geschehen ist. Es ist tatsächlich wahr: Euch ist der Heiland geboren! „Go, tell it on the mountains“ – „Geh, ruf es von den Bergen“ heißt es in einem alten ameri­kanischen Weihnachts­lied. Ja, von den Kanzeln, von den Bergen, vom Himmel herab wird Gottes gute Nachricht in der ganzen Welt laut.

Martin Luther hat einmal gesagt: „Die Heilige Schrift ist der Berg, auf dem Christus Christus verkündigt.“ er meinte damit: Auch Christus selbst verkündigt diese gute Nachricht, dass er als Heiland in die Welt kommt. Die Bibel ist dafür seine Kanzel und sein Berg, und zwar die ganze Bibel, nicht nur das Neue Testament, sondern auch schon das Alte. Der Psalmvers, den wir in dieser Predigt bedenken, macht das deutlich. Denn da erschallte Christi Stimme schon viele Jahr­hunderte, bevor er überhaupt geboren wurde. Hört noch einmal genau hin, das kann nur Christus sagen: „Kundtun will ich den Ratschluss des Herrn. Er hat zu mir gesagt: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.“ Normaler­weise lernt ein Kind sprechen, wenn es zwei oder drei Jahre alt ist; Gottes Sohn aber spricht schon lange vor seiner Geburt. Damit entdecken wir ein großes Wunder, das Weihnachts­wunder: Der eingeborene Sohn des himmlischen Vaters, der wahre Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit, kommt als Baby zur Welt. Allerdings sieht äußerlich alles sehr unscheinbar aus: Eine junge Ehefrau bekommt in einer Not­unterkunft ihr erstes Kind. Ja, es ist alles ganz normal – und doch ganz anders, ganz einzigartig!

„Du bist mein Sohn“, sagt also der himmlische Vater zu Christus, und das steht bereits im Alten Testament. Das Neue Testament greift dieses Zeugnis auf und bestätigt es für diesen Jesus, der da in Bethlehem zur Welt gekommen ist. Bei seiner Taufe ertönte Gottes Stimme vom Himmel herab: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe“ (Matth. 3,17). Auf dem Berg der Verklärung hörten drei Jünger noch einmal dieselbe Stimme: „Das ist mein lieber Sohn; den sollt ihr hören!“ (Markus 9,7). Der Apostel Paulus predigte nach Pfingsten: „Wir verkündigen euch die Verheißung, die an die Väter ergangen ist, dass Gott sie uns, ihren Kindern, erfüllt hat, indem er Jesus auferweckte; wie denn im zweiten Psalm geschrieben steht: ‚Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt‘“ (Apostel­gesch. 13,32‑33). Und der Hebräerbrief bezieht gleich zweimal diese Weissagung auf Jesus (Hebr. 1,5; 5,5).

Dass Jesus Gottes Sohn genannt wird, das macht seine Beziehung zum himmlischen Vater deutlich. In früheren Zeiten war es üblich, dass der älteste Sohn den Beruf des Vaters erlernte und später seine Stelle einnahm. Der Sohn eines Bauern wurde auch Bauer und erbte den Hof; der Sohn eines Schmieds übernahm irgendwann die väterliche Schmiede; der Sohn eines Königs wurde irgendwann König an seiner Statt. Seht, so ist das auch mit dem Gottessohn Jesus Christus: Er ist ein göttlicher Herrscher über das ganze Universum wie sein Vater, und ihm hat der Vater dann auch alle Macht im Himmel und auf Erden übertragen. Das bedeutet: Wer Gott finden will, der kommt an Jesus nicht vorbei. Wer zu Gott beten will, der sollte das im Namen Jesu tun. Und wer Gottes Schutz und Hilfe sucht, der wird das bei Jesus finden. Anderer­seits: Wer nicht an Jesus glaubt, kann den wahren Gott nicht finden. Und wer Jesus nicht als Gottes Sohn akzeptiert und respektiert, der verachtet damit den Vater im Himmel.

Merkwürdig ist dabei allerdings, dass der Herrscher des Universums als hilfloses Baby in einem Viehstall liegt, gebettet in einen Futtertrog. Die äußeren Umstände signali­sieren keineswegs göttliche Macht und Herrlich­keit, sondern das krasse Gegenteil. Das bleibt auch im Wesentlichen so, bis Jesus am Kreuz hängt und den Kampf gegen das Böse scheinbar verliert. Die Welt scheint stärker zu sein als ihr Schöpfer und das Kriegs­geschrei der Welt lauter als der Friedens­gesang der Engel in der Heiligen Nacht. Auch heute noch ist das so. Viele Menschen sind deswegen irritiert und fragen: Wo ist denn nun der Friede auf Erden, der vor zweitausend Jahren versprochen wurde, und wo zeigt sich die Macht des Gottessohnes Jesus Christus? Die Bibel antwortet mit dem Christfest und mit dem Karfreitag: Die Macht des Gottessohnes ist verborgen unter Krippe und Kreuz – aber dennoch ist sie da. Jeder, der die Botschaft der Engel glaubt und sie in seinem Herzen bewahrt wie Maria, der wird von göttlichem Frieden durchströmt und von himmlischer Hoffnung erfüllt. Denn „euch ist der Heiland geboren“ – der Sohn Gottes, der den tiefen Riss zwischen Gott und Menschheit heilt und all denen ewiges Leben schenkt, die an ihn glauben.

Christus sagt in diesem pro­phetischen Psalmwort nun noch, dass Gott ihn gezeugt hat. Wie sollen wir das verstehen? Nun ist es ja tatsächlich so, dass Maria ohne Zutun eines Mannes durch Gottes Geist schwanger wurde und dass sie dann Jesus zur Welt brachte. Aber wie konnte Jesus dann schon Jahrhunderte vorher im Psalm seine Stimme erheben? Wie konnte es den Gottessohn schon von Ewigkeit her geben, wie die Bibel lehrt? Die Heilige Schrift hat nur einen einzigen gemeinsamen Begriff für „zeugen“ und „ gebären“, und der steht hier in unserem Psalmwort. Man könnte ihn allgemein wiedergeben mit „hevor­bringen“ oder „zur Welt bringen“; dann lautete Gottes Satz: „Heute habe ich dich hervor­gebracht“, oder: „Heute habe ich dich zur Welt gebracht“. Das geschieht bei Jesus anders als sonst bei einer Zeugung und Geburt. Normalerweise erschafft Gott dabei ein neues menschliches Wesen. Der Gottessohn aber ist ein ewiges Wesen, ungeschaffen und göttlich wie der Vater. „Heute habe ich dich gezeugt“ bedeutet bei Christus, dass der Vater ihm nun eine menschliche Gestalt schenkt und dass er ihn wie ein Menschen­geschöpf werden lässt: Er lässt ihn im Leib einer menschlichen Mutter heranwachsen und dann zur Welt kommen – das ist das unfassbare Wunder von Weihnachten. Martin Luther dichtete: „Des ewgen Vaters einig Kind / jetzt man in der Krippe findt; / in unser armes Fleisch und Blut / verkleidet sich das ewig Gut.“ Ja, es ist einerseits alles ganz normal mit dem Menschen Jesus – und doch anderer­eseits ganz anders, ganz einzigartig mit dem Gottessohn!

„Euch ist heute der Heiland geboren“, so schallte es einst vom Himmel herab, und so schallt es bis heute von den Kanzeln herab. Weiterhin verkündete der Weihnachts­engel: „Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.“ Auch das gilt bis heute: Ihr könnt Jesus finden, und mit Jesus den Sohn Gottes, und mit dem Sohn Gottes den himmlischen Vater, und mit dem himmlischen Vater den ewigen König über alles, und mit diesem König Heilung von allem Bösen und Leben in ewiger Freude. Das ist die gute Nachricht der Heiligen Nachricht – die beste Nachricht, die die Welt je gehört hat. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2017.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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