Gottes Wort und Gottes Wegbereiter

Predigt über Jesaja 40,6-11 zum 3. Advent

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Die Regierung eines Landes möchte sich für ein paar Tage zu einer Klausur­tagung zurück­ziehen. Sie wählt sich dazu ein kleines vornehmes Hotel. Als der Hotel­direktor eine ent­sprechende Anfrage bekommt, sagt er natürlich zu. Er ist stolz darauf, dass die Regierenden seine Gäste sein wollen, und er weiß auch, dass dies dem Ansehen seines Hauses nützen wird. Ein paar Tage vor dem vereinbarten Termin hält ein Kleinbus vor dem Hotel, und einige seriös gekleidete Damen und Herren steigen aus. Sie teilen dem Portier mit, dass sie Regierungs­beauftragte sind, und zeigen ihm ihre Ausweise. Die Delegation möchte alles für die Klausur­tagung vorbereiten. Der Portier aber sagt ihnen, dass sie wieder nach Hause fahren sollen, sie seien hier nicht erwünscht. Die Abgesandten der Regierung verlangen, den Direktor zu sprechen. Der kommt – und bestätigt die Worte des Portiers: Ja, die Regierungs­mitarbeiter sollen wieder gehen. Die beteuern: Wir sind wirklich von der Regierung geschickt worden; wir haben uns ausgewiesen; man kann gern telefonisch nachfragen. Aber Direktor und Portier bleiben un­erbittlich: Die Regierenden selbst seien willkommen, aber das Vor­bereitungs­team ist unerwünscht.

Diese Geschichte ist so un­wahrschein­lich, dass sie wohl nie passieren wird; sie ist natürlich ausgedacht. So dumm kann doch kein Portier und erst rech kein Hotel­direktor sein, dass sie dem Vorbereitungs­team prominenten Gäste das Haus verbieten. Wenn wir die Geschichte allerdings als Gleichnis betrachten, dann ist sie gar nicht mehr so un­wahrschein­lich. Wie wäre denn dieses Gleichnis zu deuten? Gott ist die Regierung, die uns Menschen mit ihrem Besuch beehren will. Da gibt es nun Menschen, die sagen: Gott selbst ist uns willkommen, aber sein Vorbereitungs­team möchten wir nicht bei uns haben – seine Wegbereiter, die Propheten und Apostel, die uns Gottes Wort verkündigen und damit Gottes Kommen vorbereiten wollen. Ja, so ist das bei vielen: Sie wollen Gott in ihrem Leben haben, aber Gottes Wort wollen sie nicht hören.

Der heutige Advents­sonntag handelt von Gottes Weg­bereitern, besonders von Johannes dem Täufer. Durch diese Wegbereiter wollte Gott nicht nur in alten Zeiten sein Kommen vorbereiten, sondern durch sie will er auch heute uns bereiten, damit er in unsere Herzen einziehen kann. Lasst uns nun klüger sein als der Portier und der Hotel­direktor in dem Gleichnis. Lasst uns Gottes Boten und Gottes Wort bereitwillig aufnehmen, damit bei uns alles so wird, wie es Gott gefällt.

Um Gottes Boten und Gottes Wort geht es in dem Abschnitt aus dem Propheten­buch Jesaja, den wir als Predigttext gehört haben. Die Sätze sind nicht leicht zu verstehen, wie überhaupt die Worte der alten Propheten uns Mühe bereiten können. Ich fange mal in der Mitte des Abschnitts an mit dem Satz: „Das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.“ Gottes Wort ist kein ver­gängliches Gerede wie die meisten Menschen­worte, sondern es hat ewige Gültigkeit. Wenn wir uns das bewusst machen, dann können wir gar nicht anders, dann müssen wir es als wertvoll und wichtig erachten; wir sollten es ernster nehmen als alle anderen Botschaften, die schriftlich oder mündlich zu uns kommen. Dass es ewiglich bleibt, bedeutet aber auch, dass es dauerhaft in Erfüllung gehen wird: Das ewige Leben im Himmel ist nichts anderes als Gottes großes Ja und Amen zu all dem Wunderbaren, was er uns hier schon durch seine Boten verheißt.

Vor und hinter diesem bedeutsamen Mittelsatz stehen zwei Auf­forderungen, dass man Gottes Wort weitersagen soll. Sie sind merkwürdig gegen­sätzlich – so gegen­sätzlich wie Tag und Nacht, Mann und Frau, Tod und Leben, Trauer und Freude, Sünde und Gerechtig­keit, Ewigkeit und Vergänglich­keit, alter und neuer Bund, Johannes und Jesus, Gesetz und Evangelium. Schauen wir uns das näher an.

Der erste Teil lautet: „Es spricht eine Stimme: Predige!, und ich sprach: Was soll ich predigen? Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde. Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt.“ Gottes Wort und Gottes Boten sollen allen Menschen ihre Vergänglich­keit vor Augen führen. Und tatsächlich: Biologisch betrachtet ist der Mensch nicht viel haltbarer als Wiesen­pflanzen und andere Lebewesen. Dieses Bild der Vergänglich­keit taucht an vielen Stellen in der Bibel auf. In dem uralten 90. Psalm wird auch erklärt, warum die Menschen so vergänglich sind: „Sie sind wie ein Gras, das am Morgen noch sprosst und des Abends welkt und verdorrt. Das macht dein Zorn, dass wir so vergehen, und dein Grimm, dass wir so plötzlich dahin müssen. Denn unsre Missetaten stellst du vor dich, unsre unerkannte Sünde ins Licht vor deinem Angesicht.“ Mit anderen Worten: Unsere biologische Vergänglich­keit ist kein Naturgesetz in Gottes Schöpfung, sondern vielmehr eine universale Strafe für unseren Ungehorsam gegenüber dem Schöpfer. Der erste Teil des Jesaja-Wortes ist also Gottes Klage und Anklage, sein Gericht über die in Sünden gefallene Menschheit. Dem größeren Zusammenhang können wir entnehmen, dass hier Gottes Auftrag an Johannes den Täufer geweissagt ist, den letzten in der Reihe der Gerichts­propheten des alten Bundes. Tatsächlich hat Johannes den Menschen vor allem ihre Sünden vorgehalten mit seinen Predigten und ihnen Gottes Strafgericht angekündigt.

Hüten wir uns nun davor, Johannes und die Gerichts­propheten aus unserem Lebenshaus hinaus­zuwerfen! Hüten wir uns davor zu sagen: Das geht uns nichts an! oder: Das ist uns zu negativ! Vergessen wir nicht: Johannes und die Gerichts­propheten sind Wegbereiter, die unsere Herzen vorbereiten sollen, dass Gott selbst da einziehen kann. Und das geht nur, wenn wir uns Gottes Gesetz sagen lassen und zur Kenntnis nehmen, dass auch wir mit unserer Sünde den Tod verdient haben. Ja, es gilt immer noch: Sünder haben vor Gott ihr Recht auf Leben verwirkt; ihre Sünde hat sie vergänglich gemacht, denn „der Sünde Sold ist der Tod“, wie der Apostel Paulus schreibt (Römer 6,23). Lassen wir uns das gesagt sein, und ziehen wir die nötigen Konsequenzen daraus: Wir können vor Gott mit keinerlei Ansprüchen auftreten, wir können es auch nicht als selbst­verständlich erachten, dass wir selig werden. Vielmehr müssen wir vor ihm ganz klein werden, ganz demütig – nur so werden wir bereit, ihn zu empfangen. Unser heutiges Graduallied bringt es auf den Punkt: „Ein Herz, das Demut liebet, bei Gott am höchsten steht; ein Herz das Hochmut übet, mit Angst zugrunde geht…“

Kommen wir nun zum zweiten Teil unseres Predigt­textes; das, was hinter dem bedeutsamen Mittelsatz über Gottes Wort steht. Da heißt es: „Zion, du Freuden­botin, steig auf einen hohen Berg; Jerusalem, du Freuden­botin, erhebe deine Stimme mit Macht; erhebe sie und fürchte dich nicht! Sage den Städten Judas: Siehe, da ist euer Gott; siehe, da ist Gott der Herr! Er kommt gewaltig, und sein Arm wird herrschen. Siehe, was er gewann, ist bei ihm, und was er sich erwarb, geht vor ihm her. Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte. Er wird die Lämmer in seinen Arm sammeln und im Bausch seines Gewandes tragen und die Mutterschafe führen.“ Dem Gerichts­boten folgt die Freuden­botin; dem Johannes folgt Jesus; dem alten Bund folgt der neue Bund; dem Gesetz folgt das Evangelium. Es ist das Evangelium vom guten Hirten Jesus Christus. Er hat für Gottes Reich zurück­gewonnen, was verloren war; er bringt die verirrten Schafe zurück zur Herde. Indem er das tut, entreißt er sie dem Schicksal der Vergänglich­keit und schenkt ihnen das ewige Leben. Hier ist das prophezeit, was Jesus ein paar Jahrhunderte später dann so ausgedrückt hat: „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen“ (Joh. 10,28). Diese Botschaft haben die Apostel dann in die Welt getragen, und sie wird bis zum heutigen Tag überall verkündigt durch die Freudenboten Zions, die Boten der christlichen Kirche.

Nun sollte man meinen, dass jeder diese Freuden­botschaft gern hört. Wer wollte nicht seine Vergänglich­keit loswerden? Wer wollte nicht mit Gott Frieden finden? Wer wollte nicht in den Himmel kommen? Aber auch beim Evangelium geschieht es, dass Menschen Gottes Wort und Gottes Boten zurück­weisen. Die Gründe dafür sind unter­schiedlich. Da bildet sich einer ein, er sei so anständig, dass er keine Vergebung nötig hat. Ein anderer bildet sich ein, er sei so hoffnungslos in Sünde verstrickt, dass ihm nicht einmal Jesus da heraushelfen kann. Einem dritten ist es völlig gleich­gültig, was Gott sagt, er gibt sich mit unbestimmten religiösen Gefühlen zufrieden. Ein vierter ist misstrauisch und zweifel daran, dass die Bibel Gottes Wort ist. Ein fünfter hat zwar nichts gegen Gottes Wort, ist aber einfach zu bequem, um sich damit auseinander­zusetzen oder es auch nur regelmäßig in der Kirche anzuhören. Hüten wir uns davor, die Botschaft der Apostel und der Freudenbotin Zion aus unserm Lebenshaus hinaus­zuwerfen! Hüten wir uns davor zu sagen: Das betrifft mich nicht! Oder: Das ist doch veraltet! Vergessen wir nicht: Die Apostel und alle Prediger des Evangeliums sind Wegbereiter, damit Gott selbst bei uns einziehen kann. Ohne Jesus und sein Evangelium kann niemand echte Gemeinschaft mit Gott haben, wie der Herr selbst sagt: „Niemand kommt zum Vater denn durch mich“, und: „Ohne mich könnt ihr nichts tun“ (Joh. 14,6; 15,5). Der gute Hirte und sein Erlösungs­werk sind die einzige und letzte Chance für alle Menschen, mit Gott ins Reine zu kommen und das ewige Leben zu ererben.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, wir haben gesehen, wie wichtig es ist, dass wir Gottes Wort und Gottes Boten bei uns einlassen. Nur wenn wir die Worte der Bibel hören und annehmen, zieht Gott bei uns ein und macht uns selig. Wir haben auch gesehen, dass Gottes Wort in zweierlei Weise zu uns kommt, geradezu in zwei Gegensätzen: Als Gerichtswort und Heilswort, als Gesetz und Evangelium. Beides ist wahrhaftig Gottes Wort, und beides gilt bis heute. Allerdings haben diese beiden Seiten von Gottes Wort nicht gleiches Gewicht, denn nur bei der Freuden­botin, nicht beim Gerichts­boten, heißt es: „Erhebe deine Stimme mit Macht!“ Ja, das Evangelium hat größere Macht als Gottes Gesetz, es ist sein letztes Wort. Denn Jesus hat das ganze Gesetz stell­vertretend für uns erfüllt, damit wir nicht mehr unter seinem Fluch sind. Mögen wir biologisch immer noch wie Gras sein – mit Jesus sind wir unsterblich. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2015.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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