Die Mutter aller Mütter

Predigt über 1. Mose 3,20 zum Sonntag Exaudi und zum Muttertag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Es kam eine Zeit, da merkte der Mann, dass sich der Körper seiner Frau veränderte: Er wurde runder und weicher. Auch lag ein besonderer Glanz auf ihrem Gesicht; ihre Augen strahlten mehr als früher. Am deutlichsten aber war die Veränderung an ihrem Bauch zu sehen: Er wurde rund wie eine Halbkugel. Eines Tages nahm die Frau die Hand ihres Mannes und legte sie auf ihren Bauch. Da konnte er fühlen, dass sich darin etwas bewegte: Ein kleiner Mensch strampelte da, ein neues Leben. Vielleicht war das der Tag, an dem Adam seine Frau „Eva“ nannte: „Eva“, „Hawwa“, „Lebens­geberin“. Sie wurde die Mütter aller Mütter. Auch unsere Mütter gehören zu ihren Kindes­kindern, und so auch wir selbst und all die vielen Milliarden Menschen auf der Welt. Durch Eva sind wir alle verwandt, durch Eva sind wir eine einzige große Menschheits­familie.

Ich erinnere mit dieser Predigt an die Mutter aller Mütter, weil heute weltweit der Muttertag gefeiert wird. Er entstand vor gut hundert Jahren in einer US-ameri­kanischen Kirchen­gemeinde, wo man jährlich am zweiten Mai-Sonntag mit einer Andacht aller Mütter gedachte. Nun ist das ja mit solchen weltweiten Gedenktagen so eine Sache; sie werden oft für wirtschaft­liche oder politische Interessen instru­mentali­siert. Und in gewisser Konkurrenz zum Muttertag steht der Inter­nationale Frauentag am 8. März; übrigens liegen auch seine Wurzeln in den USA. Gegenwärtig erleben wir fast eine Inflation von Welt‑ und Gedenktagen. So begeht man heute, am 8. Mai, nicht nur den Muttertag, sondern auch den Gedenktag an das Ende des Zweiten Weltkriegs und darüber hinaus den Welt­rotkreuztag. Wer will, kann morgen gleich weiter­feiern: Der 9. Mai gilt als Europatag, als Weltvogeltag und – man höre und staune! – auch als Welttag der verlorenen Socke, wo aller Sockenpaare gedacht wird, die beim Waschen dauerhaft voneinander getrennt wurden.

Egal ob man den Muttertag mag oder nicht und ob man ihn irgendwie begeht oder nicht: Die Würde des Mutter­standes und das Ehren der Mütter hat seinen besonderen Wert – mehr Wert jedenfalls als die Anlässe der anderen Welttage. Denn Gott selbst hat mit der ersten Frau zugleich die erste Mutter geschaffen, und er hat sich mit dem Mutterleib eine immer­währende Schöpfungs­werkstatt ein­gerichtet. Ein Psalmdichter betete: „Du hast meine Nieren bereitet und hast mich gebildet im Mutterleibe“ (Ps. 139,13). Mütter sind lebens­notwendig; sie sind allesamt im wahrsten Sinne des Wortes „Evas“, nämlich „Lebens­geberinnen“. Auch für die ersten Monate und Jahre nach der Geburt ist die Mutter eine einzigartig wichtige Bezugs­person: Sie nährt und pflegt ihre Kinder, sie beschützt und erzieht sie. Für die meisten bleibt sie darüber hinaus das ganze Leben lang eine wichtige Bezugs­person, oft als Trösterin und Beraterin.

Ich weiß, es ist nicht unbedingt zeitgemäß, das Loblieb der Mutter zu singen. Heute sind eher die Frauen angesehen, die ihre Mutter-Aufgaben mithilfe von Kitas oder Verwandten nebenher erledigen und es gleichzeitig schaffen, eine führende Rolle im Arbeitsleben auszufüllen. Manch einer mag sich durch das Lob der Mütter auch ungut erinnert fühlen an eine Zeit, in der man Mutterkreuze verteilte. Aber wenn böse Menschen etwas Gutes loben, dann wird das Gute dadurch nicht automatisch böse. So sollte niemand den von Gott geschaffenen Mutterstand verachten, nur weil die Nazis ihn für ihre Propaganda­zwecke miss­brauchten. Wie immer tun wir gut daran, uns einfach von Gottes Wort leiten zu lassen. In den ersten Kapiteln der Bibel wird die Mutterschaft als Segen beschrieben und Eva als Mutter aller Lebenden geehrt. Im vierten Gebot trägt Gott jedem auf: „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren“ – ausdrücklich auch deine Mutter, die dich monatelang unter ihrem Herzen getragen und dich dann buchstäblich die ersten Schritte ins Leben geführt hat. Gute Mütter leisten einen un­schätzbaren Dienst für die Zukunft der Gesell­schaft. Kinder, die mütterliche Liebe und Zuwendung erfahren, bekommen damit ein wertvolles Erbe für ihren ganzen Lebensweg. Kurz: Ich halte das Muttersein für einen der wichtigsten Berufe der Welt.

Es wäre allerdings verkehrt, wenn aus der Wert­schätzung des Mutter­standes ein Mutterkult würde. Ganz bewusst hat man damals in den USA nicht zu einer Ehrenfeier für Mütter eingeladen, sondern zu einem Gottes­dienst. Wenn wir die Mütter für all ihre Liebe und Mühe ehren, dann können wir das nicht tun, ohne zugleich Gott zu danken, der uns unsere Mütter geschenkt und überhaupt den Mutterstand geschaffen hat. Als Adam seine Frau „Eva“ nannte, „Lebens­geberin“, wollte er damit nicht nur seiner Frau eine Freude machen, sondern auch Gott, der ihm diese Frau an die Seite gestellt hatte und der der eigentliche Lebensgeber ist. Lasst uns also den Muttertag richtig begehen – nicht nur als Ehrentag für Mütter, sondern auch als Mutter-Danktag!

Wenn wir Gott für den Mutterstand und für alle Mütter danken, dann hat das noch eine andere, eine tiefere Dimension. Mit der Erschaffung von Eva, der Mutter aller Mütter, hat Gott nämlich etwas von seiner eigenen Liebe zu uns Menschen abgebildet. Mütter lieben ihre Kinder bedingungs­los; sie lieben sie einfach nur deswegen, weil sie ihre Kinder sind. Auch wenn sie ihnen Kummer machen, haben sie sie immer noch lieb. Und sogar wenn sich ein Kind von seiner Mutter ganz abwendet und die Mutterliebe mit Hass vergilt, oder wenn das Kind auf die schiefe Bahn gerät und nichts Vernünftiges zustande bekommt, hört die Mutterliebe nicht auf. Ebenso verhält es sich mit Gottes Liebe zu uns Menschen: Er behält uns ohne Wenn und Aber lieb, auch wenn wir ihm Kummer machen. Und wenn Menschen ihm den Rücken zukehren und nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen, dann wünscht und hofft er, dass sie zu ihm zurück­kehren. Durch den Propheten Jesaja hat Gott gesagt: „Kann auch eine Frau ihr Kindlein vergessen, dass sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie seiner vergäße, so will ich doch deiner nicht vergessen“ (Jesaja 49,15). Ja, Gott hat eine mütterliche Seite, durch Jesus Christus hat er uns diese bedingungs­lose Liebe ganz deutlich offenbar gemacht. Er, unser Lebens­spender, liebt uns so, wie Eva, die Lebens­spenderin, ihre Kinder geliebt hat und wie normaler­weise jede Mutter ihr Kind liebt. Er liebt uns mindestens so sehr, aber eigentlich noch viel mehr. Er hat uns das Leben nicht nur gegeben, sondern er erhält es auch – so wie eine Mutter ihr Kind nährt und pflegt, beschützt und erzieht. Und wenn wir mal Angst haben, traurig sind oder nicht mehr weiter wissen, dann zeigt sich Gottes mütterliche Seite so, wie er es uns mit den Worten der aktuellen Jahreslosung versprochen hat: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“ (Jesaja 66,13). Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2016.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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