Woran erkennt man den Heiligen Geist?

Predigt über 4. Mose 11,26-30 zum Pfingstmontag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Zu Pfingsten ist der Heilige Geist die Hauptperson. Jawohl, er ist wirklich eine Person, neben Vater und Sohn die dritte Person der Heiligen Drei­einigkeit. Er trägt Gottes Namen, und in diesem Namen sind wir getauft. Wie der Vater und der Sohn ist der Heilige Geist der eine wahre Gott. Das Besondere an ihm ist, dass er das Göttliche zu uns Menschen bringt. Die Bibel nennt diesen Vorgang in abgekürzter Redeweise „den Heiligen Geist empfangen“ oder „mit dem Heiligen Geist erfüllt werden“. Das bedeutet: Gottes Geist wirkt an den Menschen, in den Menschen und durch die Menschen. Dieses Wirken hat zur Folge, dass diese Menschen dann besondere Fähigkeiten empfangen oder ein besonderes Verhalten zeigen. Man spricht dabei von den Gaben des Geistes.

Wir wollen jetzt der Frage nachgehen: Kann man diese Gaben des Geistes erkennen, kann man sie hören und sehen? Kann man es einem Menschen also anmerken, dass er den Heiligen Geist empfangen hat? Und wenn ja, an welchen äußeren Zeichen kann man das merken?

Die Frage wäre schnell beantwortet, wenn alle, die den Geist empfangen haben, eine grüne Nase hätten. Dann würde man sofort jedem Menchen an der Nasenspitze ansehen, ob er den Geist hat oder nicht. Ähnlich wäre es, wenn alle Menschen mit Heiligem Geist eine Flamme über dem Kopf hätten wie die Apostel beim ersten Pfingstfest, oder auch einen Heiligen­schein. Aber das mit der Flamme war damals ein einzig­artiges Wunder, und das mit dem Heiligen­schein ist eine Symbol christlicher Künstler, die etwas bildlich darstellen wollen, was eigentlich unsichtbar ist.

Trotzdem kann man es merken, wenn Menschen den Heiligen Geist empfangen haben – allerdings nicht an einem einzigen Zeichen, sondern auf ganz verschiedene Weise. So verschieden wie die Gaben des Geistes sind nämlich auch die sichtbaren Auswirkungen dieser Gaben. Ich nenne mal ein paar Beispiele aus der Bibel. Dem Josef gab der Heilige Geist die Gabe der Traum­deutung, da konnte er mehreren Leuten die Bedeutung ihrer Träume sagen. Dem Bezalel gab der Heilige Geist kunst­handwerk­liches Geschick, da konnte er den Bau der Stitshütte leiten. Dem Simson gab der Heilige Geist gewaltige körperlich Kraft, da konnte er mit bloßen Händen eine Löwen besiegen. Dem David gab der Heilige Geist die Fähigkeit, ein guter König zu sein. Den Propheten legte der Heilige Geist Gottes Worte in den Mund. Und den siebzig Ältesten zur Zeit des Mose gab der Heilige Geist die Gabe der Leitung, die vorher nur Mose selbst empfangen hatten. Auch diese Gabe wurde nach außen sichtbar: Die Ältesten gerieten in „Verzückung“ so heißt es. Was ist denn das, eine „Ver­zückung“? Lasst uns zur Beantwortung dieser Frage die ganze Geschichte im Zusammenhang betrachten!

Es ist eine merkwürdige Geschichte. Sie ereignete sich zu der Zeit, als das Volk Israel unter Moses Leitung in der Wüste unterwegs war. Die Israeliten jammerten andauernd wegen der schlechten Versorgungs­lage. Das Manna, das Gott ihnen täglich gab, machte sie zwar satt, aber sie wollten endlich mal wieder Fleisch essen. Mose ging dieses Gejammere so sehr auf die Nerven, dass diese bald blank lagen; er stand kurz vor dem Burnout. Im Gebet klagte er Gott sein Leid und teilte ihm mit, dass ihm die Leitungs­verantwor­tung für dieses störrische Volk zu schwer ist. Daraufhin versprach Gott Mose Entlastung: Mose braucht nicht mehr allein das Volk zu führen, sondern die Leitungs­verantwor­tung soll künftig auf mehrere Schultern verteilt werden. So wie Mose bereits schon vorher bei der Recht­sprechung entlastet worden war, sollte es nun auch bei allen anderen Führungs­aufgaben sein. Gesagt, getan. Zunächst wurde nach Gottes Anweisung eine Liste mit den Namen von siebzig ehrenwerten Männern zusammen­gestellt. Diese sogenannten siebzig Ältesten wurden dann zu einem bestimmten Termin zum Heiligtum bestellt, zur Stiftshütte. Dort sollten sie dieselbe Geistesgabe empfangen, die Mose hatte. Das Alte Testament redet einfach vom „Geist, der auf ihm war“, aber das Neue Testament hat einen Namen für diese Gabe: Der Apostel Paulus nannte sie Kybernese beziehungs­weise die Gabe zu leiten. Achtund­sechzig der Kandidaten fanden sich pünktlich bei der Stiftshütte ein und empfingen den Heiligen Geist, vermutlich unter Gebet und Hand­auflegung. Damit aber alle Anwesenden sicher sein konnten, dass sie nun wirklich zur Mit-Leitung des Volks befugt und befähigt waren, machte sich der Geist mit einem besonderen äußeren Zeichen bemerkbar: „Sie gerieten in Verzückung wie Propheten und hörten nicht auf“, heißt es. Statt „Verzückung“ können wir auch „Ekstase“ sagen. Das bedeutet: Die Männer waren plötzlich wie verwandelt; sie benahmen sich wie andere Menschen. Sie riefen göttliche Botschaften wie Propheten; vielleicht sangen sie auch, und vielleicht tanzten sie sogar dabei. Jedenfalls konnte alle Anwesenden feststellen, dass Gottes Geist diese 68 Männer verändert hatte und sie nun wie Mose zur Leitung des Volkes befugt und befähigt waren.

Moment! Standen nicht eigentlich 70 Namen auf der Liste? Was war denn mit den beiden anderen? Zwei fehlten bei der Stiftshütte, und von denen handelt unser Predigttext. Sie hießen Eldad und Medad. Wir erfahren nicht, warum sie nicht zur Stiftshütte gekommen waren. Vielleicht war Moses Aufruf nicht zu ihnen durch­gedrungen, vielleicht hatten sie verschlafen, vielleicht waren sie anderweitig verhindert. Wir dürfen aber annehmen, dass sie den Geist und das Amt, das sie erwartete, nicht verachteten, denn sonst wäre die Geschichte anders ausgegangen. Während die 68 anderen bei der Stiftshütte in Verzückung waren, geschah es nun, dass ein junger Mann angerannt kam und Mose mitteilte: „Ich weiß, wo Eldad und Medad sind, ich habe sie gesehen. Sie sind noch bei den Wohnzelten. Aber stellt euch vor: Sie sind auch in Verzückung, sie sind vom Heiligen Geist genauso verwandelt wie die anderen!“ Josua, Moses engster Vertrauter, machte ein finsteres Gesicht und sagte: „Mose, mein Herr, wehre ihnen!“ Es passte Josua nicht, dass Leute außerhalb des heiligen Bereichs ekstatisch Gott lobten. Er konnte sich nicht vorstellen, dass der Heilige Geist im Lager über jemanden kommt, also mitten ihn der Alltags­umgebung. Aber wir wissen: Gott macht häufig etwas anders, als wir es erwarten. Mose wusste das, und deshalb widersprach er Josua. Er sagte: „Eiferst du um meinet­willen?“ Mose kannte Josuas jugendlichen Eifer, aber in diesem Fall war der fehl am Platz. Josua sollte nicht denken, dass es Mose irgendwie helfen würde, wenn die zwei säumigen Kandidaten mit Gewalt aus ihrer Ekstase gerissen würden. Schließlich standen sie auf der Liste mit den siebzig Namen und gehörten demzufolge zu den Leuten, denen Gott seinen Geist vesprochen hatte. Selbst wenn sie etwas schlafmützig waren: Gott wollte sie Mose zur Seite stellen, und der Heilige Geist wollte sie beschenken. Sollte es denn Leute geben, die es von vornherein nicht wert sind, den Heiligen Geist zu empfangen? Nein, die gibt es nicht. So fügte Mose den bemerkens­werten Satz hinzu: „Wollte Gott, dass alle im Volk des Herrn Propheten wären und der Herr seinen Geist über sie kommen ließe!“

Dieser Satz ist deshalb so bemerkens­wert, weil sich Moses Wunsch zu Pfingsten erfüllt hat: „Wollte Gott, dass alle im Volk des Herrn Propheten wären und der Herr seinen Geist über sie kommen ließe!“ Den Heiligen Geist gab es auch schon vor Pfingsten, und er hat auch schon vor Pfingsten von vielen Menschen Besitz ergriffen. Aber erst zu Pfingsten wurde er im wahrsten Sinne des Wortes „aus­gegossen“ nach dem Gießkannen-Prinzip; er kam über alle Menschen in Gottes Volk: über Männer und Frauen, über Alte und Junge, über Einheimische und Ausländer. Auf diese Weise erfüllte sich die Weissagung, die Gott dem Propheten Joel in den Mund gelegt hatte: „Und nach diesem will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch, und eure Söhne und Töchter sollen weissagen, eure Alten sollen Träume haben, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen“ (Joel 3,1). Von dieser Weissagung bezeugte der Apostel Petrus aus­drücklich, dass sie sich zu Pfingsten erfüllte. Und, wie gesagt, zugleich erfüllte sich damit Moses Wunsch: „Wollte Gott, dass alle im Volk des Herrn Propheten wären und der Herr seinen Geist über sie kommen ließe!“

Weil das so ist, dürfen auch wir gewiss sein, dass wir Gottes Geist empfangen haben. Seit Pfingsten ist er keine exklusive Gabe mehr für Priester oder besonders heilige Leute oder Menschen, die auf irgend­welchen Listen stehen. Nein, der Heilige Geist kommt über alle, die im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft werden. Alle empfangen den Heiligen Geist, und wer ihn nicht wieder hinauswirft aus seinem Leben, der bleibt unter seinem Einfluss.

Ich komme nun zu der Eingangs­frage zurück: Kann man die Gaben des Geistes erkennen, kann man sie hören und sehen? Kann man es einem Menschen anmerken, dass er den Heiligen Geist empfangen hat? Und wenn ja, an welchen äußeren Zeichen kann man das merken? Der Heilige Geist zeigt sich bei uns ja nicht mit Heiligen­scheinen, Feuerflammen oder grünen Nasen. Meistens zeigt er sich auch nicht in Traum­deutung, kunst­handwerk­lichem Geschick, gewaltiger körperlicher Kraft oder politischen Führungs­qualitäten. Auch die Ekstase ist nicht allen von uns gegeben, das vollmächtige Zeugnis mit aus­gelassenem Lobpreis. Aber doch wird jeder Christ auf die eine oder andere Weise bekennen, dass Jesus sein Herr ist. Und der Apostel Paulus schreibt: „Niemand kann Jesus den Herrn nennen außer durch den Heiligen Geist“ (1. Kor. 12,3). Jeder Christ wird auch Nächsten­liebe üben, also ohne Hinter­gedanken und Eigennutz den Mitmenschen Gutes tun. Selbst wenn diese Nächsten­liebe nicht vollkommen ist, sondern manchmal geradezu kümmerlich, so ist sie doch auch dann noch ein Kennzeichen des Heiligen Geistes. Und dann gibt es noch viele andere Kennzeichen, dass der Heilige Geist uns mit seinen Gaben ausrüstet. Die Bibel nennt unter anderem Folgendes als „Frucht des Geistes“: „Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlich­keit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit, Gerechtig­keit, Wahrheit“ (Gal. 5,22; Eph. 5,9).

Gebe Gott, dass sich die Gaben des Geistes bei uns nicht nur in der Kirche auswirken und nicht nur bei christlichen Zussammen­künften, sondern auch „im Lager“ beziehungs­weise bei den „Wohn­zelten“, also im Alltags­leben. Und gebe Gott, dass wir diese Gaben dankbar wahrnehmen und annehmen – selbst wenn sie von mancherlei Schlaf­mützigkeit und anderen Anfechtungen überschattet sind. Denn diese Gaben machen uns gewiss, dass wir in Zeit und Ewigkeit zu Jesus gehören, dem Herrn, der uns erlöst und mit seinem himmlischen Vater versöhnt hat. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2016.

Autor: Pastor Matthias Krieser

SOLI DEO GLORIA!

PREDIGTKASTEN

►  Startseite

►  Impressum