Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
„Danket dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich!“ Diesen Lobvers hatte König David einst gedichtet, als er die Bundeslade nach Jerusalem holen ließ (1. Chronik 16,34). Die Bundeslade war im alten Israel das Zeichen dafür, dass Gott mit seiner Güte und Freundlichkeit mitten in seinem Volk wohnt. „Danket dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich!“ Dieser Lobvers erklang aufs Neue, als Davids Sohn und Thronfolger Salomo den ersten Jerusalemer Tempel einweihte. Dort bekam die Bundeslade erstmals ein festes Haus, wo die Israeliten künftig Gott anbeten und seine Hilfe suchen sollten. „Danket dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich!“ So beginnen vier Psalmen, und der zweite Teil des Satzes schallt als Psalm-Refrain ganze 38 Mal durchs Alte Testament. „Danket dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich!“ So beten auch wir Christen, die wir zum neutestamentlichen Gottesvolk gehören, weil Jesus unter uns ist, der uns mit seinem Tod und seiner Auferstehung Gottes Güte und Freundlichkeit gebracht hat. Und nach der Abendmahlsfeier singen wir diese Worte als Wechselgesang mit Halleluja, denn im Heiligen Abendmahl ist der Herr mit seinem Leib und Blut bei uns so gegenwärtig, wie Gott damals mit der Bundeslade bei den Israeliten gegenwärtig war.
Wir haben eben im Predigttext Genaueres davon gehört, wie die Israeliten bei der Tempeleinweihung Gott lobten. Dieser Bibelabschnitt zeigt uns Dreierlei vom musikalischen Gotteslob: Es ist erstens begleitet, zweitens einstimmig, drittens aufwändig. Auch wenn diese drei Dinge nicht unbedingt auf unser heutiges Gotteslob zutreffen, so können sie uns doch Wichtiges über das Singen und Musizieren zu Gottes Ehre sagen.
Erstens: Das musikalische Gotteslob ist begleitet. Wir denken heute zuerst an die Orgelbegleitung beim Choralsingen, weil wir die aus dem Sonntagsgottesdienst gewohnt sind. Orgeln gab es zur Zeit der Tempelweihe noch nicht, stattdessen lesen wir da von Zimbeln, Psaltern, Harfen und Trompeten. Zimbeln, also Becken, kennen wir vom Schlagzeug; man kann ordentlich Krach mit ihnen machen. Wir wissen allerdings nicht, wie die levitischen Musiker damals ihre Zimbeln eingesetzt haben, aber es ist gut vorstellbar, dass sie damit wichtige Wörter des Lobgesangs akustisch betonten, zum Beispiel das Wort „Herr“ in „Danket dem Herrn“. Wenn der Gottesname fällt, dann sollen nämlich alle aufhorchen, dann sollen auch die letzten Kirchenschläfer aufwachen! Andere Leviten zupften an Psaltern und Harfen. Das waren melodisch gestimmte Saiteninstrumente, die man damals ungefähr so verwendete, wie man heute üblicherweise Gitarren benutzt: Der Gesang wird damit akkordmäßig begleitet. Und dann waren da noch die Blechblasinstrumente, die Trompeten. Sie wurden nicht von den einfachen Tempeldienern geblasen, den Leviten, sondern sie waren den Priestern vorbehalten. Das lag daran, dass die Trompeten eigentlich keine Musikinstrumente, sondern Signalinstrumente waren. Mit charakteristischen Trompetensignalen riefen Israels Priester die Menschen zum Gottesdienst und zur Landesverteidigung zusammen und kündigten auf diese Weise auch bestimmte Zeiten an, zum Beispiel den Beginn eines neuen Monats oder eines neuen Jahres. Die Trompeten erfüllten damals denselben Zweck wie die Kirchenglocken im Mittelalter. Deshalb war die verantwortliche Aufgabe des Trompetens den Priestern vorbehalten; es war so etwas wie eine Verkündigungsaufgabe. Wir merken: Die Begleitung des Gotteslobs durch Instrumente ist keineswegs nur eine nebensächliche Verzierung, sondern sie wirkt bei der Verkündigung mit, die durch das Gotteslob geschieht. Asaf, Heman und Jedutun, die namentlich genannten Leiter der Levitenchöre, werden darum an anderer Stelle sogar als Propheten bezeichnet.
Wir nehmen daraus für unser musikalisches Gotteslob die Erkenntnis mit: Singen und Musizieren zur Ehre Gottes ist zugleich auch immer Verkündigung. Die Begleitung mit Instrumenten unterstreicht die gesungenen Worte von der Freundlichkeit und von der ewigen Güte unseres Gottes.
Zweitens: Das musikalische Gotteslob ist einstimmig. Jedenfalls schien das damals so zu sein bei der Einweihung des Tempels. Da steht nämlich: „Und es war, als wäre einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken dem Herrn.“ Allerdings ist damit möglicherweise nicht dasselbe gemeint, was wir heute unter Einstimmigkeit verstehen, nämlich dass alle Sänger und Bläser unisono dieselbe Melodie singen beziehungsweise spielen. Das wäre für unseren heutige Geschmack nicht nur einstimmig, sondern auch eintönig. Vielleicht soll aber nur betont werden, dass die Levitenchöre auf den sonst üblichen Wechselgesang zwischen mehreren Gruppen verzichteten und sich stattdessen zu einem einzigen gemeinsamen, besonders kräftigen Klangkörper vereinigten. Es wäre auch denkbar, dass sie zwar mehrstimmig sangen und bliesen in der Art unserer vierstimmigen Choralsätze, dabei aber so sauber intonierten und so gut aufeinander hörten, dass der Eindruck eines ganz einheitlichen Gesamtklangs entstand. Seit König Davids Zeit waren es immerhin Profi-Musiker, die Gott am Jerusalemer Heiligtum Loblieder sangen. Wir wissen zu wenig über die Musik im alten Israel, um die Frage nach der Einstimmigkeit sicher beantworten zu können. Eins aber ist gewiss: Der Eindruck, dass die vielen hundert Musiker wie eine Stimme zusammenklangen, zeigt etwas über Gottes Volk. Viele Stimmen, viele verschiedene Menschen kommen da zusammen, um den einen wahren Gott einmütig für seine Freundlichkeit und Güte zu loben. Wo Menschen sich vertrauensvoll in Gottes Gegenwart versammeln, da wird aus ihnen eine Herde unter einem Hirten. Die akustische Einheit der Levitenchöre wurde damals noch optisch durch einheitliche Kleidung unterstrichen: Sie waren „angetan mit feiner Leinwand“. Von daher kommt die Tradition vieler Kirchenchöre in der Welt, in einheitlichen Gewändern aufzutreten.
Wir nehmen für unser musikalisches Gotteslob die Erkenntnis mit: Die Kirchenmusik ist ein Sinnbild für die Einheit des Leibes Christi. Wir sind die Glieder dieses Leibes – vielfältig, verschieden begabt, mit verschiedenen Stimmlagen und Instrumenten. Aber der eine Herr der Kirche vereinigt uns zu einmütigem Loben und Preisen, und auch zum einmütigen Bekennen seines Namens, wie der Apostel Paulus gelehrt hat: „ein Leib und ein Geist, … ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater aller…“ (Eph. 4,4‑6).
Drittens: Das musikalische Gotteslob ist aufwändig. König Salomo hatte damals einen enorm hohen Aufwand betrieben, um das Tempelweihfest würdig auszugestalten. Nicht nur, dass er unzählige Schafe und Rinder als Dankopfer darbringen ließ; nein, auch die Kirchenmusik war aufwändig. Wir wissen ja mit Paul Gerhardt: „Dankbare Lieder sind Weihrauch und Widder…“ Salomo hatte dafür gesorgt, dass nicht nur die gerade diensthabenden Priester und Leviten sich für die Einweihungszeremonien bereit machten, sondern sämtliche verfügbaren Priester und Leviten, auch die Reserve. Darum heißt es: „Alle Priester, die sich eingefunden hatten, hatten sich geheiligt, ohne dass sie sich an die Ordnungen hielten“, das heißt über den üblichen Dienstplan hinaus. Es sei auch noch einmal an die aufwändigen Gewänder erinnert und an die Tatsache, dass es sich bei den Leviten um Berufsmusiker handelte. Wenn es ums Gotteslob ging, war Salomo kein bisschen sparsam.
Eigentlich sollte das selbstverständlich sein: Gott ist unser Herr und König, dem wir alles zu verdanken haben, da sollte als Dankopfer für ihn das Beste gerade gut genug sein. Wenn es im Choral „Herr Gott, dich loben alle wir“ heißt: „Darum wir billig loben dich“, dann ist damit nicht gemeint, dass die Kirchenmusik möglichst wenig kosten soll. Es ist vielmehr richtig und wichtig, dass wir uns Mühe geben, auch Zeit und Geld hineinstecken. Natürlich kann nicht jede Kirchengemeinde einen Profi-Chor haben, nicht einmal eine Profi-Organisten. Aber alle, die in einer Gemeinde musizieren, sollten sich hinter den Spiegel stecken: Lasst uns nicht faul und nachlässig sein, sondern einen gewissen Aufwand betreiben, um Gott möglichst schön zu loben. Es fängt damit an, dass jedes Gemeindeglied nach Möglichkeit seine Stimme trainiert und auch zu Hause regelmäßig zu Gottes Ehre singt. Wer ein Instrument spielt, weiß sowieso, wie wichtig fleißiges Üben ist; auch das gemeinsame Üben in Singchor und Bläserchor ist unverzichtbar. Und wenn es um Musikunterricht für den Nachwuchs geht oder um die Anschaffung und Instandhaltung von Musikinstrumenten, dann darf das auch ruhig mal richtig Geld kosten; jedenfalls ist unser Geld beim Lob Gottes besser investiert als bei vielen anderen Dingen.
„Danket dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich!“ Wenn wir zu Gottes Lob singen und musizieren, dann spüren wir Gottes Freundlichkeit und Güte ganz unmittelbar an Leib uns Seele. Manchmal ist es geradezu so, als wären wir eingehüllt in eine Wolke der Seligkeit, in eine Wolke der Gottesnähe. Dann dürfen wir uns gern daran erinnern, wie es damals war, bei der Einweihung des Tempels in Jerusalem: „Da wurde das Haus des Herrn erfüllt mit einer Wolke, … denn die Herrlichkeit des Herrn erfüllte das Haus Gottes.“ Und wir dürfen wissen: Dieselbe Herrlichkeit des Herrn ist bei uns in unseren Gottesdiensten anwesend und wo immer wir zu Gottes Lob zusammenkommen; sie ist gegenwärtig im auferstandenen Herrn Jesus Christus. Amen.
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