Ich komme und will bei dir wohnen

Predigt über Sacharja 2,14-17 zum 1. Weihnachtsfeiertag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Ein Mann sagt zu der Frau, die er liebt: Ich will bei dir wohnen. Er möchte von nun an immer mit seiner Liebsten zusammen sein. „Ich will bei dir wohnen“, das bedeutet: Ich liebe dich. „Ich will bei dir wohnen“, das bedeutet: Willst du mich heiraten? Diese Worte sind Liebes­erklärung und Heirats­antrag in einem: „Ich will bei dir wohnen.“

Wenn die Frau in derselben Stadt wohnt wie der Mann, dann ist das etwas ganz Normales: Sie heiraten und ziehen zusammen (am besten in dieser Reihenfolge, nicht umgekehrt). Wenn die Frau in einer anderen Ecke Deutschlands wohnt, dann gehört schon etwas Mut dazu zu sagen: Ich komme und will bei dir wohnen. Da muss der Mann dann seine Zelte in der alten Heimat abbrechen und sich auf eine neue Umgebung einstellen. Wie wäre es aber, wenn die Frau in Syrien lebte, in diesem zerbombten, aus­gebluteten und zu Tode geängsteten Land? Wie wäre es, wenn der Mann ihr dorthin die Nachricht über­mittelte: Ich komme und will bei dir wohnen? Wie wäre es, wenn er diesen Vorsatz dann auch gegen alle Widrigkeiten wahr machte und wirklich von Deutschland nach Syrien zöge – gegen den Strom der vielen tausenden, die verzweifelt aus dem Kriegs-Chaos nach Deutschland fliehen? Wie wäre es, wenn er seine persönliche Sicherheit und seinen hohen Lebens­standard aufgäbe, nur um seiner Geliebten nahe zu sein und ihr beizustehen in all dem Elend ihres Heimatlands?

Es wäre so wie Weihnachten. Denn zu Weihnachten hat Gott das wahr gemacht, was er zuvor seiner geliebten Menschheit mit eben diesen Worten ankündigen ließ: „Freue dich! Denn siehe, ich komme und will bei dir wohnen.“ In der Heiligen Nacht ist er dann wirklich gekommen, um bei uns zu wohnen. Da meldete Gottes Engel: „Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird. Denn euch ist heute der Heiland geboren.“ (Lukas 2,11)

Gottes eingeborener Sohn kommt aus der Herrlichkeit seines himmlischen Vaterlandes mitten hinein in das Chaos und Krisengebiet unserer Welt. Er trägt dabei keine göttliche Schutzweste, die ihn unverwundbar macht, sondern er setzt sich dem Elend und den Gefahren unserer armen Erde schonungslos aus. So wie Kinder in Katastrophen­gebieten kein festes Dach über dem Kopf haben, sondern in armseligen Not­quartieren hausen müssen, so ruht Gottes Sohn in der Not­unterkunft eines Stalles, und sein Bett ist ein Behälter für Viehfutter. Und so wie Kinder in Kriegs­gebieten täglich in Lebensgefahr sind und oft nur mit einer abenteuer­lichen Flucht gerettet werden können, so trachtete man dem göttlichen Säugling nach dem Leben; nur die Flucht nach Ägypten rettete ihn. Er wollte es nicht anders, denn er wollte um jedem Preis bei uns Menschen sein, um uns zu helfen und um uns zu erlösen.

Der da kommt und bei seiner Geliebten wohnt, hat viele Namen. Jesus heißt er, und Christus, und Heiland, und Immanuel, „Gott mit uns“. Herr Zebaoth heißt er, und Gott, und All­mächtiger, und Schöpfer. Auch die Geliebte hat viele Namen. Tochter Zion heißt sie, und Jerusalem, und Juda, und Gottes Volk, und sein Erbteil, und heiliges Land. Aber bereits die alten Propheten haben keinen Zweifel daran gelassen, dass es hier nicht nur um die leiblichen Nachkommen Jakobs geht, sondern um die Menschen aller Völker. Sacharja prophezeite: „Es sollen zu der Zeit viele Völker sich zum Herrn wenden und sollen mein Volk sein.“ – Und der Weihnachts­engel sagte: „Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird!“

Gott erklärt allen Menschen seine Liebe, verspricht uns seine Treue, kommt in das Elend unserer sünden­verseuchten Welt, wohnt bei uns, leidet mit uns, stirbt für uns und erlöst uns auf diese Weise. Diese Opfer­bereit­schaft, dieses scheinbare Unterliegen ist seine Art; daran erkennen wir ihn. Er herrscht nicht so, wie die Mächtigen dieser Welt herrschen wollen: mit Geld, mit Waffen oder mit Wissen­schaft. Nein, Gott herrscht mit Liebe und Sanftmut, und so erlöst er die Menschheit und erwirbt sich auf diese Weise ein geliebtes Volk, sein Eigentums­volk.

Und wir? Wir sollten es einfach geschehen lassen. Wir sollten uns einfach beschenken lassen mit der Weihnachts­freude, die die wahre Weihnachts­freude ist. Wir sollten keinen Einspruch erheben, wenn er sagt: „Ich komme und will bei dir wohnen.“ Und wir sollten uns nicht abwenden, wenn er das dann auch wirklich tut. So möchte er es ja, unser Herr: dass wir uns ohne Widerrede, ohne Wenn und Aber von ihm beschenken lassen. Darum heißt es am Ende von Scharjas Prophe­zeiung: „Alles Fleisch sei stille vor dem Herrn; denn er hat sich aufgemacht von seiner heiligen Stätte.“ Wer in dieser Weise still hält und Gott an sich handeln lässt, der gehört zu seinem Volk, der darf sich Gottes Braut und Geliebte nennen.

Solches Stillhalten und Gott-machen-Lassen ist kein Zeichen von Schwäche, im Gegenteil. Der Prophet Jesaja hat gesagt: „Durch Stillesein und Hoffen seid ihr stark“ (Jesaja 30,15). Es ist die Stärke des Glaubens, denn der Glaubende weiß: Gott hat mich lieb, Gott ist bei mir, Gott wohnt bei mir im Krisengebiet dieser Zeit und Welt; er lässt mich nicht im Stich. Und wenn die Zeit kommt zu fliehen, dann wird er bei mir sein und mich in ein besseres Land bringen, das beste, das es gibt: seine himmlische Heimat. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2015.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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