Bürger und Boten von Gottes Reich

Predigt über Lukas 10,1-9 zum Tag des Evangelisten Lukas

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

„Wir schaffen das“, sagt Angela Merkel angesichts von mehreren hundert­tausend Flücht­lingen, die in unser Land kommen. Man nennt sie die mächtigste Frau der Welt, denn unser Land gehört zu den einfluss­reichsten und wohl­habend­sten. Ganz ähnlich redete Barak Obama vor ein paar Jahren, als er die Präsident­schaft in den USA antrat: „Yes, we can!“ – „Ja, wir schaffen das!“ Er gilt als mächtigster Mann der Welt, denn auch sein Land gehört zu den einfluss­reichsten und wohlhabend­sten. Die Welt­geschichte lehrt: Mächtige Leute und mächtige Reiche hat es immer gegeben, und immer trauten diese Herrscher es sich zu, mit den Problemen und Heraus­forderungen ihrer Zeit fertig zu werden: „Wir schaffen das“, „yes, we can!“ Haben sie es dann tatsächlich geschafft? Meistens nur teilweise, und stets nur für eine begrenzte Zeit.

Wer die Bibel kennt, der weiß, warum: Gott misst den Reichen dieser Welt und ihren Herrschern immer nur begrenzte Macht zu, und immer nur auf Zeit. Irgendwann gehen diese glanzvollen Reiche unter, und andere steigen auf. Sehr deutlich kann man das an einem der mächtigsten Reiche der Welt­geschichte sehen: am römischen Reich in der Antike. Das römische Reich hatte den Höhepunkt seiner Macht erreicht, als Jesus auf Erden lebte. Der römische Kaiser galt unbestritten als mächtigster Mann der Welt. Jesus von Nazareth aber, äußerlich ein armer und fried­liebender Wander­prediger, kündigte ein Reich an, das unendlich viel mächtiger ist als das römische, das das römische lange überdauert hat und das noch heute besteht: das Himmelreich, das Reich des himmlischen Vaters. Jesus sprach davon, dass dieses Reich zwar nicht von dieser Welt ist, aber dass es zu den Menschen kommt. Jesus verkündete, dass dieses Reich niemals aufhören und untergehen wird, in Ewigkeit nicht. Und Jesus bezeugte, dass Gott, dem obersten Machthaber dieses Reiches, nichts unmöglich ist. Der sagt nicht nur: „Wir schaffen das“, sondern er schafft tatsächlich alles, was er sich vornimmt.

Wie in unseren Tagen Hundert­tausende nach Deutschland strömen, um in diesem Land zu leben, so ließen sich damals Hundert­tausende zu Bürgern in Gottes Reich machen. Sie hörten die gute Nachricht von diesem Reich, glaubten an Jesus und ließen sich taufen. Unter diesen Hundert­tausenden gab es einen Mann namens Lukas. Er war ein vornehmer Bürger des römischen Reichs, und er war sehr gebildet. Sein Beruf war Arzt. Von Jesus und seiner Lehre hatte Lukas wahr­scheinlich zuerst durch den Apostel Paulus gehört. Vielleicht war Paulus als Patient zu ihm gekommen; es ist ja bekannt, dass Paulus chronisch krank war. Jedenfalls war Lukas so fasziniert von Gottes Reich, dass die vergängliche Herrlichkeit des römischen Reiches und aller anderen Reiche der Welt für ihn dahinter verblassten. So wurde Lukas ein Christ und schloss sich dem Paulus an, um ihn bei seiner Missions­tätigkeit zu unter­stützen. Es war ihm ganz wichtig, dass noch viel mehr Menschen von Gottes Liebe erfahren, die in Jesus menschliche Gestalt angenommen hatte. Und es war ihm wichtig, dass Gottes Reich weiterwächst und dass viele Menschen in ihm Asyl finden vor den Angriffen des Teufels und vor dem drohenden Tod. Ewigen Frieden und ewiges Leben in ewiger Seligkeit, das kann es nur in Gottes Reich geben, in keinem anderen.

Aber nun hatten weder Lukas noch Paulus Jesus in seinen Erdentagen kennen­gelernt. Darum hatte Lukas das Verlangen, von Augen‑ und Ohrenzeugen persönlich zu hören, was sie mit Jesus erlebt und von ihm gehört hatten. So führte er viele Gespräche – mit Jüngern der ersten Stunde, mit Jesu Mutter und mit vielen anderen. Als Arzt konnte er gut zuhören und genau beobachten, sodass er dabei das Wesentliche heraushörte. Danach trieb ihn der Heilige Geist, alles gut geordnet für die Nachwelt aufzu­schreiben. Das Ergebnis haben wir noch heute vorliegen, nach fast zweitausend Jahren: Das Evangelium des Lukas – der Bericht dieses begabten und begnadeten Mannes darüber, wie Gottes Reich durch Jesus zu uns Menschen gekommen ist.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, wir haben eben einen bedeutsamen Abschnitt aus diesem Werk gehört. Wir haben gehört, wie Jesus zweiund­siebzig Jünger in die Ortschaften Palästinas ausgesandt hat mit der Botschaft: „Das Reich Gottes ist nahe zu euch gekommen.“ Nur Lukas berichtet in seinem Evangelium von diesem Ereignis; nur ihm haben wir das Wissen um diese Tat Jesu zu verdanken. Es geschah noch vor dem Tod und der Auferstehung Jesu, also auch vor seinem großen und endgültigen Misisons­befehl. Diese Aussendung war zeitlich befristet; die zweiund­siebzig Jünger kehrten also nach einer Weile zu Jesus zurück und berichteten von ihren Erfahrungen. Wir können sagen: Lukas hat uns hier gewisser­maßen von einem Probelauf der christlichen Mission berichtet. Dieser Bericht ist deswegen bedeutsam, weil er uns vieles über die Mission der christlichen Kirche lehrt, die dann nach Jesu Auferstehung mit der Aussendung der zwölf Apostel ihren richtigen Anfang genommen hat. Diese große Mission ist keinesweges nur etwas für Pastoren, Missionare und Kirchen­profis, sondern alle Bürger von Gottes Reich sollen zugleich auch Boten von Gottes Reich sein und andere Menschen einladen mit Worten und mit Taten der Liebe: „Das Reich Gottes ist nahe zu euch gekommen.“

Was können wir nun von dieser Aussendung der zweiund­siebzig im Einzelnen lernen?

Jesus sandte diese Jünger paarweise, immer zwei und zwei. Da lernen wir: Mission ist keine einsame Sache, sondern soll in der Gemeinschaft geschehen, denn in der Gemeinschaft können wir uns stärken und gegenseitig im Gebet unter­stützen.

Das Gebet spielt für die Mission aber noch in anderer Hinsicht eine wichtige Rolle. Jesus sagte: „Die Ernte ist groß, der Arbeiter aber sind wenige. Darum bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter aussende in seine Ernte.“ Wir sollten niemals meinen, dass es zuviele Boten für das Evangelium gibt; es gibt auch nie zuviele Missionare und Pastoren, sondern im Gegenteil: Jesus sucht stets neue Leute, die ehrenamtlich oder auch haupt­beruflich in sein Reich einladen. Dass wir aber in erster Linie darum beten sollen, bedeutet: Nicht unsere An­strengungen und Bemühungen bauen Gottes Reich, sondern er selbst baut sein Reich mit den Leuten, die er sich dafür ruft und zurüstet. In Gottes Reich darf niemand sagen: Yes, we can; das schaffen wir!, sondern in Gottes Reich müssen wir sagen: Yes, he can; er schafft das, und darum wollen wir nicht müde werden, ihn zu bitten.

Wer Bürger und Bote von Gottes Reich ist, der muss in dieser Welt stets mit Gegenwind rechnen, unter Umständen sogar mit gewaltsamer Verfolgung. Jesus hat es voraus­gesagt, und Lukas hat es auf­geschrieben: „Siehe, ich sende euch wie Lämmer mitten unter die Wölfe.“ Diese Wölfe haben heute nicht nur ein islamisti­sches Aussehen oder ein atheisti­sches, sondern manchmal haben sie sich einen Schafspelz übergezogen und scheinen christlich zu sein. Erkennen kann man sie nur daran, wie sie zu Jesus stehen: Ob sie ihn wirklich als ihren Herrn anerkennen und sein Reich so verkünden, wie es uns von Lukas, den anderen Evangelisten und den Aposteln überliefert ist.

Wer Bürger und Bote von Gottes Reich ist, der braucht sich allerdings keine Sorgen zu machen, auch nicht um das tägliche Brot. Darum wies Jesus die zweiund­siebzig Jünger bei ihrer Aussendung an: „Tragt keinen Geldbeutel bei euch, keine Tasche und keine Schuhe… Und wenn sie euch aufnehmen, dann esst, was euch vorgesetzt wird.“ Wenn andere euch für euren Dienst beschenken und materiell unter­stützen, so nehmt das gern an, und seid darüber hinaus gewiss, dass der Vater im Himmel euch das tägliche Brot gibt. Jesus hat ein anderes Mal gesagt: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtig­keit, so wird euch solches alles zufallen.“

Zuerst nach Gottes Reich trachten, das steckt auch hinter dieses etwas merkwürdigen Anweisung: „Grüßt niemanden unterwegs.“ Wahrschein­lich meinte Jesus Folgendes: Haltet euch nicht mit umständ­lichen Begrüßungs­ritualen auf und begnügt euch nicht mit belanglosem Geschwätz, wenn ihr anderen begegnet, sondern macht ihnen deutlich, was wirklich wichtig ist: Gottes Reich, das in Jesus zu den Menschen kommt.

Wer Bürger und Bote von Gottes Reich ist, der redet allerdings nicht dauernd fanatisch über Jesus, sondern der hört und sieht auch die Nöte der Menschen, denen er begegnet. Bürger von Gottes Reich haben acht auf ihre Mitmenschen und helfen ihnen, wenn sie es können. Auch das hat Jesus den Zweiund­siebzig aufgetragen und gesagt: „Heilt die Kranken, die dort sind.“ Alles Reden und Handeln aber soll in die Freuden­botschaft münden: „Das Reich Gottes ist nahe zu euch gekommen.“

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, das ist Jesu Botschaft auch an uns, wie sie durch den Evangelisten zu uns kommt. Das Reich Gottes ist durch ihn auch nahe zu uns gekommen, und wir dürfen Bürger dieses mächtigsten aller Reiche sein, das nie untergeht. Auch dürfen wir un­einge­schränkt Boten dieses mächtigsten aller Reiche sein, denn bei Gottes Reich gibt es keine Mauern und keine Zugangs­beschränkun­gen; jeder, der Gott vertraut und Jesus Einladung folgt, kann hinein­kommen. Wir wissen nicht, was in Zukunft aus Deutschland wird, auch nicht, was aus den USA wird oder aus Russland oder aus China oder aus anderen mächtigen Reichen der Welt. Aber eins wissen wir, eins hat uns Gott versprochen: Sein Reich hat kein Ende, und auch für uns wird es nie zu Ende sein. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2015.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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