Bruderliebe, Keuschheit und Genügsamkeit

Predigt über Hebräer 13,1-6 zum 7. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Am vergangenen Sonntag ging es im Gottesdienst um die Taufe. Die Epistel aus dem Römerbrief führte uns vor Augen, dass wir in der Taufe mit Christus gestorben und auferstanden sind. Wir hörten: Unsere Sünde kann uns nicht mehr von Gott trennen, denn Christus hat sie am Kreuz gesühnt; der Heilige Geist aber erweckt uns zu einem Leben zur Ehre Gottes. Der Abschnitt aus dem Hebräer­brief, den wir eben gehört haben, zeigt uns an einigen Beispielen, wie dieses neue Leben zur Ehre Gottes aussehen soll. Es geht hier nicht um Patent­rezepte, sondern um eine grund­sätzliche Orientie­rung, und zwar in drei Bereichen: Bruderliebe, Keuschheit und Genügsam­keit.

Erstens: die Bruderliebe. Eine große Stadt in den USA heißt Philadel­phia; das ist das griechische Wort für Bruderliebe. Die Gründer dieser Stadt wollten, dass alle Bürger einander respek­tieren, helfen und beistehen. Wer die Bibel kennt, der weiß natürlich, dass die Schwester­liebe mit der Bruderliebe mitgemeint ist. Männer und Frauen sollen so zusammen­halten und füreinander einstehen wie Geschwister einer intakten Familie. Das ist nicht selbst­verständ­lich, und das ist auch nicht immer leicht. Manche Zeitgenossen können mit ihrem un­geschickten Verhalten die Bruderliebe auf eine harte Probe stellen. Sie wird das nur dann aushalten, wenn sie stabil ist – fest gegründet auf der Liebe, die Gott seinerseits an uns erwiesen hat durch seine Sohn Jesus Christus. Darum ermuntert uns Gottes Wort hier: „Bleibt fest in der brüderlichen Liebe.“

Dann werden zwei Beispiele für die Bruderliebe angeführt. Da ist zunächst die Gast­freund­schaft. Da heißt es: „Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt.“ Das erinnert an Abraham, der einmal drei fremde Männer äußerst großzügig bewirtete, ohne zu wissen, dass es Engel waren. Die Gast­freundschaft war in biblischen Zeiten besonders wichtig, weil Reisende oft tagelang zu Fuß unterwegs waren und weil es in vielen Orten keine Hotels gab. Die Reisenden waren darauf angewiesen, dass freundliche Mitmenschen ihnen ein Nacht­quartier anboten und sie auch verpflegten. Wenn wir das Beispiel der Gast­freundschaft in unsere Zeit übertragen, dann sollten wir dabei also nicht in erster Linie an Familien­feste mit üppigen Kuchenbergen denken, wiewohl auch die ihr Gutes haben. Wir sollten vielmehr daran denken, wie wir den Fremden und Bedürftigen unter uns mit den lebens­notwendigen Dingen dienen können, die wir haben und sie nicht.

Das andere Beispiel für die Bruderliebe ist das Kümmern um verfolgte Christen. Der Hebräerbrief wurde in einer Zeit heftiger Christen­verfolgung geschrieben; nicht wenige Christen waren im Gefängnis gelandet. Darum heißt es: „Denkt an die Gefangenen, als wärt ihr Mit­gefangene, und an die Miss­handelten, weil ihr auch noch im Leibe lebt.“ Es kann jedem Christen passieren, dass er wegen seines Glaubens verspottet, beschimpft, geschlagen, eingesperrt oder sogar getötet wird. Auch uns hat Jesus nicht versprochen, dass uns das erspart bleibt. Es kann schneller geschehen als wir denken, dass wir in dieselbe Lage kommen wie die Christen in Nordkorea oder in vielen islamischen Staaten. Das Mindeste, was wir für sie tun können, ist beten. Und wir sollten uns im eigenen Land dafür einsetzen, dass aufkeimende Gewalt gegen Christen etwa in Ausländer­heimen nicht geduldet wird. Seien wir nicht gleich­gültig, und tun wir nicht so, als ginge uns das nichts an!

Zweitens: die Keuschheit. Es gibt leider kein besseres Wort als dieses alter­tümliche, um zu benennen, worum es geht. Der Sache nach geht es darum, dass wir mit unserer Sexualität ver­antwortlich umgehen – nämlich so, wie Gott es sich bei der Erschaffung des Menschen gedacht hat. Im eigentlichen Sinne meint Keuschheit also nicht die Verleugnung oder Verteufelung des Geschlechts­triebs, sondern vielmehr einen gott­gefälligen Umgang mit ihm. Der Hebräerbrief drückt das so aus: „Die Ehe soll in Ehren gehalten werden bei allen und das Ehebett unbefleckt; denn die Unzüchtigen und Ehebrecher wird Gott richten.“ Gemeint ist: Das Ausleben der Sexualität gehört nach Gottes Willen aus­schließlich in die eheliche Gemeinschaft von Mann und Frau; alles andere ist Ehebruch oder Unzucht. Weil die Ehe ein Abbild von Gottes Liebe zu uns Menschen darstellt, ist jede Form von Ehebruch und Unzucht zugleich ein Affront gegen Gott selbst und hat sein Strafgericht verdient.

Man hat der Kirche immer wieder vorgeworfen, dass sie die sexuellen Sünden besonders betont, so als seien Neid und Hass und Geiz nicht ebenso schlimme Sünden. Wie dem auch sei – das Problem unserer Gesellschaft besteht heute eher darin, dass sexuelle Sünden zu wenig betont werden, ja, dass viele Leute sogar meinen, erwachsenen Menschen sei jede Form von Sexualität erlaubt, solange sie ein­vernehmlich geschieht. Da gibt es Kontakt­börsen, die ganz offiziell Ehemännern und Ehefrauen Gelegen­heiten zum Seitensprung vermitteln. Da kennen sich ein Mann und eine Frau erst sei ein paar Stunden und gehen schon miteinander ins Bett. Da werden Ehen geschieden, nur weil die Partner keine Lust mehr haben zusammen­zubleiben. Da schickt eine diakonische Einrichtung ihre Behinderten in einen Wochenend­urlaub, in dem ihnen die Dienste von Prostitu­ierten vermittelt werden. Da begegnen uns in der Öffentlich­keit porno­grafische Bilder aller Art. Und da gibt es kaum einen neuen Spielfilm mehr, der nicht verharm­losend den Geschlechts­verkehr un­verheirate­ter Personen zeigt. Wenn wundert es da, dass es keinen zeitgemäßen Ausdruck für Keuschheit gibt, denn sie selbst, die Keuschheit, ist nicht mehr zeitgemäß. Das war übrigens bei den Griechen und Römer zur Zeit des Neuen Testaments nicht anders. Desto mehr sollten wir uns von Gottes Wort mahnen lassen, dass wir uns nicht im Strom der Zeit mittreiben lassen. Lasst uns vielmehr daran festhalten: Wir Christen führen ein keusches Leben, denn wir wissen, dass das Gott gefält.

Drittens: die Genügsam­keit. Im Hebräerbrief heißt es: „Seid nicht geldgierig, und lasst euch genügen an dem, was da ist. Denn der Herr hat gesagt: ‚Ich will dich nicht verlassen und nicht von dir weichen.‘ So können auch wir getrost sagen: ‚Der Herr ist mein Helfer, ich will mich nicht fürchten; was kann mir ein Mensch tun?‘“. Wie bei der Keuschheit müssen wir auch bei der Genügsamkeit aufpassen, dass wir nicht das Kind mit dem Bade ausschütten: Wir sollten Geld und Reichtum nicht pauschal verurteilen und verteufeln. Geld ist durchaus eine gute Sache, mit der man viel Segens­reiches anstellen kann. Vergessen wir auch nicht, dass Gottes Wort den Privatbesitz ausdrücklich schützt, denn es heißt im 7. Gebot: „Du sollst nicht stehlen.“

Es geht bei der Genügsamkeit vielmehr und die richtige Einstellung zum Besitz. Die begründenden Sätze machen klar, dass diese Einstellung direkt mit unserem Glauben zu tun hat. Wenn ich nämlich darauf vertraue, dass Gott mein Helfer ist, dann brauche ich mir um meinen Lebens­unterhalt keine Sorgen zu machen. Ich kann zwar eine vernünftige wirtschaft­liche Vorsorge für Krankheit und Alter treffen, aber ich brauche nicht ängstlich zu versuchen, mich in jeder Hinsicht abzusichern. Ich weiß nämlich: Mein Leben und mein Wohlstand stehen ganz in Gottes Hand. Und das Wichtigste, nämlich das Heil meiner Seele und das ewige Leben, hat er mir in Jesus Christus geschenkt; das kostet mich keinen einzigen Euro. Aus diesem Grund hat Jesus seinen Jüngern ans Herz gelegt, sich nicht um Nahrung und Kleidung zu sorgen. Seht, das ist die rechte Genügsam­keit, und die bringt eine große Gelassen­heit. Wer diese Genügsamkeit und diese Gelassenheit gelernt hat, kann reichlich und fröhlich abgeben – für die Arbeit in Gottes Reich ebenso wie für den bedürftigen Nächsten. Womit sich der Kreis schließt und wir wieder bei der Bruderliebe wären.

„Der Herr ist mein Helfer, ich will mich nicht fürchten“, so zitiert der Hebräerbrief aus dem 118. Psalm. Aus dieser Glaubens­zuversicht entspringen Bruderliebe, Keuschheit und Genügsamkeit sowie alle anderen guten Eigen­schaften, die Christen haben beziehungs­weise haben sollten. Wenn wir aber merken, dass diese Glaubens­früchte bei uns noch sehr unreif sind, dann wollen wir uns auf diesen starken Satz besinnen: „Der Herr ist mein Helfer.“ Ja, er ist der Helfer und Heiland, der unsere Schuld getragen hat und der uns helfen will, dass es besser mit uns werde. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2016.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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