Wie wir ins neue Jahr gehen

Predigt über Kolosser 2,6-7 zum Neujahrstag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Ein neues Jahr liegt vor uns wie ein leeres Tagebuch. Was wollen wir da hinein­schreiben? Was werden uns andere Menschen da hinein­schreiben? Und was wird Gott uns da hinein­schreiben? Manch einer hat gute Vorsätze für das neue Jahr, oder auch große Pläne. Ein anderer fragt unsicher oder sogar ängstlich: Wie werde ich mit allen Heraus­forderungen zurecht­kommen? Wieder ein anderer fragt: Werde ich glücklich sein? Oder: Wird Gott mit mir zufrieden sein? Vielleicht ist mancher mit solchen Fragen in den ersten Gottesdienst dieses Jahres gekommen und erhofft sich einen guten Rat für seinen Lebensweg in den nächsten 365 Tagen.

Das bringt mich in eine Verlegenheit – eine Verlegen­heit, die man als Prediger öfters erlebt. Man möchte ja nicht nur allgemein Richtiges und Gutes aus Gottes Wort weitergeben, sondern man möchte allen Predigt­hörern möglichst treffend etwas für ihr gegen­wärtiges Leben mitgeben, für ihren Alltag. Die Verlegenheit besteht darin, dass Predigthörer verschieden sind und vor ver­schiedenen Heraus­forderungen stehen. Da gibt es Junge und Alte, Gesunde und Kranke, Familien und Einsame, Gestresste und Gelang­weilte, Lebens­lustige und Verbitterte, Bauch­menschen und Kopfmenschen sowie noch viele andere mehr. Wie soll ich als Prediger da einen guten Rat finden, mit dem alle etwas anfangen können? Ich könnte natürlich zwölf Teile machen und in jedem Teil eine Personen­gruppe besonders ansprechen, aber dann würde die Predigt wahr­scheinlich ausufern. Oder ich könnte mich auf ein paar nichts­sagende Allgemein­plätze beschränken, aber das wäre für alle unbefriedigend.

Ich kann es aber auch so machen wie der Apostel Paulus in seinen Briefen: Er gibt den Christen immer wieder so grundlegende Ratschläge, dass sie selbst­ständig von ihnen ableiten können, was in ihrer jeweiligen Lebens­situation zu tun ist. Die beiden Verse aus dem Kolosser­brief sind dafür ein gutes Beispiel: „Wie ihr nun den Herrn Christus Jesus angenommen habt, so lebt auch in ihm und seid in ihm verwurzelt und gegründet und fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid, und seid reichlich dankbar.“ Diesen Rat – oder eigentlich: diese drei Ratschläge – möchte ich euch jetzt mit ein paar erklärenden Worten einfach weitergeben.

Wisst ihr, was Funda­mentalisten sind? Meistens bezeichnet man damit Leute, die stur und fanatisch auf bestimmten religiösen oder politischen Prinzipien beharren und dabei nicht bereit sind, Kompromisse einzugehen. Manche nennen sie auch „Fundis“. Da gibt es zum Beispiel grüne „Fundis“, denen das Überleben von Kröten wichtiger ist als das Überleben ungeborener Kinder. Oder da gibt es funda­mentalisti­sche Muslime, denen ist die Ehre Mohammeds wichtiger ist als das Leben eines in ihren Augen „Un­gläubigen“. Auch manche Christen werden Funda­mentalisten genannt, wenn sie nämlich die Aussagen der Bibel in jedem Fall für glaub­würdiger halten als die Wissenschaft oder den sogenannten „gesunden Menschen­verstand“. Das Gegenstück zum „Fundi“ ist der Realist, auch „Realo“ genannt. Die Realos wollen im praktischen Leben vorankommen. Ihre Prinzipien sind ihnen nicht sehr wichtig und erst recht nicht heilig – wenn sie denn überhaupt welche haben. Realisten sind stets zu Kompromissen bereit. Auch achten sie darauf, dass ihre Meinung anderen Leuten einleuchtet und dass ihre Vorschläge mehrheits­fähig sind. Kein Wunder, dass Realos einen besseren Ruf haben als Fundis.

Die Frage ist nun, was ich euch im Blick auf das neue Jahr raten soll: Werdet Funda­mentalisten? Werdet Realisten? Einerseits ist die Bibel für Christen ja wirklich fundamental wichtig, andererseits kommt man als Realo leichter durchs Leben und kann vielleicht mehr in Bewegung setzen. Hören wir auf den Kolosser­brief, hören wir auf den Apostel Paulus, hören wir auf Gott: „Wie ihr nun den Herrn Christus Jesus angenommen habt, so lebt auch in ihm“, lautet der erste Rat. Dieser wunderbare Satz zeigt uns, dass wir beides sein sollen, sowohl Fundis als auch Realos. Das muss nämlich überhaupt kein Gegensatz sein. Das Fundament ist dabei allerdings nicht irgendein religiöses oder philo­sophisches Prinzip, sondern eine Person: Jesus Christus, der Menschensohn und Gottessohn. Den haben wir im Glauben angenommen, weil er zuvor uns angenommen hat in seiner großen Liebe, und hat uns zu Gottes Kindern gemacht. Nun sind wir mit Jesus verbunden; seine Erlösung ist die Grundlage unseres Lebens. An anderer Stelle hat Paulus es so ausgedrückt: „Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus“ (1. Kor. 3,11). Verbunden sind wir mit ihm durch den Heiligen Geist und durch die Heilige Schrift. In der Bibel spricht nämlich Christus selbst durch seine bevoll­mächtigten Boten, die Apostel und Propheten. Darum kann das christliche Fundament auch beschrieben werden als „Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist“ (Eph. 2,20). Wer ein Christ sein will, darf von diesem Fundament nicht abweichen; da kann es keine Kompromisse geben. Insofern rate ich euch: Seid und bleibt Funda­mentalisten – aber nicht solche, die stur auf dem toten Fundament irgend­welcher Prinzipien stehen, sondern die auf dem lebendigen Fundament Jesus Christus stehen und seines Wortes in der Bibel. Gerade weil dieses Fundament lebendig ist, also weil Christus lebt und durch seinen Geist unter uns wirkt, können wir uns ganz realistisch in das heutige Leben einfügen und konkret auf die vor uns liegenden 365 Tage einstellen. Wichtig ist dabei nur, dass wir beides nicht auseinander­reißen: das Fundament Christus und die Bibel einerseits von unserer heutigen Lebens­wirklichkeit anderer­seits. Genau das meint die Auf­forderung: „Wie ihr nun den Herrn Christus Jesus angenommen habt, so lebt auch in ihm.“ Also: Macht Ernst damit, dass ihr auf diesem wunderbaren Fundament steht, und bringt das Tag für Tag in euer Leben ein! Lebt so liebevoll und wahrhaftig, wie Jesus es euch vorgelebt hat! Überlegt euch, was Jesus tun würde, wenn er an eurer Stelle wäre – wenn er eure Ent­scheidungen zu treffen und eure Konflikte zu bewältigen hätte! Ganz egal wie verschieden wir sind und wie verschieden unser Leben auch aussehen mag, dieser Rat gilt immer.

Allerdings kann man ihn nur dann umsetzen, wenn man Jesus und seine Liebe gut kennt. Das Kennenlernen aber ist mit dem Tauf‑ oder Konfirmanden­unterricht keineswegs ab­geschlossen, sondern soll das ganze Leben lang weitergehen. Darum ergibt sich aus dem ersten Rat der zweite: Nutzt dieses frisch angebrochene Jahr, um Jesus noch besser kennen­zulernen! Ich rate euch mit Paulus und mit Gott: „Seid in Christus verwurzelt und gegründet und fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid.“ Mit anderen Worten: Wir sollen auf diesem Fundament nicht nur einfach stehen, sondern wir sollen da Wurzeln schlagen, sollen diesen lebendigen Boden durchdringen mit feinen Wurzel­härchen, die immer kräftiger werden und sich immer weiter ausbreiten. Das geschieht, wenn wir fleißig in der Bibel lesen, tägliche Andachten halten, treu den Sonntags­gottesdienst besuchen, uns mit anderen Christen austauschen, kurz: „Gottes Wort gerne hören und lernen“, wie Luther es in der Erklärung zum 3. Gebot ausgedrückt hat. Denn der Glaube ist nicht ein unbestimmtes Gefühl oder eine religiöse Entschlossen­heit, sondern er ist „Erkenntnis der Wahrheit“, wie es in der Bibel heißt. Die Wahrheit in Person aber ist Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift begegnet. Er begegnet uns dort einerseits als Lehrer von Gottes Geboten, und wir tun gut daran zu durchdenken, was diese Gebote für uns bedeuten. Das ist in unserer Zeit besonders wichtig, weil es im öffentlichen Leben nur noch wenige gute Vorbilder dafür gibt und weil die allgemein vor­herrschende Meinung sich immer mehr von Gottes Geboten entfernt. Wenn du genau wissen willst, wie Jesus die Gebote für seine Jünger und ihren Alltag ausgelegt hat, dann lies die Bergpredigt im Matthäus-Evangelium in den Kapiteln fünf, sechs und sieben. Vor allen Dingen aber begegnet uns Jesus im Evangelium als Heiland und Seligmacher. So groß war seine Liebe, dass er auch vor dem Tod am Kreuz nicht zurück­schreckte, und so groß ist seine Macht, dass er auferstanden ist von den Toten und zur Rechten des himmlischen Vaters regiert. Höre das immer wieder, bekenne es, durchdenke es, bete darüber, vertraue darauf! Dann wird dein Leben vom Gottessohn geprägt sein bis in jede Stunde deines Alltags hinein.

Schließlich noch der dritte Ratschlag: „Seid reichlich dankbar.“ Es gibt keinen Paulusbrief im Neuen Testament, wo nicht etwas über das Danken steht. Die Dankbarkeit ist nämlich eine ganz wichtige Grund­einstellung im Christen­leben. Dankbar sein kann jeder, egal, wo er gerade steht und wie Gott ihn führt. Manchmal neigen wir eher zum Jammern oder zum Neiden als zum Danken. Falls das dein Problem ist, dann betrachte die Sache doch mal andersherum: Denke nicht traurig daran, was andere haben und du nicht, sondern denke daran, worum andere dich beneiden könnten. Wenn zum Beispiel ein Berufs­tätiger Stress hat, kann er dabei dankbar sein, dass er nicht arbeitslos ist. Wenn andererseits einer, der nicht berufstätig ist, über Langeweile klagt oder über zu wenig Geld, kann er doch wenigstens dafür danken, dass er keinen Stress hat. In dieser Weise wird jeder in seiner Situation eine ganze Menge Dinge finden, für die er dankbar sein kann. Solche Dankbarkeit sollte sich wie ein roter Faden durch das neue Jahr ziehen, egal, was es bringt. Man könnte auch sagen: Wie ein Ostinato. Wisst ihr, was ein Ostinato ist? In der Musik bezeichnet „Ostinato“ ein ständig wieder­kehrendes Grundthema, das alle anderen Teile der Melodie begleitet. Darum empfehle ich, darum empfiehlt Paulus, darum empfiehlt Gott: „Seid reichlich dankbar!“ Reichlich – am besten täglich: mit Lobliedern, mit Dankgebeten und natürlich auch mit liebevoller Zuwendung zum Mitmenschen.

Kurz, das sind mit Paulus meine drei Ratschläge für jeden Christen zum neuen Jahr: Steht auf dem Fundament Jesus Christus und seinem Wort, lasst das euren Alltag bestimmen! Lernt Jesus durch die Bibel immer besser kennen, damit ihr in ihm fest verwurzelt seid! Und schließlich: Seid reichlich dankbar! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2017.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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